Cognac am Freitag – Grape of the Art Cognac Lhéraud 1967

Grape of the Art Cognac Lhéraud 1967 Titel

So oft trinke ich Spirituosen, die älter sind als ich selbst, nicht. In vielen Kategorien sind derart alte Abfüllungen unerschwinglich teuer, und selbst wenn ich es mir leisten könnte, wären sie oft wahrscheinlich von Sammlern und betuchten Raritätenfreunden so schnell aufgekauft, dass mir das mir fehlende Jägergen einen Strich durch die Rechnung machen würde. Über Whisky brauchen wir da gar nicht reden, bei Rum ist diese Nachfrage inzwischen genauso groß. Und auch bei Cognac hat man selten eine Chance, einen so alten Brand mal wirklich im Glas zu haben – um so dankbarer bin ich Grape of the Art, die mir ein Sample des Grape of the Art Lhéraud 1967 zukommen ließen. 56 Jahre, da muss ich erstmal hinkommen. Der Cognac stammt aus der Region Bon Bois, wurde vollständig aus Ugni Blanc gemacht, ist ein Single Cask (viele Cognacs sind eher Blends), abgefüllt mit einer Fassstärke von 46% und auf mickrige 132 Flaschen limitiert.

Grape of the Art Cognac Lhéraud 1967

Wenn man so alt ist, darf man ruhig seine Falten zeigen, und das tut der Léraud ohne Gewissensbisse – Pariser Rot, vielleicht sogar Gebrannte Siena, kombiniert mit einer Viskosität, bei der die Flüssigkeit nur widerwillig aus dem Samplefläschchen ins Glas gleitet. Dort schwenkt sie sich dann sehr elegant und anmutig.

Getrocknete Pflaumen und Aprikosen findet meine Nase, und ich muss sie dabei gar nicht tief ins Glas stecken. Erdbeer-Paradiescrème (wer kennt sie noch?), Waldhonig, dabei auch ausgeprägt traubig mit Reminiszenzen an schweren Amarone oder sogar Marsala, mit der nussigen Beinote aus Studentenfutter oder PX-Sherry. Die Komplexität zeigt sich nicht nur in der Menge der Aromen, auch in deren Ausdauer und Wandelbarkeit, nach einer Weile kommt etwas Süßholz dazu, Wermutkraut vielleicht, und Backgewürzaspekte. Vanille und Tannine, beides zu erwarten nach langer Holzlagerung, halten sich die Waage, insbesondere letztere drängen sich nicht extrem auf.

Süßbitter kommt der Antrunk auf der Zunge an, mit voller Textur, aber nicht so schwer, wie man nach Auge und Nase vielleicht vermutet hätte. Im Gegenteil, da ist sogar viel jugendliche Frische drin, das Fass hat die Trauben nicht erschlagen. Dennoch spürt man hier einen Bodensatz, der Geschmack hat etwas dediziert „altes“, was sich nur schwer beschreiben lässt; da liegen diese Süßholzbittere, die Kandiswürze, die Trockenpflaumen drin, und man hat fast den Eindruck, dass sich Krümel vom Holz an den Gaumen legen. Eine wirklich gewachsene Struktur mit viel Körper und Charakter, in der man das Alter spürt und schmeckt. Im Nachhall ringen Floralität und Fruchtigkeit und ein Anflug von Kümmel miteinander, gut eingeölt griechisch-römisch, mit schwerem Likörwein als Nachklang.

Mir fällt ein Fazit für den Lhéraud 1967 schwer, einfach, weil ich glaube, mit den 5cl, die ich zuhause habe, diesem Cognac nicht genug Aufmerksamkeit schenken zu können, mindestens nicht die, die er braucht, gar nicht zu reden von der, die er verdient. Die kleine Menge überzeugt mich jedenfalls davon, einen großen Brand vor mir zu haben, bei dem ich selbst kleinste Tröpfchen noch aus dem Glas lecke.

Offenlegung: Ich danke Grape of the Art für die kosten- und bedingungslose Zusendung dieses Samples.

Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.

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