Schwarz und schwer – Wood’s 100 Old Navy Rum

Wood's 100 Old Navy Rum Titel

Man liest es hin und wieder in Cocktailrezepten: „black rum“ oder „blackstrap rum“. Der Laie zuckt mit den Schultern und nimmt einfach einen gut gereiften, kräftig gefärbten Rum her und denkt sich nichts dabei, der Cocktailaficionado recherchiert und sucht verzweifelt nach dem „echten“ Produkt, das damit gemeint ist. Nun, ersteres ist sowohl für den Geldbeutel als auch für die geistige Gesundheit das empfehlenswertere Vorgehen, denn bei letzterem Prozess ist es extrem wahrscheinlich, dass man am Ende nur den Marketingfantasien mancher Hersteller auf den Leim gegangen ist und dann trotzdem mit demselben Ergebnis dasteht wie bei dem einfacheren Vorgehen. „Black strap molasses“ ist schließlich keine geheime, seltene Zutat. Melasse kann man in unterschiedlichen Extraktionsstufen erwerben, und black strap ist schlicht eine gewöhnliche Art Melasse, die einfach ganz am Ende des (meist dreistufigen) Zuckerextraktionsprozesses steht. Der Geschmack ist hier bei nur noch ungefähr 45% Zuckergehalt natürlich ein anderer, bitterer und salziger, als bei Zuckerrohrsirup oder „gewöhnlicher“ Melasse, die immerhin noch rund 70% Zucker enthält. Der Witz ist – diese süßere Melasse wird meist für andere Zwecke verwendet als für Rum. Ein Großteil des Melasserums nutzt bereits eh schon zumindest teilweise die Endstufe, womit wir wieder bei der Diskussion des Eingangssatzes meines Artikels wären: Viele „blackstrap rums“ sind im Endeffekt deswegen normale Melasserums, die einfach stark gefärbt und/oder mit Melasse versetzt werden, um in einer Pseudokategorie verkauft werden zu können.

Stark dunkle Rums sind also keine echte Kategorie für sich. Wer sich den Wood’s 100 Old Navy Rum allerdings so anschaut, erkennt sofort, warum man sich hier gern abgrenzen möchte, doch wir versuchen nun einfach, nicht direkt darauf hereinzufallen, und den Rum nicht aufgrund seiner Farbe, sondern seiner tatsächlichen intrinsischen Qualitäten zu betrachten. Thefatrumpirate hatte bei einem Tasting mitgemacht, bei dem die Bestandteile dieses Blends in die bei DDL genutzten Marques aufgeschlüsselt wurde, und er erwähnt SVW, SV und REV, in absteigenden Mengenanteilen. Besonders letzterer ist bei den Nerds ein geschätzter und gesuchter Marque; er wird in der traditionellen Versailles Single Pot Still, die aus Greenheart, dem lokalen Hartholz in Guyana gemacht ist, destilliert. Bis zu 3 Jahre werden die Einzelbestandteile gereift vor dem Blenden, und schließlich mit Wasser auf ordentliche 57% Alkoholgehalt eingestellt – auf dem Etikett bezeichnet man diese Stärke als „Export Strength“ und nutzt die Verbindung mit dem Schlüsselwort „Navy“ und dem Titel „100“, um auf das alte englische Navy-Proof-System hinzuweisen; dies ist ein Minenfeld, denn die Definitionen dafür haben sich über die Zeit und Regionen gewandelt, die Experten gehen sich fast an die Gurgel, wenn es darum geht. Wir lassen sie erstmal diskutieren, und probieren erstmal das Endergebnis, das nun endlich nach viel Theoriediskussion in meinem Verkostungsglas landet.

Wood's 100 Old Navy Rum

Über die reine Natürlichkeit der tiefbraunen Farbe brauchen wir wohl nicht wirklich zu diskutieren, da wurde definitiv mehr als nur ein bisschen nachgeholfen, denn bei dem Alter der Blendteile kommt nie sowas Dunkles raus. Der sonst übliche Verdächtige, Zuckerkulör (E150), wäre sicherlich alleinstehend zu einfach gedacht, denn bei dieser Art von Rum werden oft die Fässer innen mit Melasse bestrichen, bevor sie befüllt werden. Wahrscheinlich wurde hier so vorgegangen.

