Die Vielfalt an Gläsern, und die Idee, dass jedes Getränk seine eigene Glasform erfordert, ist genauso alt wie die Mixologie selbst. David Wondrich zitiert in Imbibe! ein Bartenderhandbuch, das folgende Glasformen als erforderlich für eine Bar aufzählt.
Champagne, Claret, Port, Sherry and Rhine Wine Glasses, Cocktail for Whiskey, etc., Julep and Cobbler Glasses, Absinthe, Whiskey, Pony Brandy, Hot Water, John Collins and Mineral-Water glasses, as well as large Bar Glasses for mixing purposes and for ornamentation, together with all sizes of Beer, Ale and Porter glasses. There should also be a great variety of Fancy Glassware, to be used in decorating the shelves behind the counter.
In der Heimbar kann man natürlich etwas zurückhaltender sein. Eigentlich, wenn man nur für sich Cocktails macht, und man nicht anspruchsvoll ist, was das Optische angeht, reicht tatsächlich ein einzelnes Glas, zum Beispiel ein Tumbler.
Doch der wahre Cocktailfreund ist natürlich nicht so anspruchslos. Die Präsentation gehört, wie oben erwähnt, schon immer mit zum Cocktail, seit Jerry Thomas‚ Zeiten. Dekoration, Strohhalme, und, ja, auch die passende Glasform. Wer will schon einen Martini aus einem Tumbler, einen Old Fashioned aus einem Hurricane-Glas oder einen Mint Julep aus einem Martinikelch trinken?
Dabei muss man natürlich nicht päpstlicher sein als der Papst. Manche Cocktailbücher schreiben genau vor, welcher Drink in welches Glas gehört. Das finde ich zu einschränkend; mir geht es mehr darum, dass das Glas zum Drink passt. Persönlicher Stil ist wichtiger als stumpfe Vorschriften. Und wenn man erklären kann, dass es zum persönlichen Stil gehört, dass man einen Old Fashioned dann halt doch aus einem Hurricane-Glas trinkt, dann ist das eben so – irgendjemand hat ja auch mal stilsicher den Martinikelch für den Martini festgelegt.
Ich bin ein großer Freund des individuellen Glases; ich habe die meisten meiner Gläser nur ein einzelnes Mal. Nur wenn es gar nicht anders geht kaufe ich auch Sets aus 4 oder 6 Gläsern, das passiert aber nur alle Jubeljahre. Ein unerschöpfliches Reservoir an ungewöhnlichen, seltenen, verrückten und Vintage-Gläsern findet man auf Flohmärkten – oft für einen Spottpreis. Was es dort nicht gibt, findet man wahrscheinlich bei Markenglas.de.
Was ist das ideale Glas für den Cocktail? In Deutschland denkt man oft an diese riesigen Saftcocktails, wenn man von Cocktails redet. Der Kenner weiß aber, dass das eine abnorme Monstrosität ist, mit das schlimmste, das die 80er Jahre in ihren Flair-Bartending-Auswüchsen hervorgebracht hat. Der klassische Cocktail ist klein, meist 3-5 amerikanische Flüssigunzen, was grob 90-150ml entspricht. Das ist auch die Menge, die ein Cocktailglas fassen können soll.
Die Reise durch meinen Glasschrank beginnt mit der Allzweckwaffe, in der man eigentlich alle Cocktails und puren Spirituosen servieren kann, ohne als Banause dazustehen: Tumbler. Ein unendliches Gebiet, ein Dschungel an Formen, eine Welt für sich, oft dann in Sonderformen für spezielle Spirituosen. Rumtumbler sind meist eher schwungvoll und rundlich gestaltet…
…Whiskeytumbler dagegen oft eher streng zylindrisch, wie der ganz klassische Scotchtumbler, im angloamerikanischen Sprachraum auch Old Fashioned Glass genannt, den man noch häufig in amerikanischen Filmen neben den Bleikristallkaraffen voll Johnnie Walker sieht, und den man in vielen Haushalten als Staubfänger in den Glasvitrinen findet. Moderne Versionen sind etwas flippiger und ausgefallener. Ein dicker Boden hilft bei der Kühlung des Inhalts, und sorgt dafür, dass man nach dem dritten Glas dasselbe nicht umkippt.
Für den extravaganteren Genuss eines Whiskeys gibt es Markengläser, die ein ungewöhnliches Design aufweisen. Eckige Tumbler, Tumbler mit massivem Standfuss und eingegossenen Markenlogos: Oft bekommt man diese in einem Geschenkpack zusammen mit der Flasche. Persönlich liebe ich solche Gläser, da die Spirituosenfirmen diese Gläser als Werbungsobjekt nutzen, und sie daher oft gut durchdacht und ansprechend gestylt sind.
