Ich hau gleich mal einen Satz zu anfang raus, der vielen echten und auch selbsternannten Highendspirituosennerds hin und wieder mal vorgebetet werden muss: Man sollte Standardqualitäten gut kennen und auch hin und wieder probieren, um höhere Qualitäten einschätzen und korrekt bewerten zu können. Es bringt nach meiner demütigen Meinung nichts, Spirituosen, die man noch gut in Supermärkten erweben kann und nicht ausschließlich über obskure Quellen in handbeschrifteten 5cl-Fläschen, naserümpfend zu ignorieren.
Viele Hersteller bieten natürlich für jeden Geschmack oder Geldbeutel eine Variante an, aus der man sich dann passend für seinen eigenen Bedarfslevel an Qualitätsversprechen ein Produkt wählen kann. Will man sich also dann doch zum Beispiel vom allgegenwärtigen schwarzweißgelabelten Basiswhiskey des Herstellers Jack Daniel’s auf ein etwas höheres Niveau heben, aber in der Familie bleiben, so stößt man schnell auf den Jack Daniel’s Gentleman Jack.
Das Besondere dieser Sorte ist ein Begriff, den man mehrfach auf den Etiketten der Flasche lesen kann – „Double Mellowed“, das heißt in diesem Fall, dass der Lincoln-County-Prozess, der für jeden Whiskey des Herstellers angewendet wird, zweimal durchgeführt wird. Der Gentleman Jack sickert also nicht nur einmal durch eine dicke Holzkohleschicht, was Ecken und Kanten aus dem Destillat entfernt, sondern gleich zweimal. Bringts was?
Farblich finden wir ein helles Ocker, natürlich entstanden, denn Färbung ist bei Tennessee Whiskey verboten (weil jeder Tennessee Whiskey automatisch den Regeln eines Straight Bourbon folgen muss). Sehr hübsch verhält er sich im Glas, mit schöner Schwere, und entsprechenden Tropfen am Glasrand, die stellenweise fast stehenbleiben.
Der sehr typische Jack-Daniel’s-Geruch ist vom ersten Tropfen des Eingießens ins Glas präsent. Banane, Vanille, etwas würziger als der des weit bekannten Old No. 7, meiner Meinung nach. Erkennbar, aber mild, ist eine Lösungsmittelnote. Von allen Produkten des Herstellers empfinde ich den Geruch des Gentleman am angenehmsten.
Im Antrunk ist direkt ein extrem weiches Mundgefühl spürbar, das eine ganze Weile anhält. Süß, Vanillepudding, Zimtmilchreis, etwas Hefe im Geschmack. Sahnebonbons, weiße Schokolade. Der Gentleman Jack fühlt sich ausgesprochen ölig an und legt sich auf den Gaumen und die Zunge – das ist das, was einem im Gedächtnis bleibt. Im Verlauf kommt dann aber doch eine gewisse alkoholische Schärfe auf, zimtig und etwas brennend, man sieht hier, dass 40% Alkoholgehalt auch nur mittelmäßig eingebunden sind. Eine faszinierende Salzigkeit begleitet das ganze durchgängig.
Der Abgang ist mittellang, mit den bekannten Daniel’s-Aromen von Banane und Vanille. Ein leichtes Kribbeln verbleibt insbesondere auf der Zungenspitze. Die milde Würze und Vanille hängt dafür noch minutenlang nach – das ist sehr angenehm.
Ich weiß, das Glas, das ich für den hier präsentierten Cocktail verwendet habe, ist eins eines anderen Produkts. Ich empfinde es als eine etwas dämliche Diskussion, ganz ehrlich, ob ein Glas „passt“ oder „nicht passt“. Manche ikonischen Cocktails gehören vielleicht in einen speziellen Glastyp, ja, aber ob es nun eine Cocktailschale ist, die mit dem Logo eines Vodka-Herstellers oder eines Wermut-Herstellers bedruckt ist – mannomann, man muss schon ein echter Hardcorenerd sein, um sich daran zu stören; erlebt habe ich es schon, aber ich finde das lächerlich. Darum habe ich keine Schwierigkeiten, den Lemon Julep in einem oberflächlich unpassenden Glas zu servieren.
Lemon Julep
4 Minzblätter in einem Glas muddeln
2 oz Bourbon
¾ oz Elderflower Liqueur
1 oz Zitronensaft
¾ oz Zuckersirup
Im Glas bauen. Mit Crushed Ice auffüllen und leicht umrühren.
Mit Sprudel toppen.
[Rezept adaptiert nach TJ Vong]
Ich mag Sets, die ein Markenglas mitliefern, wie das, mit dem ich diese kleine 200ml-Flasche des Gentleman Jack erworben habe. Neben dem Glas, einem netten Gimmick, gefällt mir einfach die Dosis – eine größere Flasche kann man dann immer noch kaufen, wenn einem das Produkt mundet.
Im Fazit ist der Gentleman Jack mit Sicherheit ein großer Sprung vorwärts im Vergleich zum vergleichsweise dünnen Old No. 7-Massenprodukt, und ich verstehe die Idee, diesen Whiskey „Gentleman“ zu nennen – da ist wirklich ausgesprochen viel Weichheit und Flauschigkeit drin; das doppelte „Mellowing“ zahlt sich definitv aus. Aromatisch dagegen ist er zu einfach, zu unkomplex, als dass er auf Dauer begeistern könnte – für die, die einen Whiskey suchen, der „easy drinking“ und müheloses Genießen liefert, zusammen mit der Typizität des Jack-Daniel’s-Geschmacks, ist dieses Produkt aber genau das richtige.