Mit einem Krug Wein zwischen den Blumen, Teil 10 – Jin Badaling Bafang Longxian 八方龙涎

Jin Badaling Eight Side Dragon Salivary Wine Titel

Die Gänsehaut, die Daenerys Targaryen, die Mutter der Drachen, beim Angriff auf die anhand der Superwaffe etwas konsternierte Lannister-Armee in der 7. Staffel der Fernsehserie auslöste, ist verflogen, doch Drachen lassen mich nicht los. Die klassisch gestalteten, feuerspeienden Fantasyreptilien aus Game of Thrones gehen dabei aber gern über in die eher das feuchte Element liebenden chinesischen Drachenkönige, die im Meer leben und für den Regen zuständig sind. Der Drache, chinesisch (long, gesprochen „lung“), ist ein superzentrales Motiv der fernöstlichen Kultur, und entsprechend findet man Referenzen auf dieses meist wohlwollende, geschätzte und helfende Wesen in jedem Lebensbereich – auch bei Spirituosen.

Selten musste ich dennoch über den Namen einer Spirituose derart brüten wie beim neunten Vertreter der Gattung Baijiu, die ich in meiner Reihe „Mit einem Krug Wein zwischen den Blumen“ näher betrachte: Dem Jin Badaling Bafang Longxian (八方龙涎). Die englische Übersetzung, unter der dieser Baijiu mir zunächst bekannt gemacht wurde, ist „Eight Side Dragon Salivary Wine“ – das klingt schon so absurd und seltsam, dass ich mich erneut auf die Suche nach dem chinesischen Originalnamen machen musste. Eine Recherchearbeit, die sich immer sehr lohnt, so halte ich mein rudimentäres Chinesisch wenigstens etwas am Leben, und gleichzeitig lernt man am Rande so wahnsinnig viel, was man sonst nie erfahren hätte.

Zum Namen also – Bafang Longxian, das ist erneut eine Remineszenz an chinesische Mythologie. (longxian) bedeutet wörtlich übersetzt „Drachenspeichel“ (die englische Übersetzung mit „Dragon Salivary“ ist also holprig, aber wortgetreu). Ambra, die graue, wachsartige Substanz aus dem Verdauungstrakt von Pottwalen, die man früher wegen ihres Wohlgeruchs zur Parfümherstellung nutzte, wird im Chinesischen als 龍涎香 (longxianxiang) bezeichnet, man sieht, worauf dieser Namensteil anspielen will. Leicht rätselhaft bleibt mir der Teil 八方, wörtlich „achtseitig“, im Übertragenen Sinne auch „überall“ – nun, wer es weiß, teile es mir bitte mit, was es im Kontext dieses Baijius zu sagen hat.

Jin Badaling Bafang Longxian 八方龙涎

Wie bei den meisten Baijius gibt es über die Farbe kaum etwas zu sagen. Klar, praktisch keine Viskosität beim Schwenken, und doch so einiges an Beinen am Glasrand hinterlassend.

Ich gebe zu, ich war etwas vorsichtiger als normal, als ich an diesem Baijiu roch, nach der durchweg sehr schlimmen Erfahrung im letzten Teil dieser Reihe. Die Vorsicht ist unbegründet – Der Geruch nach Lakritz, Pfirsichferment, sehr viel Hochesterfrucht und vergorener Ananas ist ingesamt dahingehend sogar recht angenehm. Dem Geruch nach würde ich diesen Baijiu in die Starkaroma-Kategorie stecken; im Spirituosenwettbewerb Spirits Selection by Concours Mondial de Bruxelles, wo er 2016 eine Goldmedaille gewann, trat er aber in der Kategorie „other aroma“ auf, was auch immer das bedeuten mag.

Im Geschmack wird es dann deutlich – da ist all das Gummi, Teer und Plastik, das ich inzwischen als baijiutypisch kennenlernen konnte, an vordersten Front, unterstützt durch die vergorenen Fruchtaromen, etwas Lakritz und Fenchel. Was diesen Baijiu von vielen anderen Starkaroma-Vertretern unterscheidet, ist der für chinesische Verhältnisse läppische Alkoholgehalt von 38% – dadurch wirkt er nicht so aggressiv, brutal und ungezähmt wie viele seiner Artverwandten. Natürlich ist immer noch viel Säure und Kantigkeit da, aber alles eben in abgemilderter Form, die zumindest meinem Geschmack entgegenkommt.

Jin Badaling Bafang Longxian Glas

Der Abgang des Bafang Longxian ist schokoladig, sehr angenehm fruchtig (wie ich schon oft sagte – der Abgang ist wirklich das beste an einem Baijiu), mittellang und sehr trocken, mit viel Adstringenz. Ich persönlich empfinde es angenehm, dass die Ester sich auch wieder vom Gaumen lösen, und Platz machen für Bitterschokolade, Zitrusaromen und einem schönen Minzhauch. Eine feine Wärme bleibt im Rachen.

Ulric Nijs ist ein globetrottender Barentwickler, der sich viel mit Baijiu auseinandergesetzt hat, und der mir eine stete Quelle von ungewöhnlichen Cocktailrezepten mit dieser exotischen Zutat geworden ist. Eines seiner Rezepte, der 血水(übersetzt als Blood and Water), variiert den bekannten Blood and Sand. Letzterer ist schon ein Beispiel dafür, dass Zutaten, denen man lange nicht viel Cocktailpotenzial zusprach, sich doch wunderbar in Mischgetränken unterbringen lassen; was der Blood and Sand für Scotch tut, schafft der 血水 für Baijiu.

血水 (Blood and Water)


血水 (Blood and Water)
½ oz Baijiu
1 oz Kirschlikör (z.B. Cherry Heering)
¾ oz Orangensaft
¾ oz süßer Wermut (z.B. Martini Rosso)
Auf Eis shaken. Eine Orangenzeste darüber ausdrücken.
[Rezept nach Ulric Nijs]


Nach so einigen etwas allzu üppig gestalteten Flaschen, die ich in dieser Reihe schon gezeigt hatte, ist der Bafang Longxian tatsächlich mal eine Wohltat. Die rundlich-bauchige Flasche ist zwar in einem sonnig-strahlenden Gelb gehalten, doch insgesamt wirkt die Präsentation sehr gelungen. Die orangefarben aufgebrachten Drachenbilder, der goldene Schraubverschluss, der einen Ausgießstop (oh, ich hasse diese Dinger!) verbirgt, ja, das gefällt.

Offenlegung: Ich danke erneut der belgischen Firma Vinopres SA und Spirits Selection für die kostenlose Bereitstellung einer Flasche dieses Baijius. Vinopres SA und Spirits Selection haben mir ganz enorm geholfen, und mich mit einer Reihe von Qualitäts-Baijius versorgt, denn die Beschaffung dieser chinesischen Spirituosen ist in Deutschland sonst sehr schwierig – ohne sie wäre diese Reihe nicht möglich gewesen.

Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.

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