Armagnac am Freitag – Grape of the Art Château de Hontambère 1997 #B4 und 1983 #B10

Grape of the Art Château de Hontambère 1997 #B4 und 1983 #B10 Titel

Ich habe ein schlechtes Gewissen – regelmäßig erhalte ich Samples für die neuen Armagnac-Abfüllungen, die bei Grape of the Art herauskommen. Ich schaffe es aber oft nicht dazu, diese zeitnah mit einem Blogartikel zu besprechen, man will sich ja Zeit nehmen für diese besonderen Brände, und sie nicht nur runterrattern, damit man was gemacht hat. Doch wenn ich dann nachschaue, sind diese Abfüllungen eh in der Regel zeitnah ausverkauft, die brauchen gar keine Werbung oder Besprechung, inzwischen ist wohl jedem klar, dass hier Spitzenzeug zur Verfügung steht. Ich hole das Tasting der Samples aber dann irgendwann doch nach, für die Nachwelt sozusagen, besser als nichts. So geht es mir gerade mit Grape of the Art Château de Hontambère 1997 #B4 und 1983 #B10.

Grape of the Art Château de Hontambère 1997 #B4 und 1983 #B10

Die beiden Samples kamen unabhängig voneinander, ich fand es aber unterhaltsam, sie dann doch miteinander in einen Kontext zu setzen; beide stammen aus der Region Armagnac Ténarèze und sind rebsortenrein aus Ugni Blanc gemacht, natürlich in einer Alambic Armagnacais gebrannt und dann in feuchten Lagerhäusern eingelagert, bevor sie ohne Zusätze abgefüllt wurden.


Noch ein paar Details zum Grape of the Art Château de Hontambère 1997 #B4, mit dem wir beginnen – das B4 ist die Kennzeichnung für das Fass, in dem der Armagnac nach 26 Jahren mit 53.8% Alkoholgehalt abgefüllt wurde, 295 Flaschen ergaben sich aus dem Fass.

Grape of the Art Château de Hontambère 1997 #B4

Optik: Leuchtendes Terracotta, mit orangefarbenen Lichtreflexen. Sehr ölig und schwer im Glas, mit fettig-vieladrigem Film an der Glaswand nach dem Schwenken.

Nase: Eine wunderbare Integration von Fassholz und Frucht, beide Aspekte sind dabei auch voll ausgeprägt, ohne sich gegenseitig zu übertönen. Dunkle traubige, rosinige Noten, viel gedörrte Pflaume, etwas reife Zwetschge. Ganz dezent nussig, mit feinen Tanninen ausgestattet. Ein Hauch Harz, etwas Lack, der aber gut eingebunden ist.

Mund: Der Antrunk ist einerseits schwer, vollaromatisch, texturell dicht und breit, anderseits wild und ungezügelt, mit schnell angreifendem Alkohol und feuriger Würze, hier hält sich der Armagnac keine Sekunde zurück. Das Mundgefühl ist sehr voll und ausdauernd, kippt gegen Ende aber ins Staubtrockene, mit viel Astringenz und immer stärker anbrennender Hitze, die die Zunge lange prickeln lässt und die Schleimhäute leicht anästhesiert. Bittersüß im Abgang, mit viel Fruchtsüße danach und einem fruchtig-blumigen Nachhall, während der Armagnac nachvollziehbar durch die Speiseröhre in den Magen rinnt.

Stark, wild, auf der Rasierklinge der Aggressivität tänzelnd, ohne ins Harsche abzurutschen. Das ist was für jemand, der starke, charaktervolle und sich nicht zurückhaltende Spirituosen zu schätzen weiß.


Sehr ähnlich verortet, aber mit zusätzlichem Reifealter versehen, ist der Grape of the Art Château de Hontambère 1983 #B10. 39 Jahre hat er auf dem Buckel, und ist mit 54,2% Alkoholgehalt aus Fass B10 in 249 Flaschen abgefüllt worden.

Grape of the Art Château de Hontambère 1983 #B10

Optik: Farblich zwischen Pariser Rot und Kastanie, mit kupferfarbenen Lichtreflexen. Viskos und schwerdrehend, dabei lebendig bleibend. Langsam ablaufende Tropfen an dünnen Beinen.

Nase: Sehr lackig, quietschig, dabei mit ordentlich veresterter Frucht ausgestattet. Darunter findet man überraschend frisches Steinobst, von Aprikose bis Zwetschge. Kardamom, Muskatnuss und ein Hauch Anis frischen weiter auf, geben aber auch Komplexität. Etwas Rotwein, verbunden mit einem winzigsten Anflug von Schwefel, wird durch Nougat und Kokosfleisch aufgefangen.

Mund: Der Antrunk ist trocken, dabei natürlich süß und mit ausgesprochen viel Frucht ausgestattet. Kirschen, Aprikosen, helle Rosinen, das geht schon ins Kompottartige über, bleibt aber streng und klar im Mundgefühl, mit wirklich sehr deutlicher Bitterkante, insbesondere im Verlauf, wenn Anis und Estragon zusammen mit Kampotpfeffer und aromatischem Piment erscheinen. Ein aromatisch sehr exotischer Mittelbau, weiterhin sehr klar strukturiert, mit edler Mineralität, und dazu ausgeprägter Salzigkeit. Der Alkohol wirkt hervorragend eingebunden, zeigt sich nur in feiner, aber ausdauernder Wärme, die lange anhält und mit der wirklich extremen Fruchtbittere den Nachhall dominiert, in dem dann Eukalyptus lange mitklingt.

Ganz anders als der jüngere Verwandte, viel balsamischer und grüner, drahtiger und schlanker, ohne an Aromendichte zu verlieren, dafür Struktur gewinnend. Wie ein Tour-de-France-Fahrer im Vergleich zu einem Gewichtheber, irgendwie.


In 13 Jahren kann viel passieren, wie man hier sieht. Das ist einer der schönen Sachen an der analytischen Verkostung von Spirituosen – man bekommt einen Eindruck davon, wie viele Variablen einstellbar und Schräubchen da drehbar sind, bevor ein Brand im eigenen Glas landet. Und man wieder immer wieder überrascht.

Offenlegung: Ich danke Wet Drams für die kosten- und bedingungslose Zusendung dieser Armagnac-Samples.



Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.

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