Geheimnisvolle Gefahr – Rum Artesanal Australia Rum Secret Distillery

Rum Artesanal Australia Rum Secret Distillery Titel

Australien – das gefährlichste Land der Erde, wie ich immer wieder höre. Spinnen so groß wie Handteller, Giftschlangen, die sich in vor die Tür gestellten Schuhen ausruhen, Dingos, die sich an allem bedienen, was sie finden können, Krokodile in jedem Tümpel und Haie an jeder Küste und sonstiges Grün- und Viehzeug, das sich in den staubigen Wüsten und brennenden Wäldern darauf vorbereitet, den arglosen Besucher ratzeputz von der Oberfläche seiner Heimat zu tilgen. Fehlt nur noch, von einem boxenden Känguruh eine aufs Maul zu bekommen. Und nein, das stammt nicht alles einfach nur aus dem Drehbuch zu Crocodile Dundee.

Aus diesem Land also stammt der Rum Artesanal Australia Rum Secret Distillery. So „secret“ ist die Destille dann doch nicht; wenn man die grundsätzliche Aromatik der Beenleigh Artisan Rum Distillery aus Queensland kennt, fällt einem sofort auf, dass der Brand nur von dort kommen kann – und Steve Magarry, seines Zeichens Distillery Manager dort, hat mir das inzwischen auch in privater Kommunikation ganz offen bestätigt. Die Rohdaten, klar dokumentiert auf den Etiketten der Flasche, lesen sich schonmal gut – ein reines Pot-Still-Destillat aus 08/2007 ist die Basis, das auf 50,4% Alkoholgehalt eingestellt und nach 12 Jahren Fassreifung (08/2019) abgefüllt wurde in eine von nur 497 der 500ml-Flaschen, die sich aus Fass 45 ergeben haben. Nachdem ich den Karton vorsichtig geöffnet habe, um sicherzugehen, dass mir keine Spinne ins Gesicht springt, und der Korken auch keine Schlange in der Flasche gefangen hatte, probiere ich den australischen Rum nun, ohne echtes mulmiges Gefühl.

Rum Artesanal Australia Rum Secret Distillery

Farblich sehen wir das, was wir von 12 Jahren Reifung erwarten – klares, leuchtendes Sonnenblumengelb, ein ehrlicher Ton für dieses Alter. Bei Gegenlicht wirkt der Rum schon fast Orange. Kaum eine Öligkeit ist zu sehen, wenn man ihn im Glas schwenkt; an der Glaswand sieht man dennoch einen Film, der in weit voneinander abgegrenzten, langen Beinen abläuft.

Die Nase beginnt mit vielen Gewürzen, Kardamom allen voran, etwas Vanille, etwas Zimt. Darunter dann aber direkt das, was ich oben als „Destillerie-Typizität“ bereits angesprochen hatte, und was ich in diversen Abfüllungen von Beenleigh immer wieder gefunden hatte – ein fettes, buntes Obstbouquet, das mich in der Ausführung deutlichst an einen klassischen Obstler erinnert, mit Anklängen von Birne, Apfel, Kirsche und Aprikose. Ein bisschen ein buttriger Charakter scheint dabei durch, vielleicht Marzipan und Butterscotch. Da ist auch ordentlich leicht zwickender Lack und Lösungsmittel dabei, das muss ich dazusagen, tiefes Schnuppern prickelt an den Polypen. Alles zusammen ergibt ein ganz eigenes Bild, sehr prägnant und mit hohem Wiedererkennungswert.

Rum Artesanal Australia Rum Secret Distillery Glas

Ein sehr süßer und milder Antrunk kommt dann nicht unerwartet. Sehr cremig legt der Rum sich an den gesamten Innenraum des Mundes, die Frucht expandiert und präsentiert sich erneut mit klarer Reminiszenz an einen gereiften Apfel- oder Birnenbrand, leichte grüne Banane gesellt sich dazu, und eine an Holunderblüten erinnernde Floralität. Später kommen die Gewürze wieder, Zimt, Kardamom, mit einer durchaus ansprechenden prickelnden Pikanz und einer gewissen Anästhesie oben am Gaumen. Trockenheit und ganz vorsichtige Bittere bildet sich aus, ein bisschen medizinisch wird er dabei, etwas, was ich an komplexen Bränden sehr schätze – dabei bleibt der Rum Artesanal Australia Rum Secret Distillery von Anfang bis Ende rund, voll, und so richtig breit in alle Richtungen.

