Fortbildung folgt – Marzadro Giare Amarone Grappa

Marzadro Giare Amarone Grappa Titel

Ich bin kein Weinkenner. Ich wäre gern einer, und spiele mit dem Gedanken, mich etwas mehr in das Thema Wein einzuarbeiten. Eigentlich weniger wegen des vergorenen Traubensafts selbsts, das Getränk reizt mich irgendwie nicht so sehr, und zum Essen trinke ich lieber ein gutes Bier. Nein, es ist die ganze Theorie, die hinter Wein steckt, die man als Spirituosenfreund eigentlich gut gebrauchen könnte, schließlich gibt es doch viele Schnäpse, die aus Wein oder Restprodukten aus der Weinherstellung destilliert werden, und für die dann das Wissen doch wieder von Bedeutung wäre.

Nehmen wir einfach mal Grappa. Ich mag den italienischen Tresterbrand sehr, und stelle fest, dass es soviele Grappa-Sorten gibt, die auf dem Etikett die eingesetzte Rebsorte angeben. Ich als Weinagnostiker stehe nun dumm da – wie will ich als Autor eines Spirituosenblogs ernsthaft Auskunft über Grappa geben, wenn ich gar nicht weiß, wieviel es ausmacht, welche Rebsorte die Basis für den Brand liefert? Es muss also was geschehen, ich verspreche, ich bilde mich weiter. Der Marzadro Giare Amarone Grappa war irgendwie eine erneute Erinnerung daran, denn wenn man etwas über ihn recherchiert, findet man die Information, dass er aus dem Trester von drei Amarone-typischen Rebsorten destilliert wird (Corvina, Rondinella und Molinara). Bis ich selbst klüger bin, muss ich mich selbst darauf verlassen, dass andere mich darüber aufklären. Immerhin, auf meinen Geschmack kann ich mich noch verlassen, also breiten wir den Mantel des schamvollen Schweigens über dieses Kapitel meiner Unbildung und wenden uns dem zu, was ich kann – dem Verkosten des Grappas.

Marzadro Giare Amarone Grappa

Viele gereifte Grappe gehen eher ins Strohige, da die Reifungsdauer eher niedrig ist. Hier hat man dagegen einen satten, beinahe schon orangenen Braunton. Leider erfährt man auf dem Etikett keine Reifungsdauer – nur, dass das Destillat in Eichenfässern ruhte. Kurzes Nachschauen auf der Herstellerseite offenbart, dass es sich um mindestens 3 Jahre handelt.

Die Nase ist prägnant, herb vom Trester und vanillig vom Eichenfass. Milde Zitrusnoten ergänzen das. Leichte Tabak- und Holzkomponenten sorgen für Komplexität und Körper. Man meint, etwas starken Rotwein herauszuriechen. Insgesamt sehr schwer, vollkörperig und rund.

Im Mund beginnt der Marzadro Giare Amarone mit einer fast schon parfümig-seifigen Note, die von einer vorsichtigen, natürlich wirkenden Süße begleitet wird. Im Verlauf wird der Grappa immer würziger, trockener, bis er schließlich deutliche Holznoten und scharf-aromatischen Gewürzcharakter aufweist.

Marzadro Giare Amarone Grappa Glas

Der Abgang ist mittellang, wirkt am Ende etwas metallisch, hat aber bis zum Schluss Körper und Kraft, mit einer dabei auftretenden doch starken Bittere. In einem beinahe schon heißen Nachhall (erst hier könnte man meinen, die 41% Alkohol zu spüren) klingt noch viel Gewürz und dunkler Wein nach, und lässt deutliche Betäubungseffekte und leichtes Kribbeln auf Zunge und Gaumen zurück.

Ein sehr aromatischer, wuchtiger Grappa, der viel spannendes zu bieten hat und dadurch nicht langweilig wird; dabei wirkt er aber dennoch mild und voll genug, um nicht zu unrund zu werden. Selbst ich kenne den Wein Amarone, und persönlich empfinde ich bei diesem Grappa tatsächlich eine sensorische Nähe zu ihm, insbesondere was die Schwere und Dichte angeht.

Sucht man nach Rezepten für Grappa-Cocktails, landet man schnell in einer Sackgasse. Scheinbar ist diese Spirituose noch nicht in der Mixologie angekommen – es wird Zeit dafür. Dass er vielseitig ist, steht außer Frage; im Valery zeigt er seine schmeichlerische Ader, doch der Marzadro Giare Amarone Grappa ist sicherlich auch für herbere Rezepturen geeignet.

Valery Cocktail


Valery
1½ oz Grappa
¾ oz Aperol
½ oz Triple Sec
½ oz Orangensaft
Auf Eis shaken. In ein Glas mit Zuckerrand abseihen.
[Rezept nach Hello Grappa]


Mir gefällt die flache Flasche sehr, sie liegt gut in der Hand und wirkt dennoch sehr stilvoll mit ihren Rundungen und im Glas eingelassenen Kerben. Der Kunststoffkorken wird mit einem großen Holzdeckel gut bedienbar, und das nur kleine Etikett, das sich um den Flaschenkörper biegt, ist schön gestaltet. Nur etwas mehr Information wäre natürlich toll gewesen; das ist aber ein Kritikpunkt für Detailfanatiker wie mich. Wer einfach nur einen starken Grappa trinken will, kann ohne Gewissensbisse zugreifen.

Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.