Es ist zu erwarten, dass hier ein bunter Reigen an Eindrücken auftauchen wird, bei der Herstellungsweise. Als allererstes finde ich mal Pattex, das ist für mich gar kein schlimmer Geruch, seit meiner Jugend mag ich das eigentlich, und in Spirituosen finde ich das durchaus attraktiv. Danach kommen Gerüche, die andere vielleicht auch ansprechender finden, zum Beispiel natürlich deutlich Melasse und Dörrpflaumen, aber auch sehr vegetabile Noten von Fenchel und Sojasauce, sicherlich sogar ein nicht unerheblicher Anteil von Liebstöckel und Maggiwürze. Etwas Lakritze ist definitiv auch dabei, etwas trockenes Holz, feuchte Baumrinde und etwas Kaffee. Man sieht, gar nicht unkomplex, wäre da etwas mehr Volumen, wäre ich begeistert, so bin ich zumindest recht zufrieden.

Wood's Old Navy Rum Glas

Im Antrunk bleibt der Wood’s zunächst erstaunlich still und zurückhaltend, sowohl was Effekte als auch Aromen angeht. Er braucht etwas, um sich zu entwickeln, das erkennt man schnell, selbst wenn die Textur von Anfang an durchaus voll und kräftig wirkt. Es bildet sich nur eine Spur von Süße heraus, der Rum ist erkennbar trocken und würzig, deutlich salzig sogar, dazu mit ordentlich Umami-Eindrücken. Vegetabile und holzige Noten überwiegen alles, Süßholz und Zedernholz, mit einem sehr angenehmen Pinienzapfengeschmack, der noch mit gut Harz versehen ist. Frucht ist nur als Trockenobst da, Pflaume, Aprikose, dunkle Rosinen. Die 57% Alkoholgehalt spürt man, aber eher als kribbelnde Wärme auf der Zunge und im Rachen denn als scharfes Brennen. Die Zunge wird dennoch gut anästhesiert, und liegt dann mentholisch kalt im Mund. Ein balsamischer und grünlich wirkender Rum, ohne Zweifel, der im Nachhall extrakalt wird und mit leichtem Latschenkieferaroma endet.

Mir gefällt das grundsätzlich, natürlich könnten die beteiligten Rums doch etwas mehr Reife vertragen, ohne Frage. Doch zum Purgenuss ist das meines Erachtens eh nicht wirklich gedacht, sondern als Zutat in mixed drinks, und in dieser Rolle macht der Wood’s 100 wirklich richtig was her.


In einem Sidewinder’s Fang, einem alten Tiki-Klassiker aus den 60ern, braucht man einen „black rum“, und der Wood’s scheint mir perfekt geeignet. Das besondere und namensgebende an diesem Drink ist die fast einen halben Meter lange Orangenzeste, in Schlangenform geschnitten. Es ist gar nicht so einfach, sie innen im Glas so anzulegen im Eis, dass man sie von außen richtig sieht. Neben dem Optischen passt der Name des Drinks jedoch auch zum Geschmack – das ist zwar zunächst fruchtigsüß, hat aber dann einen echten Säurebiss.

Sidewinder's Fang Cocktail

Sidewinder’s Fang
1oz / 30ml „black“ Rum
1oz / 30ml gereifter Rum
1½oz / 45ml Limettensaft
1½oz / 45ml Orangensaft
1½oz / 45ml Passionsfruchtsirup
3oz / 90ml Seltzer
Auf Eis blenden. Mit einer langen Orangenzeste auf Eis servieren.

[Rezept nach Lanai Restaurant, San Mateo]


Eine Literflasche ist bei Spirituosen eher selten in der EU, aber erlaubt. Schwungvoll mit dickem Hals, das liegt gut in der Hand, und das Etikett hat einen gewissen Seemannscharme, dem ich mich gar nicht entziehen will, auch wenn die Illustration ein bisschen Kitsch ist. Man sieht jedenfalls, dass dies nicht als Nerdrum vermarket wird, sondern an die, die sowas wirklich benutzen – und ich zähle mich gern dazu. Neben dem oben vorgestellten Cocktail geht ein Großteil so einer Literflasche bei mir zuhause in Rum & Cola drauf, denn es gibt kaum einen anderen Rum, der in dieser Kombination besser funktioniert. Neben dem Geschmack erzeugt der Wood’s mit Cola eine ganz faszinierende Textur, die ich mir nicht so recht erklären kann, die ich aber sehr genieße. Allein dafür ist der Wood’s 100 schon ein beständiger und eigentlich nicht wegzudenkender Dauergast in meiner Heimbar.

Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.

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