Der Abgang ist eiskalt, sehr mentholisch, mit Eukalyptusaromen und -effekten an Gaumen und Zunge, lang und aromatisch hängt der Rum noch am Geschmacksapparat, erinnert hier an einen alten Calvados, helltönig, fruchtig, aber mit Kraft bis zum Schluss. Ein toller Rum, wirklich, mit eigenständigem Charakter und handwerklich wunderbar ausgeführt, etwas Besonderes für den Rumkenner wie für den Einsteiger, der sich zum ersten Mal mit dieser Rumregion auseinandersetzen will.

Natürlich bietet sich so ein feiner Rum für feine Drinks an, das steht außer Frage. Ich war aber auf der Suche nach einem echten australischen Cocktail, und da findet sich nicht viel „Feines“ – im Sinne von klassischen Rezepturen. Also muss ich auf den ältesten australischen Drink zurückgreifen, den ich finden konnte (immerhin mindestens 1953). Der Diamantina Cocktail klingt im Rezept grausig, aber natürlich habe ich die Mengen auf nichtaustralische Gepflogenheiten reduziert, und das hier nicht erhältliche Emu-Ei durch ein Bio-Hühnerei ersetzt. Auch wenn das laut der Seite dann nicht mehr den wahren Geist des Outbacks einfängt.

Diamantina Cocktail


Diamantina Cocktail
1 ganzes Bio-Ei (im Original vom Emu) schaumig aufschlagen
1½ oz australischer Rum
1½ oz Kondensmilch
Auf Eis gut shaken.
[Rezept nach unbekannt]


Rum Artesanal hat eine klare Präsentationsstruktur, hübsch und edel wirkend, ohne je in Marketingclownerie und Klischees abzudriften. Um die Marke des unabhängigen Abfüllers Heinz Eggert GmbH aus Bad Bevensen ist gerade in der Szene ein wahrer Wirbel ausgebrochen – einige der (zugegebenermaßen wirklich großartig ausgewählten) Abfüllungen waren Lustziel der Rumnerds dieser Welt, was dafür sorgte, dass auch viele Folgeabfüllungen in Minuten komplett ausverkauft waren, mit dem entsprechenden Echo derer, die nichts mehr abbekommen konnten, wie das immer so ist bei hochbegehrten Produkten. Nun, das ist so, heutzutage – Rum ist aus der Nische, in der er sich lange nicht mit den Problemen, die Whiskykenner schon Jahrzehnte plagen, herumschlagen musste, endgültig heraus. Für mich bedeutet das schon, dass ich weniger an diese gierig gesuchten Abfüllungen herankommen werde, denn ich habe keine Lust, nachts um 3 aufzustehen und im Browser stundenlang F5 zu drücken oder einen Sniperbot zu aktivieren, ich bin einfach kein Jäger dieser Art. Persönlich sehe ich das aber nicht echt kritisch, sondern gönne Dominik Marwede und Rum Artesanal diesen wohlverdienten Erfolg von ganzem Herzen, und auch jedem, der eine Flasche seltenen Rums ergattern kann.

Jedenfalls freue ich mich, dass es in Deutschland so jemanden gibt, der wirklich guten Stoff abfüllt, ehrlich und ohne Trickserei, unprätenziös und immer für Kommunikation und einen Spaß offen. Und der Rum Artesanal Australia Rum Secret Distillery zeigt mir, dass da nicht einfach nur bereits bekannte Felder abgegrast werden, sondern eine Perspektive auf Neues, wenig Bekanntes eröffnet werden soll. Allein das ist schon lobenswert. Ich hoffe trotz obiger Skepsis, dass möglichst viele Rumfreunde davon profitieren werden können in Zukunft.

Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.

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