Jamaikanische Nostalgie – Worthy Park Single Estate Reserve und Cask Finishes

Worthy Park Single Estate Reserve Titel

Damals, als die Facebookgruppe „Der Rum-Club“ noch so richtig aktiv war, wurden hin und wieder spannende Events veranstaltet; es gab ein Rum-Club-Treffen in Köln, das ich sehr gut in Erinnerung habe. Auch online traf man sich, so denke ich gern an das Meeting mit Richard Seale, in dem er geduldig Fragen beantwortete. Oder die Präsentation über Worthy Park von Zan Kong, in der er die Destillerie vorstellte und viele schöne Details über jamaikanischen Rum erzählte. Ja, die guten alten Zeiten.

Worthy Park Pot Still Forsyths

Ich mochte den Rum von dort vorher schon, doch die neuen Abfüllungen, die seit einigen Jahren von dort erscheinen, haben mich noch mehr überzeugt. Nehmen wir einfach mal als Beispiel das Standardprodukt der Brennerei, den Worthy Park Single Estate Reserve. Auf dem Etikett sieht man den Stolz, den die Firma auf ihre Geschichte und Anlagen hat: „Estate distilled, aged, blended & bottled“, das heißt, es wird dort also jeder Arbeitsschritt für die heimische Flasche selbst gemacht, und die Tausende von Hektar an Zuckerrohr-Plantagen stellen sicher, dass auch das Basismaterial nicht eingekauft werden muss. Es handelt sich also nach der Gargano-Klassifikation um Pure Single Rum, rein in Potstills gebrannt, und dann für 6-10 Jahre in Ex-Bourbon-Fässern gelagert.

Worthy Park Single Estate Reserve

Im Glas finden wir dann eine ganz klassische Farbe für das Alter, helles Kupfer, im Gegenlicht schon in Richtung Gold gehend. Schön gemächlich schwenkt sich die Flüssigkeit, in sehr regelmäßigen Abständen bilden sich dabei die Beinchen, die jeder Spirituosenliebhaber so schätzt. Schon während des Schwenkens entfleuchen dem Verkostungsglas die so typischen Jamaika-Rum-Aromen, Marzipan, Butterscotch, viel Vanille, gebräunte Butter, Karamellbonbons und ganz dezent im Hintergrund reife, tropische Früchte. Wirklich extrem angenehm zu schnuppern, zu tief sollte man die Nase aber nicht ins Glas halten, sonst kitzelt der leichte Lack- und Klebstoffton etwas im Riechkolben.

Worthy Park Single Estate Reserve Glas

Der initiale Antrunk wirkt leicht, gar nicht so süß, wie vielleicht erwartet, sondern schon direkt am Anfang mit Herbe und Würze. Die 45% Alkoholgehalt verstecken sich nicht, da spürt man ordentlich Kraft und Feuer, ohne, dass es zu aggressiv rüberkommt. Im Verlauf sind Vanille, Karamell und Butter dann die dominierenden Elemente, Marzipan unterstützt, Trockenfrucht wie Datteln und Rosinen melden sich, doch gerade Butter und Karamell bleiben von vorne bis hinten sehr präsent. Milde Herbe von Tabakblättern sorgt dafür, dass wir hier nicht nur süße Aromen finden, sondern sich ein erwachsenes, sehr rundes und vielschichtiges Gesamtbild herausschält, mit weicher, aber nicht wirklich anschmeichelnder Textur. Voll und schwer, aromatisch dicht und mit ordentlich Wumms – so klingt der Single Estate Reserve dann auch aus, hinterlässt lange süßen Butterscotch am Gaumen und bildet dann, ganz zum Schluss, sogar noch eine kräftige, prägnante Jasminblumigkeit aus. Ich liebe diese Art Rum, da gibt es eigentlich nichts zu meckern für mich, mein persönlicher Geschmack ist nahezu perfekt getroffen.


Ich gebe ja zu, ich bin ein bisschen ein Worthy-Park-Fanboy, darum habe ich mir über die Zeit auch drei Ausgaben der Special Cask Releases zugelegt. Für diese wurden unterschiedliche Reifungsmethoden eingesetzt, und ich sage schon jetzt, dass es sich für potenzielle Käufer durchaus lohnt, mehrere davon zu haben: Sie unterscheiden sich definitiv vom Single Estate Reserve, und auch untereinander. Ich gehe jetzt die drei Mitglieder der Cask Selection Series, die ich zuhause habe (#4 Port, #5 Madeira und #8 Quatre Vins), mal durch.

