Ich bereite mich gedanklich gerade darauf vor, am Wochenende als Juror bei den German Whisky Awards 2025 teilzunehmen. Die Prüfung der eingereichten, ausschließlich aus deutschen Landen stammenden Whiskys findet Ende März in der Whiskywelt Burg Scharfenstein statt, in Thüringen. Ich freue mich erstens auf die Produkte, und bin gespannt, was mir da im Glas serviert wird, aber zweitens auch darauf, ein paar Bekannte wiederzutreffen, die man nur hin und wieder sieht. Die Ergebnisse des Wettbewerbs teile ich euch garantiert auch mit, deutscher Whisky hat ja durchaus genug Eigenständigkeit in Bezug auf die Aromatik, dass sich das für jeden lohnt – in Bezug auf Qualität muss sich Deutschland natürlich längst nicht mehr hinter den klassischen Whiskyländern wie Schottland, den USA oder Japan verstecken.
Gedanklich muss man sich auf so besondere Events natürlich schon vorbereiten, ich kombiniere das aber auch damit, meinen Gaumen ein bisschen zu üben mit einem sehr spannenden Exempel, was Whisky in Deutschland heutzutage bedeuten kann: dem Blood Moon Finest German Single Rye Whisky. Er wird aus gemälztem Roggen gebrannt, und erfährt dann eine Nachbehandlung vom Feinsten – eine „double maturation“, zuerst 5 Jahre im Ex-Amarone-Rotweinfass, danach noch ein zusätzliches Jahr im Ex-Cabernet-Sauvignon-Rotweinfass, also die volle Rotweindosis für den Whisky. Das erfolgt im Single-Cask-Verfahren, und zwar im echten Wortsinn. Nicht nur, dass es sich dabei also nicht um einen Blend handelt, hat Sebastian Büssing, der unter dem Firmennamen The Spirits Alchemist diese Abfüllung verantwortet, wirklich nur ein einzelnes Fass benutzt. Entsprechend gibt es nur 51 Flaschen davon, Nummer 20 habe ich zuhause. Natürlich wird so ein Whisky nicht kaltfiltriert oder gefärbt, insbesondere letzteres ist auch gar nicht nötig, wie wir gleich sehen werden.
Ich sehe ein dunkles, kräftiges, leuchtendes Haselnussbraun, mit einem leicht rötlichen Einstich. Das Eingießen macht schon Lust, da spürt man, wie die Flüssigkeit viskos aus der Flasche ins Glas schwappt; und wenn man dieses dann dreht, bildet sich ein fetter Beinteppich.
Der erste Geruchseindruck ist erstmal Lack und Klebstoff, nicht auf eine unangenehme Weise, sondern spannend, weil er nicht sticht oder kratzt. Sofort darunter kommt feuchtes Holz, kombiniert mit einer milden Nussigkeit, die mich mehr an aufgeknackte Bucheckern erinnert als an klassische Nüsse. Eine schwere Getreidenote findet sich, die die Basis unter all dem bildet. Ein wirklich interessantes Geruchsbild, ungewohnt, aber sehr unterhaltsam.
Die Öligkeit, die man gesehen hatte, spürt man dann in der Textur am Gaumen, fett und dicht, voluminös expandierend, das liegt fast wie Sirup im Mund. Direkt im Antrunk wirkt der Whisky süß, auf eine sehr natürliche Weise, doch im Verlauf bilden sich Gegengewichte heraus, die die Verkostung dann übernehmen: pikante Würze, schwarzpfeffrig, die eine kardamomähnliche Kühle mitbringt; das Holz, das sich zusammen mit der Rotweinvorbelegung sehr bemerkbar macht und gleichzeitig nichtastringierende Trockenheit beisteuert; und dann sehr aparte, wuchtige und ausgeprägte Gewürznoten aus Nelken, Piment und Muskatnuss. Den Roggen muss man separat erwähnen, er definiert das Bild von vorne bis hinten, beeindruckend und kraftvoll. Der Alkohol ist perfekt eingebettet, er gibt zusätzliche Stärke und steuert die Länge, an einem Schluck hat man durchaus lange was. Im Nachhall kommt noch ganz vorsichtig Jasmin dazu, die Gewürze und das Holz bleiben aber dominant.
Ein starker, aromatischer, unterhaltsamer Whisky, der sich nicht versteckt. Handwerklich top gemacht, rund und sauber, und trotzdem spürt man die unterschiedlichen Einflüsse des Roggen, des Holzes, und des Rotweins. Das trinkt sich zugegebenermaßen nicht einfach, aber hin und wieder will man auch was, was nicht easy drinking ist!
Der Blood Moon tut entsprechend auch einem Cocktail gut, schon allein die Struktur wird über ihn verbessert, der Geschmack weiterhin. Man beobachte dies im The Slope: Amaro und Aprikose geben noch ihre jeweiligen Stärken dazu, das Ergebnis ist ein starker Drink, der einem so einiges zu denken gibt.
The Slope
2½oz / 75ml Rye Whiskey
¾oz / 23ml Amaro
¼oz / 7ml Aprikosenlikör
1 Spritzer Angostura
Auf Eis rühren.
[Rezept nach Julie Reiner]
Die kleine, bauchige Apothekerflasche, in der der Blood Moon Rye abgefüllt wird, liegt gut in der Hand, punktet natürlich hauptsächlich über das vieldetaillierte Etikett. Neben der ansprechenden Illustration vergisst man die Informationen nicht, die teilweise handschriftlich in vorgesehene Lücken eingetragen sind, das ist ja immer sehr charmant und beweist mit, dass hier keine Massenproduktion am Laufen ist, sondern jede Flasche mal in einer Hand lag.
Sebastian Büssing macht immer wieder mal solche winzigen Auflagen, bei denen man wirklich besondere Abfüllungen erhält, die nur wenige Menschen auf der Welt probieren können, zu vernünftigen Preisen. Ich finde das toll, das Engagement ist hier aber auch gepaart mit offensichtlichem Können, und da beides vorhanden ist, empfehle ich bedingungslos, sich die Abfüllungen von The Spirits Alchemist anzuschauen und zuzulegen. Ich hoffe, er hat auch ein paar Flaschen seiner besonderen Produkte bei den diesjährigen German Whisky Awards eingereicht, ich würde mich freuen, die dort probieren zu dürfen.


