Imperiale Ambitionen – Carlos I Imperial X.O. Solera Gran Reserva Brandy de Jerez

Carlos I Imperial X.O. Solera Gran Reserva Brandy de Jerez Titel

Spanien ist Europameister im Herrenfußball, und hat im Finale gegen ein doch erkennbar unterlegenes England gewonnen. Hatte ich neulich noch über die alten Beziehungen zwischen England und Frankreich philosophiert, so muss man auch die Geschichte dieser beiden Länder ansprechen – sie ist ähnlich bewegt und weist dramatische Feindschaften auf, die glücklicherweise heutzutage auf dem grünen Rasen ausgetragen werden statt auf hoher See mit Kriegsschiffen. Abgesehen davon, dass die ganzen Renaissance-Königshäuser eh eigentlich alle nur unwesentlich weit voneinander durch Verwandschaftsgrade getrennt (oder vereint) sind, tun sich auch auf wirtschaftlicher Ebene einige interessante Gemeinsamkeiten auf. So wie Mitte des 18. Jahrhunderts ein gewisser Richard Hennessy in Südfrankreich ein kleines Cognachaus gründete, machte das Thomas Osborne Mann nur wenige Jahre später in Südspanien ihm nach – er exportierte hauptsächlich vinos generosos von der neuen in seine alte Heimat.

Heute ist das Unternehmen ein weiterhin familiengeführter Konzern und hat viele bekannte Marken unter seinem Schirm vereint; eine der bekanntesten ist wahrscheinlich der Weinbrand Veterano, aber direkt danach ist die Marke Carlos I Imperial X.O. Solera Gran Reserva Brandy de Jerez vielen Lesern hier sicherlich schon eine ganze Weile auf dem Radar. Man findet ihn in vielen Supermärkten, die edel aufgemachte Schachtel und die schwere Flasche sorgen sicherlich für viele Spontankäufe, wenn man etwas besonderes haben will – hält der Inhalt der Flasche, was die edle Verpackung und der große Name versprechen? Der vor vielen Jahren von mir bereits besprochene Carlos I Solera Gran Reserva (nur ohne das „Imperial“) war diesbezüglich ja eine Luftpumpe, geben wir dem größeren Bruder aber trotzdem noch eine ehrliche Chance!

Carlos I Imperial X.O. Solera Gran Reserva Brandy de Jerez

Die Form der Flasche betont die Farbe – direkt aufs Glas sind die goldenen Schriftzüge angebracht, ohne jedes Klebeetikett, da sieht man die gebrannte Siena, beinahe schon Espresso. Im Glas wirkt der Brandy deutlich heller, bleibt aber natürlich weiterhin dunkelbraun mit rötlichen Einschlägen, vielleicht hier dann Pariser Rot. Mittlere Viskosität zeigt sich beim Schwenken, mit dicken Beinen, die schnell abfließen, aber weiterhin einen öligen Film an der Glaswand hinterlassen.

Die Nase überzeugt mich dann aber schon erkennbar weniger, da kommt einem erstmal eine dicke Ladung dünnpieksendes Ethanol entgegen, etwas Plastikkleber, das legt sich bis auf die Bronchien, überhaupt kein Vergnügen. Auch mit etwas Offenstehzeit bleibt der Carlos I Imperial X.O. geruchlich dünn, schmal und voller Lösungsmittel und störender Destillationsartefakte. Erst, wenn man das aktiv ausblendet, findet man Trockenobst, Orange, Mandarine und dunkle Sherry-Fruchtigkeit, begleitet von erkennbaren Nusstönen. Schade, das könnte sehr aromatisch und angenehm sein, ist es aber nicht. Da hätte man sehr, sehr viel mehr erwartet – mich erinnert das an einen der günstigeren Drei-Sterne-Metaxas.

Carlos I Imperial X.O. Solera Gran Reserva Brandy de Jerez Glas

Im Mund versöhnt einen der Carlos X.O. dann aber direkt wieder etwas, hier wirkt er viel voller und dichter, als die Nase das vermuten ließ. Angenehme Balance zwischen Süße und Trockenheit zeigt sich, im Verlauf gewinnt letztere, ohne wirklich astringierend zu werden. Der Körper bleibt sehr leicht, und unterschwellige Anis- und Süßholznoten betonen das noch, auf eine sehr erfrischende, unterhaltende Art und Weise. Gedörrte Aprikosen, saftige Datteln und etwas Orange bilden die kräftige Fruchtbasis, die durch sehr viel Pflaumen und mehr als ein Touch Melasse noch etwas dunkler getönt wird. Leichte Anklänge an Kaffee und Bitterschokolade fallen nun auf. Hier gefällt mir der Brandy richtig gut, ich nutze die Chance ihn zu genießen, bevor er am Ende wieder alkoholischer, feuriger und pfeffriger wird, alles eher unrund und kantig, und er mit einem beinahe kratzigen, holzigen Gefühl im Rachen ausklingt und Jasminblütigkeit hinterlässt, die irgendwie unmotiviert den Nachhall bestimmt.

Mir fällt schwer, hier eine wirklich positive Note zu finden, auf die ich mich einigen könnte – die Ecken, Kanten und irgendwie gefühlten Fehler dominieren das Erlebnis im Endeffekt für mich zu sehr. Das ganze wirkt nicht angenehm und balanciert, sondern unreif, derb und handwerklich wenig überzeugend. Mein Fazit – ein Massenprodukt ohne echten Charme, das seine Highlights nur kurz zeigen kann.


Ich trinke sowas nicht pur, das ist mir zu unausgereift, um alleinstehend im Glas wirklich Freude zu bereiten. Und so ist der Carlos I X.O. eine Mixzutat geworden, bei der andere Zutaten die Mängel ausgleichen, und er selbst seine Stärken allein vorstellen kann – diese paar Momente der wunderbaren Dunkelfruchtigkeit, so wie im Call Me Ish, wo der Körper, die Dichte und die Samtigkeit von den Mitspielern kommt. Am Ende dieses Drinks weiß man, warum es sich vielleicht doch lohnt, so eine Flasche zuhause zu haben.

Call me Ish Cocktail

Call me Ish
1oz / 30ml spanischer Brandy
1oz / 30ml Bourbon
1oz / 30ml Amaro
3 Spritzer Orange Bitters
Auf Eis rühren. Mit einer Kirsche servieren.

[Rezept nach Drew Nemetz]


Viele, die dieses Produkt kaufen, werden dies aufgrund der üppigen Präsentation tun – die Flasche und der Karton machen ganz sicher was her, ohne Frage, das zieht auch die Blicke auf sich und macht den Brandy zu einem Hingucker. Persönlich ist das für mich aber reine Augenwischerei, wahrscheinlich kostet die Flasche, die wirklich toll ist, in der Herstellung nur unwesentlich weniger wie der Inhalt. Nun, das ist zumindest eine Flasche, die nicht ins Altglas geht, sondern als Behältnis für hauseigene Blends oder ähnliches weiterhin bei mir zuhause ihr Dasein fristen wird.

Wie ich schon bei italienischem Brandy festgestellt hatte, und was so eigentlich auch für französischen gilt: man muss etwas mehr Geld in die Hand nehmen, um vernünftige Qualität zu bekommen. Wer in der Preisklasse um die 30€, die man für den Carlos I X.O. meist hinlegt, etwas besseres haben will, sollte sich eher in Deutschland oder Armenien umschauen. Da findet man dann schon sehr viel unterhaltsameres als diesen mäßig überzeugenden Spanier.

Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.

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