Schmitz und Kreuz – Smith & Cross Traditional Jamaica Rum

Smith & Cross Traditional Jamaica Rum Titel

Wir Rumkenner leben gerade in Zeiten von Single Cask Rums, und selbst Blends stammen heute oftmals aus den Destillerien, die die Blendbestandteile herstellen, als Single Estate Rum. Single Cask, Single Estate, Pure Single Rum, das Wort „Single“ brennt gerade lichterloh. Man darf es durchaus als Gegenreaktion der Brenner in der Karibik sehen, die sich die Wertschöpfungskette hocharbeiten – nach Jahrhunderten des Zustands, dass sie zwar die Bestandteile liefern durften, das Blenden und Abfüllen dann aber in Europa geschah, nimmt man sich heute gerne das Recht heraus, selbst viel präsenter in Erscheinung zu treten (nur, wenn man es will, natürlich, es gibt noch genug Brennereien, die zwar stolz auf den Namen sind und ihn auch offensiv vermarkten, dennoch nicht auf die Einkünfte aus Bulkexport verzichten wollen, da ist der Name dann meist aber vertraglich gesichert geheim zu halten).

Einer der Rums, die noch im alten, klassischen Weltbild geschaffen wurden, ist der Smith & Cross Traditional Jamaica Rum. Destilliert wird er in Jamaica, traditionell in reiner Potstillmachweise, geblendet wird er dann aber im Vereinigten Königreich bei E&A Scheer in Amsterdam für eine britische Firma. Man verwendet für den Blend unter anderem Rums der Plummer– und Wedderburn-Stile (es handelt sich dabei nicht um Marks!), die mit 150-200 gr/hLpa und 200-300 gr/hLpa respektive estergezählt werden – wer sich mit dem Esterthema schoneinmal etwas auseinandergesetzt hat, erkennt sofort, dass das kein superfunkiges Hochesterendprodukt, wie sie aktuell durchaus beliebt sind, ergeben kann. Eingestellt ist er dann auf (Pseudo-)Navy Strength, das bedeutet hier 57% Alkoholgehalt, was dem runden 100 proof einer bestimmten historischen Epoche Englands entsprach, lustige Geschichte, wer mathematisch, chemisch und historisch gleichzeitig veranlagt ist, lese einfach hier darüber nach, wie sehr sich die Standards für die Messung von Alkoholgehalten über Jahrhunderte hinweg in unterschiedlichen Ländern verändert haben. Oder den sehr lesenswerten Artikel meines geschätzten Kollegen Matt Pietrek, der bei historischen und modernen Aspekten dieses Rums viel Halbwissen abräumt. Wer das nicht ist, probiere nun einfach mit mir den Smith & Cross.

Smith & Cross Traditional Jamaica Rum

Leuchtendes Ocker glänzt im Verkostungsglas, beim Drehen sieht man weißgoldene und mandarinfarbene Lichtreflexe in der mittelviskosen Flüssigkeit. Beine laufen sehr geradlinig ab, einzelne dicke Tropfen bleiben lang am Glas haften.

Der Duft ist sehr typisch, da muss man nicht lange überlegen, woher dieser Rum kommt: die Kombination von süßwürzigem Marzipan und esteriger Tropenfrucht definiert diesen Stil seit Jahrhunderten. Plummer– und Wedderburn-Rums werden, wie oben schon geschildert, im eher niedrigen Esterbereich verortet, und das riecht man auch, hier wird man nicht mit superschimmliger Mango, verflüssigter Kompostananas oder dunkelbrauner Banane attackiert, sondern mit einem ausgeglichenen, sehr komfortabel zu schnuppernden reifen Exemplaren dieser Früchte beglückt. Buttrige Banane dominiert etwas, insbesondere nach etwas Offenstehzeit. Ein Hauch von Cashewnuss, etwas Aprikose mit Stein, eine Idee von Wachsmalstiften; diese kleinen Seitennoten fügen Komplexität hinzu und lassen einen gern über den kleinen Hauch von Ethanol hinwegriechen.

