In letzter Zeit habe ich mit vielen Leuten über den wichtigsten Schritt bei der Schnapsproduktion geredet – die Fermentation. Dass dies der wichtigste Schritt ist, darüber sind sich eigentlich alle einig, denn hier entstehen die Aromen, die für das Endprodukt so wichtig sind. Es gibt viele Methoden, die Fermentation zu steuern, wenn man das will – der Einsatz industrieller oder reingezüchteter Haushefen ist für viele Produkte das Mittel der Wahl, einfach, weil man dann die volle Kontrolle hat, was am Ende rauskommt, eine hohe Nachstellbarkeit des Ergebnisses erzielt und wenig Ausfälle hat. Die große Kunst aber ist die Fermentation mit wilden Hefen, denn nur so erreicht man am ehesten das, was man Terroir oder Provenance nennen würde. Hat man sich für einen Ansatz entschieden, kommt noch dazu, wie lange man die Hefen arbeiten lassen will – je länger, um so expressiver wird der spätere Brand im Allgemeinen (über das Experiment, bei dem ein Brenner Zuckerrohrsaft fast ein Jahr hat brodeln lassen habe ich ja vor einer Weile berichtet), das will man aber ja nicht immer so haben.
Eine „außerordentlich lange“ Fermentation (übersetztes Zitat vom Etikett) mit wilden Hefen zieht man für den Hampden Estate 1753 Pure Single Jamaican Rum heran. Wer die Brennerei aus Jamaica kennt, weiß, dass das keine leeren Worte sind und man seinen Cousins gelesen hat. Man erreicht dadurch am Ende des gesamten Prozesses, wenn die Würze durch die Double Retort Potstill gelaufen ist, eine Congener-Zahl von 3600g/hlpa, davon 480g/hlpa ausgeprägt als Ester: ein hocharomatischer Rum also, aber eher im Mittelfeld dessen, was wir von Jamaica so im Allgemeinen erwarten. 3 Jahre wird das Destillat vollständig tropisch bei Hampden gereift, in Ex-Bourbon-Fässern, auf 46% Alkoholgehalt eingestellt und natürlich sowohl ungefärbt als auch ungesüßt auf Flaschen gezogen. So kommt der Stoff bei uns zuhause an, und schließlich bei mir im Glas.
Die Farbe ist poliertes Gold, mit fast schon weißen Lichtreflexen, die sich besonders beim sehr lebendig-leichten Schwenkverhalten im Glas zeigen. Auch wenn dieser Rum nicht besonders ölig wirkt, bilden sich dennoch sehr fette Filmartefakte an der Glaswand, die in Beinchen mit dicken Köpfen ablaufen.
Esterige Rums haben ja so eine prägnante Nase, das erkennt man überall heraus. Hier sind sie nicht so drastisch und kribbelnd wie bei manchen anderen Hampden-Rums, und wirken sanfter und trotzdem aktiv. Reife Banane ist der erste Eindruck, der mich geradezu anspringt, mit einem gewissen Marzipan-Subtext und einer deutlich buttrigen Seite, und ausgleichend dazu einer attraktiven Anis-Frische. Überreife Ananas, matschige Mango, saftiger Pfirsich, die Fruchtaspekte sind natürlich grandios ausgeprägt. Milde Herbe kommt dazu, Anflüge von Sandelholz, Kokosschale und Honigmilch, vielleicht sogar weißer Nougat. Eine Nase zum Schwelgen.
Der Antrunk ist süß und leicht, wirkt fast schon etwas zu leicht im Vergleich zum Versprechen der Nase. Auch der Körper hat initial nur wenig Gewicht, zeigt sich eher klar und mit ordentlich Breite, aber wenig Tiefe – man fühlt in der Textur, was man mit dem Auge schon gesehen hat. Der wahre Charakter entsteht erst im Verlauf, hier expandiert der Hampden 1753 plötzlich deutlich, starke Würze und pikante Chilischärfe lassen den ganzen Mundapparat brummen, ein stark mentholischer Hauch trägt die Aromen von tropischer Frucht, erneut viel Banane. Im Abgang wird der Rum trockener, ohne astringent zu scheinen, liegt noch lange auf Zunge und Gaumen, während er warm und ohne jedes Kratzen den Rachen hinunterläuft. Ein sehr würziger, dezent salziger Nachhall aus Zedernholz, hellem Tabak, Nelken und Muskatnuss komplettiert den Spannungsbogen.
Wer sich immer etwas von der brachialen Gewalt eines Hampden-Rums abgeschreckt gefühlt hat, darf mit dem Hampden Estate 1753 Pure Single Jamaican Rum gerne nochmal einen Versuch wagen, finde ich. Hier ist alles etwas feiner und milder, ohne dabei an Expressivität zu verlieren – ultratypisch für Jamaica, aber ein bisschen gezähmt für den europäischen Geschmack.
Der Name des Drinks erweckt bei mir alte Assoziationen, als Jugendlicher habe ich die Werke von H.P. Lovecraft verschlungen. Und darum habe ich mir bei meiner Hampden-Interpretation des Arkham Kula einen kleinen Scherz erlaubt und dekoriere den Cocktail mit einem Oktopus-Arm, gut gewaschen natürlich. Wem das zu extrem ist, lasse ihn einfach weg, und ersetze den Tintenfisch durch ein Schirmchen oder so, muss dann aber nicht mit Gnade rechnen, wenn Cthulhu aus seinem feuchten Schlaf erwacht. Tekeli-li!
Arkham Kula
1½oz / 45ml gereifter Jamaica-Rum
½oz / 15ml gereifter Overproof-Rum
¾oz / 23ml Limettensaft
¾oz / 23ml Orangensaft
¾oz / 23ml Don’s Mix (2:1 Grapefruitsaft und Vanillesirup)
½oz / 15ml Honigsirup
½oz / 15ml Passionsfruchtsirup
Auf Eis blenden. Mit frischem crushed ice auffüllen.
[Rezept nach Jason Alexander]
Diese Flaschen, die LM&V für seine Hampden-Abfüllungen nutzt, gefallen mir einfach – sie haben diesen Retrocharme und diese breitschultrige Schwungform, sind dabei nicht verspielt. Das Etikett ist so, wie ich es mir von jeder Spirituose wünsche: handfeste Details, keine Piratenanekdoten, keine schwurbelige Pseudogeschichte, keine Lügen. Und trotzdem atmosphärisch und hübsch anzusehen. Einen Kunststoffkorken findet man unter dem Holzstöpsel, das ist heutzutage kein Makel mehr, einen Geschenkkarton braucht es dagegen eigentlich nicht mehr.
Der Hampden 1753 wird als Dauerabfüllung verfügbar sein, man sieht ihn als Einstiegsrum in die Welt dieser Art von Spirituosen. Das zweite Element in dieser Reihe ist der Hampden Aged 8 Years, das dritte der HLCF Classic. Jede Abfüllung, wie auch die schon von mir vorgestellten Hampden 7y, Hampden HLCF oder Hampden Pagos, The Younger und 2010 LROK, haben den ganz typischen hauseigenen Stil behalten, bieten dabei aber immer einen eigenen Twist, ohne die Identität aufzugeben. So liebe ich das!
Offenlegung: Ich danke LM&V für die kosten- und bedingungslose Zusendung einer Flasche dieses Rums.


