Mein Herz hängt an Griechenland. Ich war oft auf Kreta unterwegs, liebe die deutsche, sehr fleischlastige Interpretation des griechischen Essens ebenso wie die eigentlich eher gemüsezentrierte einheimische Küche vor Ort – ich sage immer, nach einer Woche auf Kreta habe ich überhaupt keine Mühe, Vegetarier zu werden, denn eine sonnengereifte Tomate oder eine Gurke auf Kreta hat genausoviel Geschmack wie ein gut gewürztes Steak hierzulande. Und dazu dann ein leckerer, kühler, gut geharzter Retsina und ein paar Ouzos zum Essen und einen Metaxa danach, da fällt es sogar einem eher scheuen Deutschen wie mir leicht, in der Gruppe einen Sirtaki zu tanzen.
Darum habe ich immer mindestens eine Flasche Ouzo zuhause. Die Bandbreite der in Deutschland erhältlichen Ouzos ist doch gar nicht so klein, wir trinken den griechischen Schnaps einfach gerne. Doch auch die Unterschiede sind schmeckbar, wobei hier Preis und Qualität kaum eine Korrelation aufweisen, weil Ouzo grundsätzlich eher billig ist – selbst so richtig guter Stoff ist in der Regel nicht teuer und unter 15€ zu bekommen. Der Idoniko Ouzo (Ηδωνικό ούζο) der Domaine Costa Lazaridi aus Adriani im nordgriechischen Makedonien passt in dieses Muster und gibt jedoch dazu an, nur aus griechischen Rohstoffen hergestellt worden zu sein. Das könnte nach dem oben über das gute Klima für hochwertiges Grünzeug gesagte sicherlich ein Qualitätsmerkmal sein; probieren wir, ob sich das auch geschmacklich so äußert, wie ich es in Erinnerung habe.
Glasklar, transparent, ohne fehlerhafte Einschlüsse jedweder Art. Im Glas sieht man daneben noch, dass sich der Ouzo schwer und ölig bewegt, man muss große Kreise drehen, um ihn überhaupt in Bewegung zu versetzen, und er bleibt sehr schnell wieder stehen. Viele dicke Beinchen laufen dabei von der Glaswand ab. Bei Zugabe von Wasser entsteht sofort und ohne Verzögerung ein dichter Louche.
In der Nase kommt zunächst die Hauptzutat eines jeden Ouzo nach vorne – Anis. Das wirkt dabei nicht aggressiv, sondern süßlich und tatsächlich etwas kräuterig. Begleitet wird das von fruchtiger Orangenschale, etwas Vanille, Rosinen und Feigen. Eine leicht parfümige Note, eine Mischung aus Bergamotte, Harz und Zeder, liegt als Kopfton dabei. Das ist ein ausgesprochen attraktives Geruchsbild, sehr aromatisch und dennoch irgendwie leicht, sehr süßlich und trotzdem sehr komplex und vielschichtig. Erst, wenn man den Duft sehr tief einatmet, erkennt man etwas von der Alkoholbasis, auch hier allerdings nicht wirklich störend.
Der Antrunk des Idoniko weckt direkt Erinnerungen – das schmeckt zu 100% genauso, wie wenn man in eine klassische Lakritzschnecke von Haribo in der weißen Packung mit den roten Buchstaben beißt. Die Lakritznote wird im Verlauf noch stärker, bleibt aber eingebunden in das Gesamtbild. Zeder und Harz sind durchweg dabei, liefern etwas sehr dezente holzige Herbe. Ganz milde Frucht erahnt man mehr, als man wirklich schmeckt – auch hier entsteht eine wunderbare Komplexität, bei der man in viele Richtungen schmecken und die Noten auch am Gaumen nachverfolgen kann. Die Textur ist fett und schwer, wie schon an der Glaswand hat man das Gefühl, dass der Ouzo am Gaumen langsam nach hinten abläuft.
Der Abgang ist wieder lakritzig, lang, sehr weich und ohne jedes Kratzen, aromatisch und voll. Eine sehr genehme Trockenheit zeigt, dass hier nicht (wie bei Ouzo in gewissem Maße erlaubt) mit viel Zucker nachgeholfen wurde. Der Nachhall des Idoniko ist von einem sehr langen, weichfloralen Anishauch mit leichter umami-Komponente bestimmt, der die betäubte Zunge kühlt. Ein wirklich ausgesprochen toller Ouzo, der sich durch seine Komplexität und wirklich schöne Rundheit von den meisten Konkurrenzprodukten abgrenzt.
Auf der sinnlosen Suche nach guten Cocktailrezepten für Ouzo, die nicht simple Longdrinks sind, bin ich über das eine Rezept gestolpert, das einfach Ouzo mit Amaretto kombinierte. Eine interessante Sache als Basisidee! Rein für die Komplexität habe ich noch etwas Mastiha dazugegeben, die starke Süße mit einem Löffelchen Zitronensaft ausgeglichen und fürs Mundgefühl einen Spritzer Schaumentwickler dazugegeben. Das Ergebnis ist wirklich süffig, ich bin sehr zufrieden damit. Ich habe dem Drink den Namen Allianz des Südens gegeben, nach einer Phrase auf der Seite, die mir die Inspiration für die Basisidee gegeben hatte.
Allianz des Südens
2 oz / 60ml Ouzo
⅔ oz / 20ml Amaretto
⅔ oz / 20ml Mastiha
1 Teelöffel Zitronensaft
1 Spritzer Miraculous Foamer
Auf Eis shaken.
[Rezept nach Helmut Barro]
Die Flasche ist leicht türkis gefärbt, und mit einem hübschen Glaseinlass des Namens versehen. Der Kontrast zum roten Blechschraubverschluss ist groß, auf dem Etikett werden die Farben wieder miteinander vereint. Ich hatte in einem lokalen Supermarkt in einer „griechischen Ecke“ diesen Ouzo gefunden und erstmal die kleinere 200ml-Flasche eingepackt, man weiß ja nie – inzwischen bedaure ich es, ich hätte direkt die große Flasche holen sollen, vielleicht sogar zwei davon. Daneben stand noch ein Tsipouro desselben Herstellers, auch den hätte ich eigentlich mitnehmen sollen. Nun, ich weiß, dass ich nach ihnen Ausschau halten werde. Denn der Idoniko hat mich voll und ganz überzeugt und ist bereits mit wenigen Schlucken zu meinem neuen Lieblingsouzo herangewachsen.