Smith & Cross Traditional Jamaica Rum Glas

Am Gaumen zeigt sich der Smith & Cross voll und voluminös, aber nicht wirklich fett und breit, er bleibt in der Textur vergleichsweise klar und streng. Die initiale Fruchtsüße aus Bananen und Mango wird durch esterigere Töne abgelöst, auch hier aber, ohne wirklich „quietschig“ und schweißig zu werden, wie das bei manchen Rums mit den höheren Marks passieren kann. Man kann ihn ohne Mühe trotz der 57% Alkoholgehalt lange im Mund halten, dabei entsteht ein pfeffriges, aber nicht chilihaft brennendes Prickeln auf Zunge und Schleimhäuten. Dieses hält dann auch sehr lange an, geht in ein wohliges Warm über, das mit viel Mango, Kirsche und Pfirsich erfreut, und gegen Ende dann dieses Butteraroma zeigt, das ich so an niedrigesterigen Jamaica-Rums liebe. Zerquetschte, gebrannte Mandeln blitzen auf, mit ihrer Nuss- und Karamellnote, und zu guter Letzt kommt noch etwas Wachsmalstift und vielleicht sogar etwas Graphit von einem Bleistift dazu.

Ich empfinde den Smith & Cross als wirklich ausgesprochen gelungenen Jamaica-Blend, da ist alles drin, was ich bei diesem Rumstil suche, ohne je in Extreme abzugleiten. Man zitiert ihn oft als Mixrum, doch hier haben wir den Fall, dass man ihn auch wirklich gut pur genießen kann, da ist genügend Komplexität und gleichzeitig Unkompliziertheit drin.


Aber natürlich ist die Cocktailbar das ideale Zielarbeitsgebiet für diesen Britischjamaikaner. Der Name ist etwas umständlich, der Drink selbst dafür umso genehmer – There’s Always Money in the Banana Stand. Ich weiß nicht, ob hinter so einem Namen eine philosophische Grundhaltung oder eine Erkenntnis aus einem tiefen Meditationsprozess steht, oder einfach der Suff. Für beides hätte ich Verständnis, wenn man gute Zutaten dafür einsetzt. Toll passen Casali Schokobananen dazu!

There's Always Money in the Banana Stand Cocktail Cocktail

There’s Always Money in the Banana Stand
1 oz gereifter Rum
1 oz gereifter Jamaica-Rum
¾ oz Bananenlikör
¾ oz Zimtsirup
¾ oz Limettensaft
¾ oz Orangensaft
Auf Eis shaken. Auf crushed ice abseihen und mit Angostura toppen.
Mit Schokobananen und Schirmchen dekorieren.

[Rezept nach Angela Montesclaros]


Unaufdringlich, reduziert und zurückhaltend ist die Gestaltung, die Flasche ist klassisch, das Etikett in Marineblau und Gold sehr stilsicher designt. Dazu der Echtkorken mit Holzaufsatz: Dieser Rum wirkt edel gerade wegen dieser Dezenz. So etwas bei einer Verkostung auf den Tisch zu stellen zeigt, dass man Ahnung hat, was man Gästen vorsetzen soll.

Es gab eine Zeit, in der Smith & Cross der archetypische Jamaica-Rum war, jeder, der zuhause Cocktails mixt, hatte ihn und empfahl ihn weiter, wenn jemand nach einem guten Jamaikaner fragte. Ich tue das heute noch, und das in dieser neuen Zeit, in der man mit herausragend guten Rums der Insel geradezu überflutet wird. Ja, es gibt heute expressivere, dramatischere, krassere Jamaica-Rums, keine Frage – doch Smith & Cross bleibt eine Institution, die ich in meiner Heimbar nicht missen möchte. An Produkten wie diesem sieht man außerdem sehr deutlich, wie ein guter Blender aus Einzelteilen ein perfektes Endergebnis zaubern kann.

Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.