Schaumwein hat ähnliche Regelungen wie Wein und Spirituosen, das ist irgendwie selbstverständlich. Für Champagner weiß es eigentlich jeder, dass nur ein Schaumwein aus der Region Champagne so genannt werden darf, als offensichtlichste Ausprägung eines Beispiels einer solchen Regel. Cava dagegen ist ein spanischer Schaumwein mit geschützter Produktionsmethode, und natürlich hat auch Italien seine Variante – den Prosecco, für den beides gilt. Denn auch diese Bezeichnung darf nicht wahllos auf jede Sektflasche geschrieben werden, nur Schaumwein aus eingegrenzten Gebieten darf so genannt werden, und er muss nach Vorschriften aus der Rebsorte Glera gemacht sein. Diese Rebsorte hieß früher selbst „Prosecco“, und auch heute noch verwenden viele Winzer und Brenner, wenn man informell mit ihnen redet, dort die alte Bezeichnung, einfach, weil sie daran gewöhnt sind; „Glera“ ist erst seit etwas mehr als einem Jahrzehnt die offizielle rechtliche Bezeichnung. Um 2010 änderte sich die italienische Rechtsprechung bezüglich Prosecco grundsätzlich, die Qualitätsstandards wurden massiv erhöht, so muss die gesamte Produktion heutzutage im Anbaugebiet stattfinden und darf nicht mehr teilweise ins Ausland verlagert werden – man will damit die Marke schützen, statt sie in billigen Abfüllungen ohne Wert zu verheizen. Eine kluge Entscheidung, wenn es auch weiterhin noch etwas dauern wird, bis dieses neue Selbstbild des Prosecco in den Köpfen der Schaumweintrinker angekommen sein wird.
Der Bottega Gold ist ein Prosecco aus dem Herzen der Region, die diesen Schaumwein herstellt, mitten im Veneto zwischen Conegliano und Valdobbiadene, nicht einmal 50km von Venedig entfernt. Die Proseccos aus diesem Kerngebiet gelten als die besten, haben einen noch über das Standardmaß hinaus erhöhten Schutzstatus. Wer sich dafür interessiert, achte beim Kauf darauf, dass auf dem Vorderetikett die Schlagworte „Valdobbiadene“ oder „Conegliano“ zu finden sind. Er ist natürlich zu 100% aus Glera-Trauben gemacht, hat einen Alkoholgehalt von 11% und trinkt sich mit ungefähr 8°C am besten, sagen die Winzer vor Ort, und halten sich selbst daran, wenn sie Flaschen öffnen – ich habe dort keinen warmen Prosecco bekommen, obwohl ich während des Aufenthalts zusammen mit den anderen Juroren von Spirits Selection by CMB 2023 in der Region Treviso viele, viele Liter davon getrunken habe.
Das laute Plopp beim Ziehen des Korkens (der von einem Drahtnetz gehalten werden muss) ist ein wunderbares Geräusch. Ebenso das knisternde Zischen, wenn man den Prosecco ins Glas gießt. Sehr kräftiges Mousseux ist lange vorhanden, man sieht es in der strohfarbenen Flüssigkeit, und hört es, wenn man genau lauscht. Dadurch bleibt auch lange ein halber Finger Schaum im Glas.
Die Nase ist traubig, mostig, dabei elegant leicht und frech. Ein bisschen Hefe riecht man, aber die sanfte Fruchtigkeit der Glera-Rebsorte ist immer da. Mildbitter, leicht apfelig, ein Anflug von Quitte oder herber Birne. Ich suche hier gar nicht nach dramatischen Aromen, es ist die Frische, die luftige Frucht, die ich an einem guten Prosecco schätze.
Was ich im Veneto gelernt habe – der Prosecco ist kein Getränk, das man lange exploriert, über das man viel im Mund nachdenkt, oder das man für seine komplexe Struktur schätzt. Nein, das trinkt man als Sprudelersatz bei jeder Gelegenheit. Entsprechend funktioniert so ein Prosecco auch, und dies sind die Aspekte, die man betrachten muss, und ich schaue mal, wie sich der Bottega Gold hier schlägt. Frische? Hervorragend, sowohl durch passende Säure als auch knackige, aber nicht kantige Bittere. Gut gekühlt natürlich, das ist Vorbedingung. Angenehm am Gaumen? Großartig, die Frucht bringt das Interesse, eine freche, aber dennoch mit einer guten Grundsüße ausgestattete Textur mit diesem kitzelnden Prickeln sorgt für Kurzweiligkeit. Sauberkeit? Die Trauben sind erkennbar, aber nicht hocharomatisch, sorgen eher für stringente Linearität, lassen aber noch genug Raum für einen Anflug von verspielter Mediterranität. Säure klärt den Gaumen, erfrischt ihn, macht Spielraum für das folgende Essen.
Ich habe Prosecco früher nicht verstanden und ihn als Tussengetränk abgetan (man vergebe mir meine Ausdrucksweise). Inzwischen versuche ich, immer mindestens eine Flasche davon, auf Augenhöhe neben einer Flasche Champagner, im Kühlschrank zu haben, für die Momente, wo ich einfach Durst habe und Prickelwasser trinken will. Und etwas wie der Bottega Gold ist dann für besondere Anlässe reserviert.
Es mag jetzt furchtbar offensichtlich klingen, was ich als Rezept für den Bottega Gold vorschlage – doch der Bellini ist einfach eine Ikone Nordostitaliens, seit seiner Erfindung im Jahr 1945 hat er alles überlebt, was sonst so an Spritzes und Trenddrinks auf den Flaniermeilen von Venedig bis Tokyo serviert wurde, und er ist einfach ein unkomplizierter Drink (in der Zubereitung mit frischen Pfirsichen dann sogar gar nicht so unaufwändig, wie man denken mag!). Wem in der späteren Jahreszeit die frischen Pfirsiche ausgehen, dem empfehle ich eine Mischung aus Pfirsichmousse aus dem Glas und frischen, weißen Pflaumen.
Bellini
2oz / 60ml Püree aus weißen Pfirsichen
⅓oz / 10ml Pfirsichlikör
¼oz / 7ml Zitronensaft
Auf Eis shaken. Doppelt in eine Sektflöte abseihen, dann mit Prosecco aufgießen.
[Rezept nach Giuseppe Cipriani]
Die in Goldfolie eingeschlagene Flasche macht natürlich extremst was her, damit kann man überall punkten, insbesondere, weil das hochwertig gemacht ist und an keiner Stelle billig wirkt und nicht abzupuhlen ist. Korken und Drahtkorb sind bei so einem Schaumwein natürlich Pflicht.
Anbei nun noch ein paar Eindrücke vom Ort, wo dieser Prosecco hergestellt wird (dort wird auch Grappa und Gin gemacht, daher die Bilder der Destillierapparate, die man für Prosecco natürlich nicht braucht). Ein richtig schöner, sonniger Nachmittag war das im Spätsommer im Veneto, mit einem Spaziergang durch Weingärten und einem Umtrunk im Hof dieser venezianischen Villa auf dem Land.






Nun, seit diesem Ausflug nach Italien bin ich jedenfalls ein großer Prosecco-Fan geworden, und habe inzwischen auch eine Ahnung bekommen, was guten Schaumwein ausmacht. Die italienische Lebenskultur gewinnt einfach immer, wenn man ihr nur ein bisschen Raum einräumt, da kann man nichts dagegen machen. Und ich wehre mich schon lange nicht mehr dagegen, von unerwarteten Spezialitäten überzeugt zu werden, Prosecco ist nur der neueste Eintrag in der Liste der Genussmittel, die ich nicht mehr missen möchte.


