Bacardí, ein Name, den jeder kennt, den man je nach Hintergrund entweder mit einem sehr eingängigen, einschmeichelnden und fernwehweckenden Song verbindet – oder mit billigem, geschmacksarmem und wenig anspruchsvollem Supermarktrum. Dazwischen gibt es eigentlich kaum Spielraum, und ich persönlich schwanke selbst auch immer wieder zwischen diesen Extremen. Natürlich ist dem Hersteller die Massenproduktion offensichtlich wichtiger als ein eventueller guter Ruf, sonst würde man ja andere Produktions- und Verteilungsmechanismen wählen. Ist ja auch nicht schlimm, sie fahren, wenn man die Verkaufszahlen und -mengen anschaut, ganz klar gut damit, und auf die Anerkennung von ein paar lästigen Rumaficionados kann man ja gut verzichten, wenn man dafür im Geld schwimmen kann. Doch die pure, ironietriefende Schwarzweißmalerei tut dem global agierenden Unternehmen teilweise auch Unrecht, was man sehr gut am Bacardí Ron Superior Heritage 44,5% demonstrieren kann.
Je nachdem, in welchem Shop man sucht, findet man für diesen Rum die Herkunftsländer Jamaica, Mexiko, Bahamas, Puerto Rico und Bermuda. Eins weiß man vorab, auch wenn das Land als Wort natürlich dauernd fällt – aus Kuba kommt er definitiv nicht. Eine Seite, die ich auf der Recherche fand, formuliert die Situation bezüglich Bacardí am besten: „Der Rum ist vaterlandslos.“ Hat man die Flasche aber dann in der Hand, findet sich auf dem Rücketikett tatsächlich die Klärung für diese spezielle Abfüllung: „Hecho en Mexico“ steht da. Wie gesagt, alle oben aufgezählten Orte sind oder waren einst Produktionsstätten für Bacardí-Rum, bei der Menge, die davon getrunken wird, reicht eine Brennerei schlicht halt nicht aus, und die Marke an sich ist dabei eben wichtiger als irgendwelche Terroir- oder Stilgegebenheiten. Skeptisch und mit diesen Vorbehalten gießen wir uns ein Glas davon ein.

Keine Fehler findet man in der kristallklaren Flüssigkeit, die schwer im Glas schwappt, wenn man es bewegt. Es bildet sich ein fetter Film an der Glaswand, der sich nur widerwillig in Beinchen auftrennt, um dann abzulaufen.
Sehr blumig in der Nase, ganz unerwartet aromatisch – man erkennt die typischen Noten eines hochdestillierten Rums, doch hier ist tatsächlich noch etwas mehr, der Bacardí ist keinesfalls neutral. Deutliche Gewürztöne von Sternanis und Kardamom, etwas Muskatnuss und viel Kokosfleisch. Dazu kommt milde, eher unterschwellige Frucht aus bitteren Limetten und duftendem Zitronengras. Letzteres geht dann in florale Noten von Lavendel und Rosmarin über. Durchaus komplex, dabei immer elegant und leicht, alle geschilderten Eindrücke sind eher Düfte als Gerüche, da wird nicht gedrängelt.
Das setzt sich im Mund fort, die Kokosnuss ist hier sehr präsent, gefüttert von schönen, milden Fruchtnoten, nicht in die esterige Richtung, mehr frisch und hell. Auch hier dann weiterhin die herrliche Blumigkeit, die sich im Verlauf aufbaut. Von der Textur her ist der Bacardí Heritage voll und breit, unerwartet körperlich, fast schon schwer. Klar süßlich zunächst im Antrunk, im Verlauf dreht sich das eher in eine mildsäuerliche Richtung, ohne zitrisch zu werden. Leichte Anflüge von Limettenzeste und Amalfizitronenschale sorgen für Frische. Der Abgang ist mildtrocken und ebenso mild bitter, dabei rund und vorsichtig umami, und schließlich noch mit entschiedener Ingwerschärfe, die sich lange auf die Zunge legt und sie zum Prickeln bringt. Mit langem Schokoladen- und Kokosnachhall endet der Rum, er bleibt wirklich sehr überraschend ausdauernd am Gaumen präsent.
Ein wirklich ausgesprochen schöner Rum, der zeigt, dass „weißer Rum“ – heutzutage ist das eigentlich keine ernsthafte Kategoriebezeichnung mehr, ich bevorzuge die Bezeichnung „ungereifter Rum“ – nicht immer flach und langweilig sein muss, nur für tropische Drinks in Saft und Zucker ertränkt geeignet. Nein, der Bacardí Heritage hat Komplexität, Struktur und Eleganz. Ein toller Rum, der die oben geschilderten Vorbehalte pulverisiert.
Man muss nicht abdanken, um den Four W Daiquiri genießen zu dürfen, auch wenn er nach dem (weiblichen) Grund des Thronverzichts des britischen Königs Edward VIII. benannt ist – obwohl der Mann offensichtlich Prioritäten setzen konnte. Gerade für alle möglichen Daiquiri-Varianten ist der Heritage ein nahezu perfektes Einsatzgebiet, da zeigt er sich von seiner besten Seite, ganz ohne Schwächen.

Four W Daiquiri
2oz / 60ml ungereifter Rum
1½oz / 45ml Grapefruitsaft
¾oz / 23ml Ahornsirup
2 Spritzer Aromatic Bitters
Auf Eis shaken.
[Rezept nach Herb Smith und Simon Difford]
Die Flasche ist sehr ähnlich der normalen Supermarkt-Billigmarke gestaltet, da gilt es, Augen beim Kauf aufzuhalten, der Hauptunterschied liegt im aufgedruckten Alkoholgehalt; letztlich gefällt mir die Gestaltung in ihrer schlichten Eleganz, das passt einfach gut zum Rum, der in der Flasche enthalten ist. Es gibt auch eine Ausgabe mit aufwändiger Geschenkbox, das sind aber Gimmicks, die man nicht unbedingt braucht.
Für den Preis von unter 25€ ist das Preisleistungsverhältnis beinahe kaum vorstellbar – hier zahlt sich die Produktionskapazität von Bacardí dann halt auch für den Endverbraucher aus. Ich für meinen Teil denke stark darüber nach, mir noch 2 oder 3 Flaschen davon zu holen, denn es handelt sich um eine limitierte Auflage, und ich habe sehr viele Verwendungszwecke für einen derart charmanten und dennoch unaufgeregten Rum.
