Aktuell treibt ein Discounter-Gin die Spirituosenwelt vor sich her – beim renommierten Spirituosenwettbewerb IWSC gewann der Oliver Cromwell London Dry Gin, der von Aldi in Großbritannien vertrieben wird, eine Medaille als bester Gin der Welt. Sogar Spiegel Online war das einen Artikel wert – Schnapsblogger, Ginfreunde, Barkeeper und andere an Qualitätsbränden interessierte schrien auf, die Freunde des billigen Genusses konnten sich Schadenfreude und ironische Hinweise nicht verkneifen.
Nun muss man das ganze ins rechte Licht rücken – der Aldi-Gin trat in der Kategorie der Gins mit 37-38% Alkoholgehalt an, also an der untersten Grenze dessen, was noch als Gin bezeichnet werden darf (Gin muss laut EU-Verordnung mindestens 37,5% Alkoholgehalt aufweisen). Dadurch ist der Oliver Cromwell London Dry Gin also der beste Gin der Welt in diesem Bereich, der meist von Billigware und wenig anspruchsvollem Schnaps bevölkert wird. Wer etwas vom Gin haben will, besorgt sich höherprozentige Ware – wie zum Beispiel den Beefeater London Dry Gin, der mit 47% in einer ganz anderen Gewichtklasse spielt als die „weltbesten“ Aldi-Gins.
Gin ist transparent, selbst manche der modernen „Western“ Gins, die eine bunte Farbpalette aufweisen, sind sich da einig. Klassisch ist er natürlich auch farblos, und kaum viskos.
Der Geruch ist das, was Gin für mich attraktiv macht. Ich mag den Geruch von Wacholder, und je wacholdriger ein Gin ist, um so mehr mag ich ihn. Der Beefeater ist in dieser Beziehung keine Enttäuschung: Ganz klar dominiert Wacholder, begleitet von etwas säuerlichem Zitrus, einem süßlichen Beiklang und etwas floralem Charakter. Leider ziept er in der Nasenschleimhaut auch etwas – das sollte selbst bei respektablen 47% Alkoholgehalt nicht passieren, man erkennt hieran etwas die Massenproduktion.
Laut Hersteller werden 9 Botanicals eingesetzt, die 24 Stunden lang mazerieren dürfen – Wacholder, Orangenschale, Zitronenschale, Angelikawurzel, Angelikasamen, Koriander, Süßholz, Bittermandel und Iriswurzel. Ich danke für diese Transparenz, andere Produzenten machen daraus ein Staatsgeheimnis. Die Kombination sorgt für ein sehr schweres, fett-ölig-dichtes Mundgefühl, das fühlt sich fast schon likörartig an. Die Süße nimmt einen sehr großen Teil des Geschmackserlebnisses ein, Wacholder ist gar nicht mehr so übermäßig präsent wie in der Nase. Lakritz, Angelika und Orange sorgen für einen fetten Unterbau, Zitrone für die Spitzen.
Der volle Körper transportiert sich leider nicht in den Abgang, der zwar heiß und kraftvoll ist, aber leider auch, abgesehen von einer gewissen Adstringenz, kurz und schal. Tatsächlich ist das Nachgefühl im Mund eher bescheiden bis unangenehm, mit einem starken Eisenton und flachem Kräuterbett ohne Differenzierung. So elegant die Nase ist, so behäbig und faul ist der Nachklang.
Es gibt Gins, die ich gern pur trinke, wenn auch selten. Der Beefeater gehört nicht dazu, doch mit seinen 47% hat er andere Qualitäten. In einem Cocktail kann er viel Volumen beisteuern, Power und Dichte, ohne dabei durch zu strenge Aromatik das Gesamtbild zu übernehmen. Der Bebbo Cocktail, zubereitet mit dem Beefeater, zeigt, dass ein Gin-Cocktail nicht immer nur klar und stringent sein muss, sondern auch verspielt und schwer.
The Bebbo Cocktail
1½ oz London Dry Gin
¾ oz Zitronensaft
½ oz Orangensaft
2 Teelöffel flüssiger Honig
Dry shake, dann auf Eis shaken.
[Rezept nach unbekannt]
Die eckige Flasche ist platzsparend in einer Heimbar unterbring- und handhabbar und verzichtet auf Sperenzchen. „Der einzige internationale Premium Gin, der in London destilliert wird, und das schon seit 1820“ ist die einzige Marketingaussage, persönlich würde ich dabei auf das verbrannte Wort „Premium“ gern verzichten. Die traditionellen namensgebenden Wächter des Towers in London würden es vielleicht auch schätzen.
Und Oliver Cromwell wurde für den 37%igen als Name gewählt, um Iren davon abzuhalten…?!?