Dafür fällt in China kein Sack Reis um – Moritz Bier

Moritz Bier Titel

Eigentlich wollte ich nicht mehr groß auf das Reinheitsgebot zu sprechen kommen; dazu ist schon soviel gesagt und diskutiert worden, und meine Meinung habe ich in diversen Bierartikeln hier auf schlimmerdurst.net schon kundgetan. Als Einleitung muss es nun aber doch nochmal herhalten, allerdings weniger wegen seines Inhalts, sondern mehr wegen seiner Stellung innerhalb der Bierwelt – kein anderes Land, keine andere Bierkultur hat so etwas.

In Belgien wäre so ein Gebot unvorstellbar, die vielfältige Bierkultur, die die Brauer und Konsumenten dort genießen, würden sie sich nicht durch eine so willkürliche Einschränkung wie das Reinheitsgebot zerstören lassen. In China beispielsweise ist die Einstellung auch etwas lockerer; das einst, in Kolonialzeiten, noch nach deutschem Reinheitsgebot gebraute Tsingtao-Bier hat sich inzwischen emanzipiert und produziert nach chinesischem Geschmack, nicht nach deutscher Tradition, und wird auch entsprechend charmant unkompliziert und hemdsärmelig, wie die Chinesen sein können, teilweise sogar in Plastiktüten abgefüllt und verkauft. Dabei kommt eine heutzutage durchaus verbreitete Zutat in globalem Bier zum Einsatz, die das Reinheitsgebot erschaudern lässt: Reis.

Wer heutzutage gern Import-Lager trinkt, hat sich damit abgefunden. Die großen Konzernbrauereien nutzen Reis und Mais, um den deftigen Biergeschmack zu unterdrücken, und so leichtere, süffigere, aromatisch zurückhaltendere Biere herzustellen. Um ein weiteres Land aufzuführen, das sich an Reis als Bierzutat gewöhnt hat, nenne ich hier nun Spanien – das Moritz Bier hat eine dem Tsingtao ähnliche Geschichte hinter sich. Deutsche Auswanderer produzieren nun in Barcelona für den katalanischen Geschmack, und da ist Gerste wohl nicht erste Wahl.

Moritz Bier Flasche

Rein optisch ist das Moritz ein Hammer: kristallklares, strahlendes Gold, wunderbar starke Perlage. Der sehr feine Schaum, ein halber Zentimeter dick, erhält sich lang. Eine leichte Ernüchterung ist der Geruch – praktisch neutral, nur, wenn man die Nase fast schon im Schaum hat, riecht man leichte Bieraromen nach Hefe und Malz.

Zunächst kommt es süßlich im Mund an, dazu eine milde Säure. Aber auch hier hat man Schwierigkeiten, Aromen neben höchstens etwas Hefe und Malz herauszuschmecken. Ich habe den Eindruck, bei diesem Bier geht es mehr um die Leichtigkeit als um Geschmack; es ist weit entfernt von den Aromahopfen eines angloamerikanischen Ales.

Leicht bitter wird es erst gegen Ende (dann aber eher bitterhopfenbitter, nicht aromahopfenbitter, erinnert an ein mildes Pils), im Abgang dann noch ein bisschen Säure, ein leichter Kräuterton taucht auf. Insgesamt nicht wirklich angenehm im Gesamtgefühl des Abgangs. Man sieht: Außer „süß“, „bitter“ und „sauer“ finde ich einfach keine Wörter, weil ich nichts außer diesen Basiseindrücken finden kann. Positiv: Eiskalt (und hiermit meine ich wirklich frisch aus dem Kühlschrank oder Gefrierfach) ist es wirklich sehr erfrischend und angenehm durstlöschend.

Moritz Bier Glas

Das Cerveza Moritz wirkt insgesamt für mich etwas unausgewogen, und, schlimmer, uninteressant und stinkelangweilig in der Sensorik. Ein Modebier, wenn man meine ehrliche Meinung haben will, das gerade halt „in“ ist, weil es scheinbar in Barcelona als Kultbier gehandelt wird (laut Aussage des deutschen Vertriebs, wohlgemerkt). Der Homburger Bierbrauer Karlsberg importiert das Bier aus Spanien und schreibt darüber auf seiner Produktseite:

Mit Moritz kommt das Lebensgefühl Barcelonas nach Deutschland.

Nun ja. Zumindest weiß ich nun: ich kann mir die Reise nach Barcelona offensichtlich sparen, denn wenn die ein Lebensgefühl haben, das diesem Bier entspricht, dann fahre ich lieber ins Feuchte Eck nach Heiligenwald, da ist mehr los. Persönlich finde ich es viel zu süß für ein Lager; ich trinke gern hin und wieder ein leichtes Lager als reinen Durststiller, präferiere dann aber ganz klar im Vergleich zum Moritz ein noch süffigeres Heineken, ein San Miguel, ein Ratsherrn Lager oder ein italienisches Menabrea – man sieht, Alternativen gibt es mehr als genug.

Reis als Gerstenersatz in Bier sorgt, wie oben erwähnt, für einen leichten, dünnen Geschmack ohne Aromen, und das merkt man hier deutlichst  – ich bin wirklich kein Verfechter des Reinheitsgebots, aber wenn man schon zusätzliche Zutaten verwendet, sollen sie auch einen Sinn und eine aromatische Aufgabe im Bier haben; wenn die einzige Aufgabe einer Zutat allerdings die Geschmacksminimierung ist, kann ich persönlich getrost darauf verzichten.

Passend zum Herkunftsland habe ich mir nun noch einen Biercocktail ausgesucht, in dem ich das Moritz Bier verwende. Auch wenn der Stierkampf in Katalonien seit 2012 nach langem politischen Ringen gegen die Befürworter dieses grausamen Spektakels verboten ist, soll der El Matador an das rote Tuch des Stierkämpfers erinnern.

El Matador


El Matador
2 Erdbeeren und 4 Blätter Basilikum muddeln
2 oz Tequila Blanco (z.B. Olmeca Altos Plata)
1 oz Limettensaft
½ oz Agavendicksaft
…und am Ende mit Moritz Bier aufgießen
[Rezept nach unbekannt]


Zum ersten Mal getrunken hatte ich das Moritz in einer Bar in Saarbrücken, die mit großen, bodenreichenden Fenstern vom etwas hippen, sich gern zeigenden Publikum lebt, und daher wahrscheinlich gern ein Lifestylebier anbietet – für den Geschmackstest in diesem Blogartikel erworben hatte ich das Moritz in einem Sixpack voll 330ml-Longneck-Flaschen für rund 5,50€ in einem Edeka. Das ist nicht die Welt; dennoch bezweifle ich, dass ich hier erneut zuschlagen werde. Die internationale Konkurrenz im Leichtbierbereich ist, wie bereits erwähnt, zu stark für das Moritz – um zurückzukommen auf den Titel und die Einleitung: für dieses Bier fällt nichtmal im reisaffinen China ein Sack der Zutat um.

Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.

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