Worthy Park Special Cask Releases Quatre Vins, Madeira und Port

Beginnen wir mit dem Worthy Park Special Cask Release Quatre Vins (Cask Selection Series #8). Zunächst die bloßen Daten. Für dieses Release hat man eine doppelte Reifung („Double Maturation“) eingesetzt: Zuerst gab man das reine Potstill-Destillat aus 2013 für 4 Jahre in Ex-Bourbon-Fässer, dann hat man es aufgesplittet und vier Stränge angelegt, die jeweils 2 Jahre in Ex-Weinfässern (Monbazillac, Sauternes, Moscatel und Jurançon) lagerten. Diese vier Lagerungen wurden dann wieder miteinander verblendet, und man hat 1318 Flaschen mit 52% Alkoholgehalt abgefüllt.

Worthy Park Special Cask Release Quatre Vins Glas

Leuchtend kupferfarben steht das vierfach gereifte Destillat im Glas, etwas heller wirkt es als in der Flasche, wo es fast rot aussieht; jedenfalls ist es erkennbar dunkler als der Single Estate Reserve zuvor. Schwenkt man es, schwappt es schwer hin und her, und lässt entsprechende Artefakte am Glas. In der Nase kommt initial erstmal die WP-Typizität zum Vorschein, sehr angenehme, hochtypische Rumaromen von Marzipan, milder Trockenfrucht und einer süßen Gewürzmischung mit viel Vanille. Karamell und verbrannter Zucker, Nougatschokolade, und mildesterige Frucht kommen darunter. Schwerer und fruchtiger als der Vorgänger kommt es mir vor, die Weinfässer geben klar mehr Tannine und dunkle Obstaromen in den Quatre Vins ab. Sehr deutlich wird die Weinvorbelegung bei der leichten Schwefelnote.

Geschmacklich kommt sie auch direkt vor, bleibt über den ganzen Verlauf schmeckbar. Dunkle Rotweinnoten sorgen für Fülle, eine ganz dezente, zurückhaltende Vanille- und Türkisch-Honig-Süße gleicht die Herbheit und Trockenheit aus. Fast schon Highland-Scotch-artige Medizinialität erzeugt etwas zusätzliche Komplexität, die man genießt, während man auf der runden Textur lutscht. Der Abgang ist mittellang, feurig heiß, trocken aber nicht staubig, und hinterlässt ein sehr angenehmes, warmes Mundgefühl, das lange anhält und mit schön gerundeten Frucht- und Gewürznoten insgesamt sehr attraktiv ist: irgendwie fühlt es sich an, als hätte man ein Streichholz im Mund angezündet und ausglimmen lassen. Die Weinfinishes haben tolle Arbeit geleistet, das ist für mich persönlich ein klarer Wandel zum Basisprodukt!


Gehen wir zum nächsten Release, dem Worthy Park Special Cask Releases Madeira (Cask Selection Series #4). Die Herstellung ist ähnlich, reines 2013er-Potstilldestillat hat 4 Jahre Ex-Bourbon-Fass hinter sich und bekommt dann ein klassisches einjähriges Finish im Ex-Madeira-Fass. Das ergab 677 Flaschen mit 58% Alkoholgehalt.

Worthy Park Special Cask Releases Madeira Glas

Die Optik ist schonmal gelungen, dunkles Kupfer, beinahe Hennarot, deutlich viskos im Glas, mit schön langsam dickbauchig ablaufenden Beinen. Der Duft folgt diesem Eindruck: Zunächst herb und erdig, nasser Ton und Kokosnussschale, schnell darauf süße Noten von gerösteten Mandeln, Vanille und Karamell. Direkt im Anschluss kommt dann eine sehr fruchtige, traubige Note zum Vorschein, das Madeira-Fass präsentiert sich deutlich. Süßwein, Birne, Honigmelone. Sehr angenehm, allerdings schon sehr weinlastig.

Ähnlich angenehm geht es auch weiter. Im Antrunk, weich, mild, süß und schwer. Im Verlauf kommt sehr stark Vanille nach vorn, und auch hier beginnt man, das Finish herauszuschmecken. Süßer Wein, Butterscotch, deutliches Rancio, Kokosmark, Karamell – die 58% sorgen für ordentlich Wumms, ohne zu kneifen; das pfeffrige Feuer, das nach kurzer Zeit entsteht, ist würzig und heiß.  Sehr komplex und voller Eindrücke. Der Abgang ist hefig und mineralisch, Ton und Kokosschale wie schon zu Beginn errochen. Lang, süß, warm und rund. Der Nachhall ist alkoholhauchig (man merkt, dass „nur“ 5 Jahre Reifung wirken konnten), angenehm und trocken, ohne adstringierend zu werden. Ein wirklich sehr schöner Rum, viel Power, viel Charakter, dabei aber sehr rund und gleichzeitig nie wild und aggressiv.


