Französischer Festungsschnaps – Citadelle Gin de France

Citadelle Gin Titel

Der Alkoholkonsum in früheren Jahrhunderten war aus heutiger Sicht höchst erstaunlich. Es wurde Schnaps getrunken in Mengen und zu Zeiten, die wir uns heute kaum vorstellen können. Frankreich war dabei einer der ersten Profiteure davon – schon früh exportierte das Land, basierend natürlich auf der langen und prominenten Verbundenheit zu Wein, seinen Branntwein in alle Welt, er war mit der beliebteste und verbreitetste Hochprozenter, alle großen Kolonialreiche konsumierten ihn en masse in der Heimat wie in der Fremde. Erst als England sich entschied, hohe Steuern auf den Import ausländischer Spirituosen und das Brennrecht ohne Lizenz einzuführen, begann der Aufstieg eines anderen Brands, der später die Welt erobern sollte – Gin. Ich gehe davon aus, dass die Franzosen inzwischen genausoviel Gin trinken wie der Rest Europas. Die Superpopulärität dieser Spirituosenkategorie macht an Ländergrenzen keinen Halt mehr.

Der Citadelle Gin de France aus dem Hause Maison Ferrand bedient sich einer Geschichte aus dieser frühen Zeit, um sich dem geneigten Kunden zu präsentieren. Der Name wurde scheinbar inspiriert von der ersten französischen Ginherstellung in der Festung der nördlichsten Stadt Frankreichs, Dunkerque, im ausgehenden 18. Jahrhundert. Im Gegensatz zu manch einem anderen Produkt wird hier dankenswerter Weise nun nicht behauptet, dass außer der Inspiration irgendeine tatsächliche historische Verbindung zu dieser Festung besteht. Auch wir wollen nicht lang drauf herumreiten, sondern uns stattdessen eher handfesten Tatsachen zuwenden, wie dem Gin selbst. Ab ins Glas damit!

Citadelle Gin

Zur Farbe gibt es bei einem Gin meist nicht viel zu berichten, auch hier bleibt mir nur zu erzählen, dass die Flüssigkeit klar und fehlerlos ist. Eine leichte Öligkeit lässt den Gin im Glas schwer schwappen, wobei ein dicker Film an der Glaswand zurückbleibt, der schnell in dicken Beinen abläuft.

Ich gebe gern zu, dass ich für viele Hersteller ein unbequemer Gintrinker bin. Ich kann mit den allermeisten modernen aromatisierten Wodkas, was die meisten New Western Gins eigentlich sind, nichts anfangen, ich will einen klassischen wacholderlastigen Gin, wie er definiert ist. Daher schnuppere ich erstmal skeptisch an diesem Gin, der sich mit 19 Botanicals brüstet. Nun, erleichtert atme ich wieder aus – da ist ordentlich Wacholder da. Den ersten Test hat der Citadelle damit schonmal bestanden. Was rieche ich aus den eingesetzten Kräutern heraus? Die komplette Bandbreite von Koriander, Iris, Kubebenpfeffer, Mandel, Cassis, Fenchel, Lakritz, Sternanis, Bohnenkraut, Zitronenzeste, Muskatnuss, Orangenzeste, Angelika, Kardamom, Kumin, Veilchen, Zimt und Paradieskörnern? Das wäre schon beeindruckend, doch so perfekt ausgebildet ist mein Geruchsapparat dann doch nicht. Neben dem dominanten Wacholder sind da leicht florale Noten, wahrscheinlich von Iris und Veilchen, und frische Fruchtigkeit aus den Zitrusfruchtzesten. Kardamom, ja, und auch Zimt. Ein durchaus komplexes Gesamtbild.

Das macht Lust, ihn zu probieren. Sehr voluminös, voll, und fast schon cremig, ein sehr dichtes Mundgefühl für einen Gin, das liegt wie eine Flauschedecke im Mund. Neben dem Wacholder nehme ich persönlich den Kubebenpfeffer am stärksten wahr, er dominiert im Verlauf sogar immer mehr das Geschmacksbild. Pfeffrig, aromatisch, leicht feurig, durchaus würzig. Leichte Bittere und Lakritz- und Fenchelgeschmäcker. Insgesamt meine ich, eine deutlich salzige und umami Seite an diesem Gin zu finden, ungewöhnlich, aber durchaus apart und ungewohnt, ohne allzusehr ins von mir ungeliebte New Western abzugleiten. Eine etwas seifige Komponente könnte vom Koriander und ähnlichen Kräutern kommen, mir liegt diese Seite nicht so sehr, ohne es aber für einen Fehler zu halten. Auch im Mund eine attraktive, spannende Komplexität.

Citadelle Gin Glas

Der Abgang ist kühl, eukalyptisch, effektvoll lang und hinterlässt ein kräuteriges Bouquet am Gaumen. Man hat noch eine ganze Weile was von dem Citadelle, wenn er den Mund schon verlassen hat, mit leicht blumigen Noten klingt er am Ende aus. Ja, das gefällt mir – pur trinkbar, mit einem ansprechenden Geschmacksbogen und einem beeindruckenden Mundgefühl.

Gin, das bringt man meist mit sehr klassischen Drinks, die gleichzeitig sehr streng und kühl gehalten sind, in Verbindung. Gin und Tiki, das ist dagegen etwas, was erstmal keine offensichtliche Gemeinsamkeit hat – doch es gibt doch den einen oder anderen Tiki-Drink, der sich gern dieser Spirituose bedient. So zum Beispiel Trader Vic’s Passion Punch – man sieht bereits am Namen, das ist kein moderner Trend, sondern die ganz Großen des Südseeeskapismus haben sich damit schon beschäftigt. Und es funktioniert wunderbar mit dem Citadelle Gin. Wenn der Drink dann noch in einem trickreichen Gefäß mit Einblick an unerwarteter Stelle serviert wird, ist die Überraschung garantiert.

Trader Vic's Passion Punch Cocktail


Trader Vic’s Passion Punch
2 oz Dry Gin
¼ oz Brandy
½ oz Limettensaft
1½ oz Passionsfruchtsirup
1 Spritzer Angostura bitters
Mit Eis blenden.

[Rezept nach Trader Vic]


Die Flasche hat wirklich Stil, ist toll gegossen und mit dem blauvioletten Farbverlauf sehr prägnant in jeder Heimbar. Dazu ein sehr hübsch gestaltetes Etikett in ungewohnter Form, mit entsprechenden Vertiefungen dafür im Glas, farblich sehr angenehm angepasst an die Flaschenfarbe selbst, mit einer eindeutigen Flaschennummer. Sogar der Blechschraubverschluss ist gestaltet, da hat sich ein Produktdesigner wirklich ausgetobt und ein rundum gelungenes Gesamtbild abgeliefert.

Man bezahlt rund 20€ für eine Flasche, und das ist gerade in Zeiten von maßlos überteuerten Spargel-Oliven-Hipsterpseudogins eine wahre Wohltat – ein extrem fairer Preis für einen Dry Gin, der typisch ist und dabei gleichzeitig mehr Alkoholpower hat als viele anderen Produkte in dieser Preislage.

Offenlegung: Ich danke Ferrand Deutschland für die kosten- und bedingungslose Zusendung einer Flasche dieses Gins.

Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.