Natur und Wissenschaft – Hepple Gin

Hepple Gin Titel

Ich kritisiere immer wieder mal, dass Gin eigentlich eine der am leichtesten herzustellenden Spirituosen ist, und frage dann frech, warum für einen halben Liter dann 50€ und sehr viel mehr aufgerufen werden. Man kann den Neutralsprit kostengünstig einkaufen, die Aromatisierung erfordert keine dramatisch sensationellen handwerklichen Fähigkeiten, man braucht keine Fässer oder Lagerhäuser, um das Produkt fertigzustellen, auch kein jahrelanger Zeitinvest ist mitanzurechnen. Schließlich war das auch einer der Gründe, warum im 18. Jahrhundert Gin so beliebt wurde – jeder konnte das für kleines Geld herstellen, als Kontrast zum aufwändigeren Genever, dessen Nachahmung der Gin war, und natürlich besonders im Gegensatz zum Whisky. Für viele der Gins, die aktuell auf dem Markt sind, trifft diese Kritik sicherlich auch zu, da sollte niemand Illusionen drüber haben. Doch es geht auch anders, und diese Beispiele finde ich dann immer erfrischend und berichte gerne über sie.

Zur Abgrenzung ist es auch dann durchaus gern gesehen, dass der Brenner des Hepple Gin selbst aktiv wird und die Herstellungsdetails offensiv auf einem Umhänger um die Flasche präsentiert. In drei Stufen wird der Basisbrand veredelt, beginnend mit dem klassischen Brennen in Kupferpotstills. Eine Glas-Vakuum-Destillation erfolgt danach, und schließlich noch eine sonst eher in der Parfümherstellung genutzte überkritische Extraktion, bei der über CO2 die gewünschten Aromen besonders gut gelöst werden. Das Ergebnis dieser Dreifachtechnik, so ist das Versprechen, gewinnt dadurch jeweils an Weichheit, Frische und Geschmackstiefe. Auf der Homepage von Hepple kann man sogar kleine Bilder von den eingesetzten Apparaten sehen; für mich ist sowas wirklich spannend, das gibt es nicht bei vielen Brennern zu sehen. Nun, selbst für mich, dem Herstellungsmethoden und nichtgeschmackliche Komponenten in Spirituosen auch extrem wichtig sind, gilt schließlich: am Ende zählt dann halt doch, was im Glas ist, und dem wollen wir uns jetzt zuwenden.

Hepple Gin

Kein Partikel oder Fehlton hat die Dreifachprozedur überstanden, die Flüssigkeit ist völlig klar. Mit einer erstaunlichen Schwere bewegt sie sich, wenn man sie in Rotation versetzt, und es bleibt danach ein extrem fettes, öliges, vielbeiniges Astmuster an der Glaswand, aus dem sich ganz gemächlich einzelne Tropfen lösen und ablaufen. Rein optisch schonmal ein Hinweis darauf, dass das kein leichter Brand sein wird.

Die schon vom Auge erahnte Dichte ist auch für die Nase erkennbar. Klar und direkt ist Wacholder da, in einer vollen Form, süßlich und trotzdem frisch. Begleitet wird diese alles beherrschende Note von einer fast parfümigen Floralität aus Lavendel, dazu kommt Zitronengras und ein bisschen Orangenzeste. Ganz tief darunter meine ich, eine gewisse Brotigkeit zu finden, die dem ganzen die Grundlage gibt und für zusätzliches Volumen sorgt. Sogar etwas grünes Holz entdecke ich. Der Alkoholgehalt von 45% ist erkennbar, aber zu keinem Moment pieksend oder den Eindruck beeinflussend.

Hepple Gin Glas

Die Textur ist auch das erste, was ich am Gaumen fühle, fett und breit, sie expandiert im Mund schnell und bleibt dann auch haften. Ein wirklich beeindruckendes Volumen spürt man da, gefüttert vom sehr sauber eingebundenen Alkohol und einer schweren, natürlichen Süße. Der Wacholder kommt dann als zweiter Eindruck dazu, mit schöner Abbildung der Frucht, die die Süße dann mit milder Bittere kontert. Stellenweise hat man wirklich das Gefühl, ein ätherisches Öl zu trinken, mit sehr kräftiger Zestigkeit, die Aroma und Frische mitbringt. Auch hier ist etwas Holzigkeit dabei. Am Ende wirkt der Hepple Gin tiefdunkel und superschwer, ordentlich herb, er kriecht nur langsam den Hals hinab, hinterlässt währenddessen am Gaumen ein kühlfrisches Gefühl. Der Abgang ist mittellang, der Nachhall dann fast schon mentholisch.

Im Gegensatz zu vielen anderen Gins, die über exotische Botanicals oder lange Listen von seltsamen Kräutergeschmäckern punkten wollen, bekommt man mit dem Hepple Gin einen Strukturgin, der mehr über die Dichte und seine pure Kraft überzeugt. Hier findet man etwas, was den Mund richtig ausfüllt, ohne wegen Details abzulenken. Beeindruckend und konsequent!


Der Hamburger Barbesitzer und Gin-Basil-Smash-Erfinder Joerg Meyer hatte mir, als ich auf der Suche nach einem neuen Hausgin für die private Heimbar war, ein paar Gins zugesandt, die er im Le Lion gerne einsetzt. Nun, was gut genug fürs Le Lion ist, taugt ja auch bestimmt für meine Qualitätsansprüche zuhause. Der Hepple Gin jedenfalls macht sich ganz außerordentlich gut in einer Kreation Jeffrey Morgenthalers, dem Richmond Gimlet. Klassisch und streng komponiert, da kommt so ein dekadent opulenter Strukturgin wie der Hepple natürlich gerade recht als Ausgleich.

Richmond Gimlet Cocktail

Richmond Gimlet
2⅓oz / 70ml Dry Gin
⅔oz / 20ml Limettensaft
⅓oz / 10ml Zuckersirup
8 Minzblätter
Auf Eis shaken. Doppelt abseihen.
[Rezept nach Jeffrey Morgenthaler]


Man hat eine passende Präsentation für diesen Gin gefunden – die Flasche scheint zunächst unauffällig, doch die sehr breite Ausgusskante, auf der der breite Holzstöpsel sitzt, ist dann doch eher ein seltenes Merkmal so einer Spirituosenflasche. Die Beklebung mit transparenter Folie, auf der Wacholderzweige abgebildet sind, ist hier jedenfalls, ich hoffe, das kam in meiner Besprechung rüber, keinesfalls fehl am Platze, im Gegenteil: der Wacholder ist hier zentrales Element innen und außen.

Zurück zum Anfang – da beklagte ich die mangelnde Weitergabe der Kostenstruktur vieler Gins an die Kunden. Hier gibt es auch diesbezüglich für mich nichts zu meckern, ein toller Gin zu einem guten Preis. Wer, wie ich, versucht, die alten Bekannten in der Heimbar durch neue Freunde zu ersetzen, sollte mal bei Hepple reinschauen.

Offenlegung: Ich danke Trinkabenteuer/jrgmyr für die kosten- und bedingungslose Zusendung einer Flasche dieses Gins.

Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.

Ein Kommentar zu “Natur und Wissenschaft – Hepple Gin

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