Vor kurzem jährte sich ein großer, gewichtiger Feiertag für alle, die sich für die Barwelt interessieren: Der Repeal Day. Am 05. Dezember 1933 endete in den Vereinigten Staaten von Amerika die Prohibition, und das Land, das 13 Jahre gezwungenermaßen im Krieg mit dem Teufel des Alkohols gewesen war, ergab sich wieder dem Suff. So ganz auf dem Trockenen hatte es aber eigentlich auch in diesen Jahren nie gelegen: Alkoholschmuggler sorgten mit kanadischem Whisky für die Stillung des allerschlimmsten Dursts, und Schwarz- und Geheimbrenner mussten sich eh nie Sorgen um Nachschub mit Hochprozentigem machen.
Letztere sind bis heute natürlich weiterhin aktiv, und produzieren einen ungereiften Schnaps, der in den USA passend zur allgemeinen Herstellungsuhrzeit Moonshine genannt wird, vorbei an Zoll- und anderen Regierungsbehörden. Original Floyd’s 55 Moonshine trägt den vielversprechenden Untertitel des „stärksten legalen Moonshine der Welt“. Über die Sinnhaftigkeit dieser Aussage kann man trefflich streiten – „legaler Moonshine“ ist schon ein Oxymoron, und da die Kategorie des Moonshine nur eine informelle, ungeregelte ist, gibt es auch keine Grenzen, an die man sich als Brenner halten müsste, weswegen das Attribut der höchsten Alkoholstärke auch willkürlich ist. Wenn man etwas deutlicher werden will: Wir haben hier eigentlich keinen Moonshine vor uns, sondern eine Form des White Dog, oder Whiskey New-make. Braucht man demzufolge aber auch keine Angst davor zu haben, hier einem wilden Fusel, der blind macht und für Organversagen sorgen wird, aufzusitzen?
Über die Farbe des klaren Brands brauchen wir uns natürlich nicht zu unterhalten. Interessanter ist da die Konsistenz – leicht ölig und schwer. Der Geruch ist dann noch viel spannender. Fruchtig, grasig, süßholzig, Tabak, mineralisch mit Anflügen nach feuchtem Beton, eine Aromatik, die ich viel ansprechender finde, als es die Worte und Vergleiche vielleicht ausdrücken.
Auch im Antrunk schießt erstmal die sehr fruchtige Getreidenote vor, dicht und kräftig und sehr körpervoll. Süß und warm wirkt der Floyd’s 55 im Mundgefühl, nach dem ersten Gewöhnungsschluck auch mild und breit: Die namensgebenden 55% Alkohol spürt man kaum. Auch hier ist Beton zu schmecken, und holzige Tabaksnoten. Im Abgang wird es dann doch noch ein bisschen frecher. Er ist sehr lang, feurig, grasig, zungenspitzenbetäubend, trocken und mit erkennbarem Eisenton am Ende, der extrem lange vorhält.
Die Hersteller dieses ungereiften Whiskeys berufen sich auf einen geheimnisvollen „Floyd“, der als Brenner illegalen Alkohols in den amerikanischen Ozark Mountains einen fast schon mystischen Ruf haben soll. Um das Geschmackserlebnis auch in Deutschland verfügbar zu machen, wurde das Originalrezept, das ein paar mutige Explorateure auf ihrer US-Reise von Floyd einsammelten, in Bayern nachgebrannt – legal natürlich.
Nun kann ich die blumige Geschichte natürlich nicht wirklich verifizieren, doch das soll dem ganzen Genuss keinen Abbruch tun. Viele Sprithersteller erfinden Legenden für sich und ihr Produkt, und solange nicht gelogen und betrogen wird, kann ich mit etwas Flair und Storytelling sehr gut leben. Im Endeffekt will ich dann aber über die Story hinaus doch wissen, was ich da im Glas habe. Leider sind die Hersteller dieses deutschen Produkts genauso geheimnisvoll wie es der amerikanische Pate ist; das mag zum Zielimage passen, für mich als Freund der Transparenz bei Spirituosen ist es eher lästig. Gerne würde ich mehr über die Basiszutaten, die Destillierweise und die Lagerung erfahren. Daher habe ich mich an den nordbayerischen Brenner gewendet mit meinen Fragen, und Antworten erhalten.
Beim Floyd’s 55 handelt es sich um ein Destillat aus gemälzter Gerste, die hierfür mit Buchenholz und Torf getrocknet wird. In einer klassischen Pot Still wird doppelt destilliert, nur der Heart Cut wird behalten. In Edelstahlbehältern wird der Brand gelagert, bevor er zur Abfüllung mit Quellwasser auf 55% rückverdünnt wird. Man sieht, da ist nichts mehr amateurhaftes, hinterhofiges im Prozess – das ist eine hochwertige Qualitätsspirituose, hergestellt auf handwerklich professionellem Niveau. Die oben angesprochene Angst vor Fuselstoffen ist damit vom Tisch.
Ein Brand wie der Floyd’s 55 ist ein durchaus interessanter Ersatz für andere weiße Spirituosen in Cocktails; Vodka, Korn oder auch Obstbrand gegen ihn auszutauschen ist ein Leichtes. Die Originalfassung des hier gezeigten The Bitter Moonshiner verlangte beispielsweise eigentlich nach weißem Barbados-Rum. Mit Floyd’s 55 und einem doppelten Amaro-Einsatz bekommt dieser Cocktail eine ganz eigene, sehr blumig-kräuterige Note, die auf den ersten Schluck gewöhnungsbedürftig scheint – mit fortschreitendem Konsum aber immer interessanter und leckerer wird.
The Bitter Moonshiner
1½ oz Original Floyd’s 55 Moonshine
¼ oz John D. Taylor’s Velvet Falernum
½ oz Fernet Branca
½ oz Cynar
1 Spritzer Jerry Thomas‘ Own Decanter Bitters
Mit Eis shaken.
[Rezept abgewandelt nach Inu a Kenas Originalrezept „The Bitter Bajan“]
Wir kennen inzwischen professionelle Produkte, die in einem Einweckglas abgefüllt werden, um sich den Anruch des im Hinterhof in das, was gerade da ist, als Behältnis Abgefüllten zu geben. Hier unterscheidet sich das in zweierlei Hinsicht von vielen Konkurrenzprodukten – erstens hat man hier ein Glas mit Griff, das man nachher gut als rustikales Cocktailglas wiederverwenden kann, und zweitens fehlt leider ein Ausgießer, der einem helfen würde, aus einer so großen Glasöffnung eine halbwegs vernünftige Dosis in ein kleines Trinkglas auszuschütten, ohne die Hälfte daneben zu leeren.
Aber ich will mich nicht wirklich über so ein Fehlen beschweren – wer schon zu etepetete ist, ein bisschen Verlust beim Umschütten zu riskieren, ist vielleicht eh nicht in der passenden Zielgruppe für einen Moonshine. Ich empfehle aber trotzdem eine Pipette, um den Schnaps ins Trinkglas zu transportieren.
Insgesamt ist der Floyd’s 55 ein schönes Gesamtpaket für den an ungewöhnlichen Spirituosen Interessierten. Bei 18€ für 375 Milliliter bewegen wir uns für diese Art der Trendspirituose auch in einem im Vergleich zur amerikanischen Konkurrenz üblichen Preisgefüge; erhältlich ist er im DMAX-Onlineshop.
Offenlegung: Ich danke dem DMAX-Shop für die kostenfreie Zusendung eines Glases des Original Floyd’s 55 Moonshine.
Ein Kommentar zu “Der Hinterhof hat ausgedient – Original Floyd’s 55 Moonshine”