Mönche bei der Formel 1 – Elixir de Spa

Elixir de Spa Titel

Manch einer, der schon länger meinen Blog liest, bekommt vielleicht den Eindruck, dass ich Zucker hasse. Damit würde man mir schon etwas Unrecht tun, darum stelle ich das klar: ich mag es überhaupt nicht, wenn undeklarierter Zucker in einer Spirituose ist, insbesondere, wenn man es von der Gattung her eigentlich nicht erwarten muss. Rum, zum Beispiel. Der sollte ungesüßt sein, selbst wenn in der EU-Verordnung inzwischen 20g/L erlaubt sind, das ist einfach etwas, was kein Brenner, der etwas auf sich hält, tut. Ähnliches gilt für Obstbrand, auch hier sind gesetzlich gewisse Mengen erlaubt, doch wer das macht, beweist damit nur, dass sein Produkt auf sich gestellt nicht genug taugt, um dem Kunden zu gefallen. So. Damit beklage ich mich nicht über Spirituosen, bei denen per Definition Zucker enthalten ist (und sogar sein muss), wie Liköre. 100g/L sind die Mindestmenge, damit der Begriff „Likör“ für ein Produkt genutzt werden kann. Hier störe ich mich natürlich nicht am Zucker, das wäre ja absurd. Und ich zähle sogar diverse Liköre zu meinen Lieblingsspirituosen, also wehre ich mich entschieden gegen das Label „Zuckertaliban“, das mir schon angeheftet wurde in der Vergangenheit, und dass ich „moralisiere“.

Besonders gerne mag ich Liköre, die nach alten Rezepten entstehen und eine gewisse Tradition haben, der Kopf trinkt bei mir halt einfach mit. Dazu gehört zum Beispiel das Elixir de Spa von F.X. de Beukelaer. Es handelt sich dabei um einen Likör, abgeleitet aus einer Destillation von ausgewählten Kräutern, Schalen und Wurzeln, deren genaue Auswahl und Mengen, wie so oft, Betriebsgeheimnis bleiben. Der Likör wird dann in Eichenfässern gereift und mit 40% Alkoholgehalt abgefüllt. Ursprünglich wurde er von Kapuzinermönchen in der belgischen Ortschaft Spa, heute hauptsächlich durch die Lieblings-Formel-1-Strecke von Michael Schumacher bekannt, manufakturiert, und in den Wirren des 19. Jahrhunderts wurde der Likör einerseits vom belgischen Königshaus für seine Qualität ausgezeichnet, andererseits gleichzeitig aber auch nur knapp vor dem Vergessen gerettet. Heute hat sich, wie gesagt, F.X. de Beukelaer in Antwerpen dem alten Mönchselixir angenommen, eine belgische Traditionsfirma, die durchaus viel Erfahrung mit Likören hat, was man beim neulich hier besprochenen Elixir d’Anvers aus demselben Haus schon sehen konnte. Probieren wir das Kapuzinergebräu!

Elixir de Spa

Minimalste Färbung ist bei genauem Hinsehen erkennbar, doch auffälliger ist die extrem viskose Konsistenz der Flüssigkeit, da muss man Schwung aufbringen, um diese überhaupt in Bewegung zu versetzen, und dann legt sie sich schnell wieder zur Ruhe. Natürlich bildet sich das auch in Artefakten an der Glaswand ab, dicke Beine bilden sich da.

In der Nase findet sich dann ein zweigeteiltes Bild: erstmal sind da Kopfnoten von Bergamotte, Bitterorange und Limette, frisch und hell, die eine doch etwas überraschende Spritzigkeit an die ölige Flüssigkeit vergeben. Darunter entdeckt man aber schnell auch eine dunklere, kräuterigere Schicht, mit klaren Erinnerungen an klassische Kräuterliköre wie Unicum oder Jägermeister. Gerade diese Spannung zwischen zwei eigentlich scheinbar widersprüchlichen Komponenten macht für mich den Reiz beim Elixir de Spa aus. Das geht hier sehr viel besser zusammen, als man sich das von der Beschreibung her vorstellen mag. Zusammengehalten wird das noch von Gewürzen wie Kardamom und Nelken, etwas Kamille und Anis. Sehr schön zu schnuppern!

Elixir de Spa Glas

Geschmacklich sind die Gewürze das erste, was auf die Rezeptoren des Gaumens trifft, da ist direkt Nelken, Zimt, Kardamom da, begleitet von einer sehr schweren Süße, die aber nicht klebrig ist, sondern für einen Likör sogar überraschend klar wirkt. Die gesehene Viskosität äußert sich auch in der Textur, schwer, voll, voluminös liegt das Elixir im Mund, kauig und dicht. Wermutkraut, Tonkabohne, Fenchel schmeckt man da, ein bisschen kribbelt Zunge und Zahnfleisch durch die Würze der Kräuter und der 40% Alkoholgehalt, letzteres ist hervorragend eingebunden: man spürt die Kraft, aber kein Brennen. Frische kontert das alles, sowohl in Richtung Minze als auch ätherischer Zestenöle, die dann auch lange nachwirken, Bitterorange und Bergamotte klingen im Nachhall lange mit.

Ein sehr wohlstrukturierter Likör, das muss ich sagen – natürlich ist das Elixir de Spa süß, aber irgendwie hat man nie den Eindruck, dass die Süße übernimmt, sie ist nur Träger der Kräuteraromen. Und die Zusammenstellung ist wirklich ausgesprochen gut gelungen, da passt einfach alles. Ein großartiger Likör, nicht so extrovertiert wie eine Chartreuse, nicht so schwermütig wie eine Bénédictine, sondern genau dazwischen.


Ein kleiner, aber sehr hübscher Seitenaspekt, wenn man den Fandango mit dem Elixir de Spa mixt, ist, dass er im Gegensatz zu den allermeisten anderen Kräuterlikören dann trotzdem klar bleibt – damit ist schonmal ein trickreiches Spiel mit dem optischen Eindruck möglich, auch bei anderen Drinks, die nach Kräuterlikör verlangen. Der Geschmack aus dem geeisten Glas punktet natürlich auch, doch darüber haben wir ja bereits geredet; manchmal darf auch das Auge sprechen und der Mund schweigen.

Fandango Cocktail

Fandango
¾oz / 23ml Dry Gin
¾oz / 23ml Wodka
¾oz / 23ml Kräuterlikör
Auf Eis rühren.
In einem gefrosteten Glas servieren.
[Rezept nach Georges Robineau]


Die Flasche – nun, ich liebe sie. Diese kugelige Form, mit dem schräg aufgeklebten Etikett, stilsicher designt, das ist halt einfach liebenswert in der voll durchgehaltenen Retro-Art. Sie liegt auch gut in der Hand beim Ausgießen und ist trotz der Zurückhaltung, was Gestaltung angeht, ein Hingucker in der Heimbar.

Beim Elixir de Spa ist F.X. de Beukelaer noch zurückhaltender mit Informationen, was die Produktion und Inhaltsstoffe angeht, als beim Hauptprodukt des Hauses. Ein paar kleine Zusatzdetails kann man aber dennoch in dem Buch über eben jenes Elixir d’Anvers nachlesen – das Buch empfehle ich einfach mal so grundsätzlich weiter, es ist voller hübscher Reproduktionen alter Werbetafeln und historischer Fotos, allein dafür lohnt es sich schon, finde ich.

Offenlegung: Ich danke F.X. de Beukelaer für die kosten- und bedingungslose Zusendung einer Flasche dieses Likörs, und True Spirits für die Vermittlung.

Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.

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