Zu guter letzt noch die vierte Flasche: Worthy Park Special Cask Releases Port (Cask Selection Series #5). Hierfür hat man sich mehr Zeit gelassen, immerhin 9 Jahre Ex-Bourbon-Fass mit einjährigem Ruby-Port-Finish; entsprechend ist das Destillat von 2008. 585 Flaschen hat man daraus gewonnen.

Worthy Park Special Cask Releases Port Glas

Der Port macht sich schon farblich bemerkbar – ein rötliches Kupfer. Auch hier sieht man, wie schon beim Madeira Cask, leichte Öligkeit bei mittlerer Schwere mit attraktiven Glaswandverhalten, was Beine angeht. Zunächst nehme ich eine leichte Hefigkeit wahr, gefolgt von einer deutlichen Marzipannote. Der Port ist klar erkennbar, liegt als Schicht über den dunkleren Rumtönen von Rosinen, Mandeln und reifer Frucht – eine sehr spannende geruchliche Melange aus Port und Jamaika-Rum. Ein runder, milder, aber sehr vollsüßer Eindruck.

Sehr süß wirkt das initial im Antrunk, dann aber doch schnell zum Trockenen hin tendierend. Eine gewisse Grundsüße bleibt aber dauerhaft erhalten. Sehr voll, breit und tief, und 56% Alkohol sind perfekt verarbeitet, da gibt es keinen Fehler. Milde Ester breiten sich aus, reife, aber nicht überreife Frucht, etwas Brotiges kommt dazu, und auch hier Rancio. Der Mundraum kitzelt nicht vor Alkohol sondern vor deftiger Würze, etwas umami. Sehr intensiv und einnehmend. Der mittellange Abgang ist ein Traum – hocharomatisch, sehr warm, dicht und voll, süß, mit milder Trockenheit. Eine sehr weintraubige, fast schon kirschige Note hängt extrem lange nach, am Ende meine ich sogar, etwas Jasmin herauszukitzeln.


Im Originalrezept des Across the Pacific wird der Rum gesplittet – Appleton 12 und Smith&Cross, beides jamaikanische Rums, aber mit unterschiedlicher Aromatik. Persönlich glaube ich, dass der Worthy Park diese Kombination zweier Stile auf Jamaica bereits repräsentiert, darum nehme ich einfach nur den Single Estate Reserve her – wunderbar könnte natürlich auch einer der Special Cask Releases für noch einen Ticken mehr Komplexität funktionieren. Das Ergebnis gefällt mir jedenfalls sehr.

Across the Pacific Cocktail

Across the Pacific
1½oz / 45ml gereifter Jamaica-Rum
½oz / 15ml Amaro
¾oz / 23ml Limettensaft
¾oz / 23ml Orgeat
Auf Eis shaken. Auf crushed ice servieren. Mit Muskatnuss bestäuben.

[Rezept nach Meaghan Dorman]


Die Flaschen gefallen mir nicht weniger, modern und klar sowohl in der Form als auch in der Etikettierung. Das wirkt alles aus einem Guss, sehr hochwertig, und das Auge ansprechend, ohne je in Kitsch oder Narzissmus zu verfallen. Das massive Glas sorgt dafür, dass die Flasche gut in der Hand liegt, der ebenso gut handhabbare Verschluss aus Holz dafür, dass es eine gewisse zusätzliche haptische Befriedigung beim Öffnen gibt. Im Regal der Heimbar sehen sie jedenfalls toll aus.

Worthy Park – das ist das Jamaica, das ich liebe, viel mehr als das brutale Hampden-Superester-Jamaica, das mir persönlich einfach viel zu anstrengend ist. Das hier dagegen ist nicht weniger spannend, trinkt sich aber gleichzeitig einfach großartig. Hochkomplex, vielschichtig, superaromatisch, voller Intensität und das alles kombiniert mit einer Drinkability, wie man sie selten findet. Kurz – perfekte Rums für den Anfänger wie für den Kenner. Man merkt, ich bin begeistert, insbesondere der Quatre Vins hat mich wirklich voll überzeugt. Und ich schäme mich nicht dafür; diese Rums sollte man probiert haben, gerade, weil sie ein sensationelles Preisleistungsverhältnis haben – hier muss man sich für einen extrem gut gemachten Rum nicht verschulden. Zugreifen, sofort!

Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.

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