Am letzten Abend von Spirits Selection by CMB 2024, das in Guizhou in China stattfand, dachte man sich, komm, laden wir die 100 Langnasen aus aller Welt noch schnell in einer Shopping Mall ab. Das war ein Erlebnis! Weniger für uns allerdings als für die großen Gruppen von Chinesen, die diese Gelegenheit nutzten, mal ein paar Ausländer aus nächster Nähe sehen zu können. Da wurden auf der Straße Freundschaften geschlossen, gemeinsame Fotos geschossen, einem Kinder dafür auf den Arm gedrückt und man angeschaut, als ob man vom Mars käme. So oft sieht man als Einwohner von Guizhou offenbar nicht Fremde, und man hat viel weniger natürliche Scheu als in Europa, diesen Mangel für sich zu beheben. Das klingt wie ein abgedroschener Quatsch, in der globalisierten Welt von 2024, doch die Wahrheit, das erfahre ich oft auf Reisen in abgelegenere Weltregionen, sieht tatsächlich so aus. In China kann man das noch erleben, doch wohl fühlt man sich als vorgeführtes Zootier nicht. Nun, in der Shopping Mall sollten wir einfach nur die Gelegenheit haben, ein paar Souvenirs zu kaufen; ich habe mir eine auffällige Dose Bier geholt, weil mir das Design so gefallen hat. Nun probieren wir es, das Jintaishan aus Weifang (Shandong), das aus Gersten- und Weizenmalz, Hopfen und Rohweizen hergestellt wird und 4,3% Alkoholgehalt aufweist.
Das Öffnen der Dose ist schon an sich ein Trip in die Vergangenheit – der Abreißverschluss der großen 1-Liter-Dose wirkt inzwischen sehr ungewohnt. Danach gießt man ein, das Bier wirkt in seinem Ockerton deutlich trüb, baut praktisch nie wirklich Schaum auf, Perlage ist passend dazu nur in kleinen Mengen vorhanden.
Geruchlich gibt es nur Anflüge zu entdecken, ein bisschen Malz, ein bisschen Gerste, ein bisschen Grapefruit, ein bisschen Metall. Aber, wie gesagt, alles nur in homöopathischen Dosen, da braucht man etwas Fantasie und Erfahrung mit so leichten Bieren, um das wirklich wahrzunehmen.
Die Textur ist weich, deutlich voller als erwartet, mit einem angenehmen, milden und runden Mundgefühl, das Süße und Säure schön gegeneinander aufwiegt, mit leichter Tendenz zum ersteren, und auch trotz des optischen Eindrucks schon frische Rezenz aufweist. Das liegt gut im Mund, ja, aromatisch hat das Jintaishan aber am Gaumen ebensowenig zu bieten wie in der Nase oder fürs Auge. Irgendwo zwischen einem Hellen und einem Weizenbier würde ich das verorten, aber definitiv bei beiden eher eine unspannende Variante. Der sehr kurze, mildbittere Abgang fügt sich in dieses Gesamtbild ein.
Nun, ich habe es natürlich, wie gesagt, wegen der Dosengestaltung als Erinnerung an einen faszinierenden Ausflug in die chinesische Supermarktwelt gekauft. Und dafür taugt es wirklich gut. Niemand muss mich allerdings um das Bier selbst beneiden!

