Die Jameson The Deconstructed Series besteht aus drei Ausprägungen, die laut Namen die Variabilität der Herstellung bei Jameson zeigen sollen. Da gibt es nun entsprechend Whiskys mit der sprechenden Bezeichnung Bold, Round und Lively. Drei ganze Flaschen mit mehr oder weniger experimentellem Inhalt und gehobenem Preis, das wollte ich (obwohl ich Experimenten immer sehr offen gegenüber stehe) nicht riskieren, und habe mir stattdessen vom geschätzten Spirituosenbloggerkollegen WhiskyJason Samples geholt, der mir auch dankenswerterweise gleich noch ein Bild der Flaschen inklusive Kartons bereitgestellt hat – optisch macht die Gruppe jedenfalls in der aufeinander abgestimmten Gestaltung schon durchaus was her. Was ist aber im Glas?
Alle weisen den branchenüblichen Farbstoff E150a (Zuckerkulör) auf, wie immer gilt dafür, dass das den Geschmack nicht beeinflusst, und dass meist nur zur Chargenangleichung gefärbt wird, alles andere wäre in meinen Augen auch Kundenbetrug, in der aktuellen Form lebe ich damit, glaube dennoch, dass man darauf verzichten könnte und sollte. Im Endeffekt unterscheiden sich die drei farblich für mich allerhöchstens in minimalstem Ausmaß.
Beginnen wir mit dem Bold – da erwartet man schon vom Namen her etwas Schweres, Wuchtiges, was die irische Whiskywelt ja durchaus zu bieten hat. In der Nase wundert man sich dann bereits: Sehr viel Vanille, ein erkennbarer Lackton dazu. Kaum sonst etwas. Das Mundgefühl eines irischen Whiskys ist für mich immer besonders angenehm, und hier enttäuscht der Bold auch nicht, cremig, weich, vollmundig. Dennoch sind 40% Alkoholgehalt hier definitiv zu wenig, um viel Charakter verleihen zu können. Der Bold hat eine gewisse Funkigkeit, die ich dem Pot-Still-Anteil zuschreibe, der aber in der restlichen Belanglosigkeit untergeht, vanillige Holznoten sind auch schon das höchste der Gefühle. Der Abgang passt sich dem an, kurz, warm, metallisch, nichtssagend.
Ein schöner Whiskey am Abend, zum eine Weile dran Nippen – für Genießer zu eindimensional und, ja, ich sprechs einfach mal aus, für mich langweilig. Der Werbetext tönt, der Bold „biete[e] hiermit einen Blend, der von schwerem, starkem pot still Whiskey geprägt ist.“ Ich empfinde das als maßlos übertrieben, ebenso wie den Namen, dieser Whisky ist für mich gar nicht kühn oder verwegen.
Lively, also „lebhaft“, soll der nächste der drei Brüder sein. Passt der Name hier besser? Die Nase ist getreidig, etwas Karton schimmert durch. Erfreulich viel Frucht gefällt mir, ansonst bleibt der Geruch zurückhaltend. Auch im Geschmack dringt die Frucht schön durch. Grain Whiskey scheint hier laut Produktbeschreibung den Hauptbestandteil zu bilden, und man schmeckt die milde Süße und feine Fruchtaromen gut heraus. Der Lively zeigt alle Stärken und Schwächen eines Grain Whiskeys in konzentrierter Form: Eine wunderbare Süße, eine sehr angenehmes Mundgefühl, aber gleichzeitig eine enttäuschende Oberflächlichkeit und aromatische Kürze. Vor allem ist der Abgang so kurz geraten, dass man arg überlegen muss, ihn überhaupt zu erwähnen – nichtexistent ist er, so hart das klingt.
Hm, ich beginne, etwas glücklich darüber zu sein, nicht die 100€, die man für die drei Flaschen (immerhin ganze Liter) hätte investieren müssen, ausgegeben zu haben. Bisher ist der Eindruck eher mäßig – ich sehe keinen Grund, für diese zwei Whiskys vom Standardprodukt der Destillerie abzuweichen und den Aufpreis zu zahlen. Nun, eine Chance gibt es ja noch.
Mit der Benamung gab es ja wenig Glück, ist der Round dann wenigstens rund? In der Nase ist auch hier erstmal hauptsächlich viel Vanille. Diese taucht auch im Geschmack deutlich auf, dazu wird der Round leicht salzig, hat ausgeprägte Holznoten, ich meine auch, Gewürze wie Kardamom und Zimt zu entdecken. Ganz spät punktet der Round dann noch mit einem schönen Abgang, der wenigsten über „kurz und nichtssagend“ hinausgeht – mittellang, toll würzig und warm. Gefällt mir persönlich schonmal sehr viel besser als der Bold, der dagegen, trotz seines Namens, wie ein zartes Lämmchen wirkt. Ich hätte die Benamung der beiden getauscht, aber mich frägt man ja nicht. Persönlich gefällt mir dieser Whisky von den drei Brüdern am besten, er hat endlich den Charme, den ich bei den anderen vermisse.
Zusammenfassend kann man sagen – aromatisch außerordentlich spannend sind sie alle nicht. Sie leben von ihrer Rundheit und Ausgewogenheit. Die Unterschiede zwischen den drei Sorten sind zumindest für mich darüberhinaus vergleichsweise so klein, dass es sich auch aus rein akademischen Gründen kaum lohnt, sich alle zu holen – außer natürlich, man ist Sammler. Ich will damit aber nicht sagen, dass die dekonstruierten Jamesons schlechte Whiskeys sind: Mir gefallen sie in ihrer simplizistischen Art irgendwie auch gut, doch hätten sie ein paar mehr Volumenprozente, die für mehr Körper und vor allem Wucht im Abgang sorgen könnten, könnten sie auch meine Empfehlung bekommen. So erhält man Whiskeys mit einer tollen Drinkability, aber ohne Rafinesse oder Konsequenz – schöne Begleiter für ein Bier in einem Herrengedeck. Mehr nicht.