Früher war es ein beliebtes Mittel des Marketings vieler Hersteller, ihre hochprozentigen Produkte als gesundheitsförderlich zu bewerben. Magenbitter sollten bei der Verdauung helfen, Kräuterliköre dem allgemeinen Wohlbefinden dienen, und Bier und Wein sind ja heute noch im Ruf, neben dem Effekt auch lebensverlängernd zu wirken. Das allermeiste davon ist heute wissenschaftlich wiederlegt, Alkohol als solcher ist nun mal einfach ein Gift und unvorsichtig konsumiert auch ein Suchtmittel. Laut EU-Verordnung ist heutzutage nun auch verboten, irgendein Produkt, das Alkohol enthält, mit Gesundheitsangaben jedweder Form zu versehen.
Das bedeutet nicht, dass ein Ingwerlikör wie der King’s Ginger nicht trotzdem noch ein paar der höchst wohltuenden Eigenschaften der Ingwerknolle aufweisen könnte. Zumindest glaubte der englische König Edward VII. wohl fest daran, denn er ließ wohl den holländischen Likör regelmäßig als Tonikum auftischen. Zumindest laut Etikett, Legenden aus diesen Quellen ist im Normalfall wenig zu trauen, da es aber eine nette, unkomplizierte Geschichte ist, lasse ich das mal so stehen. Was aber sicher feststeht: auch heute wird der Likör noch in Holland für Berry Bros & Rudd, London, produziert. Gießen wir uns ein paar Tropfen des königlichen Genusses ein.
Blasser Mais, etwas strohig. Eine leichte Trübung durch winzige, schwebende Partikel – bei einem Ingwerlikör könnte ich mir vorstellen, dass das so gehört. Beim Schwenken entsteht ein durchgängiger Film an der Glaswand, der an der Oberkante sich in Beine auffranst, die aber beim Ablaufen wieder zu einem Teppich zusammenfließen, erst nach einer Weile trennt sich dieser Film wieder in einzelne Fäden.
Die Nase ist direkt pikant, einerseits vom dominierenden Ingwer, als auch von der kräftigen Alkoholstärke von 41%, für einen Likör recht üppig gewählt. Gleichzeitig kommt eine milde Zitrusnote in Richtung Orangenschale dazu. Der für ein Säulendestillat typische Ethanolgeruch entsteht, das deutet auf das Basisdestillat hin. Letztlich muss man aber sagen – da ist ordentlich Ingwer drin, sowohl frisch geschnittene Wurzel, als auch deren Schale.
Natürlich beginnt der King’s Ginger extrem süß im Antrunk, ein Likör muss schließlich per Gesetz mindestens 100g/L Zucker aufweisen. Das merkt man hier im gesamten Verlauf. Ingwerschale steigt allerdings schnell als Aromatik ein, mit der auch schon gerochenen, leicht bitteren Orangenschale. Sehr rund und vollkörperig, dabei jedoch helltönig. Im Abgang entsteht dann tatsächlich etwas Ingwerschärfe, die die Zungenspitze leicht zum Kitzeln bringt. Eine gewisse Heunote lässt den Likör am Ende ausklingen.
Ich kann mir vorstellen, dass das als Digestif auf Eis seinen Charme hat – die Ingweraromatik ist stark ausgeprägt, und wer das mag, der sollte es mal probieren. Für mich persönlich ist es aber mehr eine Cocktailzutat, die in überraschend vielen Drinks ihren Einsatz finden kann, mehr als viele andere Liköre jedenfalls. Der Eva Perón ist ein Longdrink, bei dem die Ingwerkomponente sowohl von Likör als auch von Ingwerbier unterfüttert wird; doppelt hält besser.
Eva Perón
1 oz Fernet
1 oz Roter Wermut
1 oz Ingwerlikör
1 oz Limettensaft
1 oz Ingwerbier
[Rezept nach Darren Crowford]
Für mich ist der King’s Ginger im Fazit mein Go-To, was Ingwerlikör angeht, aufgrund der starken Aromatik und des tollen Alkoholgehalts; viele andere Produkte sind oft eher in Richtung 25% verortet, was für mich gerade in der Mixologie einen durchaus deutlichen Unterschied macht. Dazu macht sich die schwarze, komplett ummantelte 500ml-Flasche auch sehr hübsch in der Heimbar, mit dem elaborierten Etikett hat man auch immer was zu erzählen für interessierte Gäste. Diese freuen sich sicherlich aber auch neben der netten Anekdote auch über einen ungewöhnlichen Digestif nach einem schönen Essen; man muss wahrhaft kein König sein, um das wertschätzen zu können.