Ein Martini-Glas ist eine weite Schale mit normalerweise einem Stiel; alternative Versionen verdicken den Stil. Ich mag auch gern ungewöhnlich gestaltete Gläser, die einem verrückten Cocktail den passenden Rahmen geben. Für einen ganz klassisch-kühlen Martini muss aber dann doch auch ein ganz klassischer Martinikelch her.
Ein Zwischending zwischen Martiniglas und Tumbler sind die leicht konisch geformten Cocktailgläser, die ich gerne für schaumige Rumcocktails nutze. Sie sind auch gut für Drinks mit Eiswürfeln geeignet, weil sie oben schön weit sind, und dank ihrem dicken Boden recht standfest. Gibt es dafür einen offiziellen Namen? Ich weiß es nicht.
Manchmal braucht man ein stabiles, großes Glas, wenn man darin z.B. Limetten für eine Caipirinha oder einen Mojito muddeln muss. Dafür nutze ich dann die je nach Laune als Becher-, Wasser- oder Trinkgläser bezeichneten Gefäße. Die gibts überall, sind aber relativ langweilig, und kommen bei mir daher nur sehr selten zum Einsatz. In vielen Bars sind sie meist die Standardgläser für große Saftcocktails.
Highball-, Collins- oder Longdrinkgläser sind länger und schmaler als Tumbler. Ideal für Gin & Tonic, Tequila Sunrise, die ganzen Collinses und Rickeys und Fizzes und andere Drinks, die man gern aus so hohen Gläsern trinkt. In diese Kategorie zähle ich persönlich dann auch so etwas wie ein Hurricane-Glas, das man oft für die Piña Colada oder eben den Hurricane genutzt sieht. Mir gefällt die Form des Hurricane-Glases nicht, daher habe ich kein spezielles solches Glas bei mir im Glasregal.
Shooter oder Shotgläser braucht man in der gehobenen Barwelt eher selten – man will den Schnaps ja genießen, und nicht nur runterstürzen. Dennoch muss natürlich so ein Glas in der Heimbar vorhanden sein. Ich bevorzuge dann aber, um wenigstens etwas Stil in den Schuss zu bringen, ungewöhnliche Gläser, wie die massiven Brocken von Becherovka (links), oder liebevoll gestaltete Tequila-Caballitos.
Für den Genießer sind sogenannte Sniffer oder Nosinggläser unerlässlich. Durch die Tropfenform hat der Geist genug Raum, sich im Glas zu entfalten, und gleichzeitig werden die Aromen beim Aufsteigen wie in einem Kamin konzentriert. Das Glencairn-Glas in der Mitte ist ein gut handzuhabendes, elegantes Beispiel dafür.
Für den, der dann schon alles an Standardgläsern hat, eröffnet sich eine ganz eigene Welt der Getränkebehältnisse, die nur für ganz spezielle Drinks gebraucht werden. Ein Tiki-Mug für die Rumsaftcocktails im Südsee-Hawaii-Stil, ein Julep-Becher für den standesgemäßen Mint Julep, oder ein Bierkrug ergänzen das Barsortiment um ungewöhnliche Elemente.
Für Bier hat sich in letzter Zeit, im Zuge der Craft-Beer-Welle, auch eine Glaskultur herausgebildet. Spiegelau zum Beispiel stellt fantastische Porter-, IPA- und Witbiergläser her, die sowohl optisch als auch funktional überzeugen. Der moderne Biergenießer kann sich inzwischen aber auch mit langstieligen, dünnwandigen Biergläsern ausstatten, die an Weingläser erinnern.
In Teil 3 dieser Serie zur Heimbar hatte ich ein Ikea-Regal als Heimbargrundlage vorgeschlagen; auch für Gläser hat Ikea ein schönes, passendes Einrichtungsobjekt im Angebot. Der LILLÅNGEN-Wandschrank ist von der Tiefe her perfekt geeignet, ein paar Gläser aufzunehmen. Die Glaseinlagen betonen die Gläser dann noch.
Ich gebe zu, ich bin etwas zum Glasfetischisten geworden. Wer sich mit dem Gedanken trägt, eine Hausbar aufzubauen, sollte diesen Aspekt keinesfalls vernachlässigen, denn, wie eingangs geschildert: Ein Drink schmeckt gleich doppelt so gut, wenn er in einem ansprechenden, passenden Glas serviert wird.