Bei manchen Spirituosen muss man mehr Aufklärungsarbeit leisten als bei anderen. Jeder kennt Captain Morgan Original Spiced Gold, ein Produkt, das in jedem Supermarkt und in jeder Tankstelle zu bekommen ist, für rund 10€, in flashiger Piratenaufmachung und mit vielen Marketinggimmicks wie Flaschen in Fassform, Varianten mit Kürbisgeschmack und so weiter. Ich selbst mag das ja auf eine irre Art und Weise, nicht, weil ich mir einbilden würde, das wäre richtig toll und super, sondern weil ich ein Faible für übertriebenen Piratenkitsch habe, solange er mit einer gewissen Selbstironie gemacht ist und damit nicht versucht, eine besondere Herkunft zu simulieren. Und übertriebene Piraten, das kann keiner besser als Captain Morgan, da muss sogar Johnny Depp hintanstehen.
Das bedeutet aber nicht, dass alle Produkte des jamaikanischen Herstellers immer auch in diese Kategorie des Spiced Rum (rechtlich eigentlich ja „Spirituose auf Rumbasis“) fallen müssen, oder automatisch minderwertig sind. Unter demselben Label finden sich auch Rums, die nicht gesüßt oder aromatisiert sind – wie der Captain Morgan Dark Rum. Laut Hersteller wird dieser Rum mindestens 2 Jahre lang in stark ausgebrannten Eichenfässern gelagert und hat daher seinen Namen und seine Farbe. Natürlich habe ich, misstrauisch wie ich bin, den Zusatzgehalt per Aräometer gemessen, und komme auf dann doch erstaunliche 0g/L, und da es doch Cocktails gibt, die explizit nach einem „dark rum“ verlangen, sollte man nicht grundsätzlich abgeneigt sein, so einen Rum in seiner Heimbar zu haben – aber eigentlich nur, wenn er neben der Farbe und dem aufregenden Etikett voller Testosteron auch sensorisch was kann. Wie schlägt er sich im Glas?

Bei der Farbe wurde trotz der stark ausgebrannten Fässer dann doch noch etwas mit Zuckerkulör nachgeholfen, dies ist auf dem Rücketikett klar deklariert (wobei ich mit „etwas“ wahrscheinlich untertreibe). Ich würde sie unabhängig davon als gebrannte Siena oder Mahagoni beschreiben, mit orangefarbenen Lichtreflexen, jedenfalls offensichtlich viel dunkler, als dies natürlich passieren würde. Leicht ölig schwenkt sich der Rum, hinterlässt eine Filmkante, aus der sich Beine in dicken Tropfen bilden.
Die Nase ist schon einigermaßen typisch für Jamaica, jedoch definitiv mit einem eigenen Twist – da ist viel überreife Frucht drin, dazu eine klare Kaffeenote und auch etwas, was man gerne als Bleistiftspitzerreste beschreibt, diese Mischung aus Holz und Graphit. Verbrannter Zucker, röstiges Karamell, einen Ticken von Nuss. Lässt man den Rum etwas stehen und schnuppert tief, findet man dann auch Reste von Ethanol. Grundsätzlich gefällt mir das in der Gesamtheit, ich bin schonmal überrascht, und das freudig.
Im Mund ist dann doch erstmal eine gewisse Ernüchterung spürbar, der Captain Morgan Dark wirkt direkt etwas flach und dünn, weist kaum etwas von dieser Komplexität auf, die die Nase anbot. Später verbessert sich der Eindruch – eine natürliche Süße gibt etwas Volumen und Körper, die röstigen, ledrigen und nussig-holzigen Noten kommen im Verlauf wieder etwas zum Vorschein. Beim Antrunk wirkt der Rum noch sehr weich und voll, etwas später, und ganz besonders im Abgang, entsteht etwas Feuer und würzige Chili, und beinahe iodische Medizinaliät mit milden Sojasaucentönen und etwas Salzigkeit. Der Kaffee ist durchgängig da, und bietet dann im mittellangen Nachhall, zusammen mit der herben Trockenheit, noch etwas Gaumenkitzel, den 40% Alkoholgehalt angemessen. Holzig, würzig, und aromatisch zumindest interessant, schade, dass der Körper nicht ganz mithalten kann.
Nun, das ist ein durchaus trinkbarer Rum, mit den aufgezählten Einschränkungen. Natürlich kann der erfahrene Rumfreund damit pur nur wenig anfangen, aber ich habe schon sehr viel langweiligere und/oder unanspruchsvollere Rums einfach so getrunken, da möchte ich den Captain Morgan Dark eigentlich sogar vor sehr viele andere Produkte stellen. Letztlich ist er ein Mixrum, und gerade für die auf dem Etikett empfohlene Rum-Cola macht er sich dann wirklich verdammt gut.
In Matt Pietrek’s Buch „Minimalist Tiki“ finden sich so einige Rezepte, die klangvolle Namen tragen – und Jason Alexander hat offensichtlich ein Faible für H.P. Lovecraft, dem Autor von Gruselgeschichten. Zu Tiki passt es ja irgendwie, denn die dunklen Götter, die Lovecraft beschreibt, wohnen teils schlafend unter dem Meer. Der Port of Innsmouth greift eine der Geschichten, „Schatten über Innsmouth“ auf, die ich jedem Leser meines Blogs als Einstieg in die faszinierende Welt des Cthulhu-Mythos ans Herz lege. Und da es um Fischmenschen geht, schien mir die Wahl meiner Tiki-Mug nur selbstverständlich.
Port of Innsmouth
2oz / 60ml gereifter, „dark“ Rum
½oz / 15ml Orangenlikör
½oz / 15ml Don’s Spices No. 2 (halb-halb Vanillesirup und Allspice-Likör)
½oz / 15ml Zimtsirup
1oz / 30ml Limettensaft
2 Spritzer Aromatic Bitters
Auf Eis blenden. Mit crushed ice toppen.
[Rezept nach Jason Alexander]
Was das ganze natürlich noch etwas heraushebt, ist das Preisleistungsverhältnis – ich habe lächerliche 9€ im Angebot bezahlt, da muss ich nicht drüber nachdenken, dass das für die gebotene Leistung ein irre guter Preis ist. Wie gesagt, ich behaupte nicht, dass das ein grandioser Purtrinkerrum für den Highend-Nerd ist, ganz sicher nicht, aber wer sonst im üblichen Havana Club oder ähnliche Gewichte zuhause hat, kann hier ohne Bedenken zuschlagen und sich eine doch sehr andere Geschmacksrichtung an Rum in die kleine Hausbar holen, einen Brand, mit dem man auch als nichtambitionierter Heimbartender richtig viele unterschiedliche Dinge anfangen kann. Und, das wiederhole ich gerne, er macht eine wirklich echt gute Rum-Cola.

