Ich finde Gin persönlich eine recht langweilige Spirituose und verstehe den aktuellen Gincraze nicht wirklich. Meine Cocktailbar des Vertrauens räumt leider Stück für Stück hochwertige Rums und Whiskeys aus dem Sortiment, um allen möglichen Gins dafür Platz zu machen. Vielleicht ist es die Zurückhaltung eines Gins, was Aromen angeht, die ihn so beliebt macht – ähnlich wie bei Vodka, bei dem es ein Qualitätskriterium ist, wenn er nach nichts schmeckt (dazu habe ich meine Meinung etwas geändert, siehe den Grasovka Vodka).
Gin ist aber dann halt doch eine Stufe über Vodka, denn er wird, je nach Hersteller, vor, nach oder während dem Destillieren aromatisiert – Gin ist also letztlich aromatisierter Vodka, auch wenns manche nicht hören wollen. Früher ganz klassisch mit Wacholder, heutzutage kommt jeden Monat eine neue Geschmacksrichtung auf den Markt.
Eine der besseren, für mich persönlich vielleicht sogar die beste überhaupt, ist der schottische Hendrick’s Gin – das sage ich nach ausgiebiger, jahrelanger, mühe- und aufopferungsvoller Verkostung von dutzenden Sorten mehr oder weniger hochwertigen Gins. Sehr zart, floral, mit reduziertem Wacholderaroma ist er ein delikates Pflänzchen im Spirituosenregal. Gut, dass er durch diese massive, dunkle Apothekerflasche mit dem 19.-Jahrhundert-Retro-Etikett und den schönen, eingelassenen Details geschützt wird.
Wer einen starken, dominanten Wacholdergeschmack sucht, ist hier falsch. Daher muss man auch ein bisschen mehr Sorgfalt beim Vermischen dieses Gins walten lassen – ein leichtes Tonic Water ist meist schon das stärkste, was man ihm antun darf, trotz der 44%, sonst geht die feinen Anklänge von Gemüsearoma sofort unter und er schmeckt nicht anders als ein 08/15-Gin. Perfekt allerdings wirkt er in einem modernen Klassiker, dem Gin Basil Smash, in dem er seine einzigartigen Geschmackskomponenten voll vorzeigen kann; oder einem Prohibitionszeit-Darling, dem Last Word.
Last Word
¾ oz Hendrick’s Gin
¾ oz Maraschino-Likör
¾ oz Chartreuse Verte
¾ oz Limettensaft
Ein feiner, edler Tropfen, dieser Gin. Auch wenn er in einem lokalen Geschäft, das neben Zigarren noch exklusive Spirituosen anbietet, vom Verkäufer etwas verächtlich als „Supermarktgin“ abgetan wurde, kann ich ihn jedem empfehlen, der sich wegen (oder trotz?) des Ginhypes auf die Suche nach neuen Geschmäckern begibt.
Ein Kommentar zu “Zarte Delikatesse – Hendrick’s Gin”