Es ist seit langem geschätzte Tradition und Praxis, Spirituosenabfüllungen einen klingenden Codenamen zu geben, statt sie mit einfachen technischen Details zu überfrachten; gerade zum Beispiel Foursquare hat dies nochmal für Rum auf ein neues Niveau gehoben. Da bekommen die Batches dann Namen wie Criterion, Tryptich, Shibboleth oder Isonomy, bei denen man oft erstmal nachschlagen muss, was die Vokabel überhaupt bedeutet. Andere Hersteller nutzen diesen Mechanismus ganz selbstverständlich ebenso, wie beim Mauricia L’Intendance Pure Cane Rum von Grays Distilling auf Mauritius. Die namensgebende „Intendance“ ist der französische Name für den Ficus microcarpa, hierzulande bekannt als Chinesische Feige und in sehr viel kleinerer Form eine gern gesehene, mit ihren dicken Wurzeln jeder Wohnung ein exotisches Flair gebende Dekopflanze – auf Mauritius mit seinem tropischen Klima im indischen Ozean wächst diese zu gigantischen Ausmaßen heran und dient mit ihrer breiten Baumkrone gerne als Schattenspender auf den diversen Domaines der Insel.
Herstellungsdetails sind in dem kleinen Hänger um den Flaschenhals erläutert, auf englisch und französisch. Ich gebe das mal knapp wieder: Zuckerrohrsaft wird für 32 bis 36 Stunden fermentiert. Dann wurde im April 2019 in drei Schritten in einer Kupferpotstill destilliert und geblendet. Nach diesem Prozess hat man einen Rum mit 69,6% Alkoholgehalt, der sich dann 30 Monate in einem Edelstahltank setzen darf und am Ende auf die hier präsentierte Stärke von runden 60% eingestellt und auf 740 Flaschen gezogen wird. Klingt alles schonmal gut und durchaus exklusiv; 2022 bekam der Rum beim internationalen Spirituosenwettbewerb Spirits Selection by Concours Mondial de Bruxelles dann noch die höchste Auszeichnung, die Grand Médaille d’or – da kann die nun folgende Verkostung ja nur gut verlaufen.
Vollständig transparent und ohne Partikel jeder Art finden wir den L’Intendance dann endlich im Glas. Bewegungsfreudig und schwungvoll wirkt er da, ein flächiger, strukturierter Teppich an Resten bleibt an der Glaswand haften und macht das Glas für eine ganze Weile schlierig.
Bereits beim Eingießen macht der Rum sich breit, weit über das Glas hinaus, und man muss sich mit der Nase nur auf 30cm nähern, um schon eine volle Breitseite von Zuckerrohrsaftaromen, grasig-grünen Eindrücken und sehr schwerfloralen tropischen Blüten nach einem kurzen Regen abzubekommen. Gerade letzteres ist sehr frappant, und macht den Rum einerseits elegant, andererseits aber überhaupt nicht parfümiert-fragil dabei, sondern gibt ihm einen tiefen, dichten Körper. Frisch vom Baum gefallene Mango, mittelreife Guave und etwas grüne Banane machen den Tropenmix vollständig, das ist wirklich ausgesprochen bezaubernd, wie sehr mich das auf eine Insel mitten im Ozean versetzt. Ein Rum, bei dem ich sehr zufrieden damit bin, einfach nur die 416 g/hlpa an Congenern zu riechen und zu genießen. Grandios!
Im Mund wandelt sich der Eindruck, hier ist zunächst erstmal ein wuchtiger, salzig-maritimer Antrunk vorhanden, der dank des hohen Alkoholgehalts ein bisschen Druck auf die Ohren bringt. Würzig und süß zugleich, voller Vanille, Sternanis, Zimt und Ahornsirup, und das ohne Holzreifungseffekte. Frucht kommt dann danach, Johannisbeere, Kirsche, Vogelbeere, das geht hier für ein paar Momente fast ins Obstwasser über, vielschichtig dabei, und immer mit dieser schweren, leicht bitteren Süße. Im Abgang kommt die grüne Komponente hervor, frischer Blattschnitt, Zuckerrohr, beinahe ins Kräuterige abschweifend, Agave und Olive als Beiklang, großartige Komplexität. Die Textur ist fett und superölig, und trotz des Alkoholgehalts extrem weich und zart, nicht mal ein Anflug von Brennen oder Zwicken ist da, das fließt wie Honig über die Zunge und den Gaumen. Die Floralität kommt im Nachklang nochmal vor, zusammen mit der Kirsche und der schwarzen Johannisbeere, und hallt mit abwechselnd warmen und kalten Effekten und schöner Mineralität sehr lange nach.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich anderweitig schonmal einen so einerseits aromatisch vollwuchtigen und andererseits gleichzeitig so zartflauschigen Rum im Glas hatte. Kaum zu glauben, wie gut diese zwei Aspekte zusammenspielen. Mir gehen langsam die Worte aus, ohne in überschwängliche Superlative abzugleiten – darum belasse ich es nun dabei. Ein perfekter Rum in jeder Beziehung, mit das beste, was ich bisher in dieser Kategorie getrunken habe – ich unterstütze die Großgoldmedaille bei Spirits Selection mit ganzem Herzen.
Im Cherrycalypto betont man mit dem L’Intendance genau die Aspekte, die ich persönlich an ihm mag – Frucht und Schwere. Und er sorgt im Gegenzug dafür, dass in diesen Drink ein Wumms kommt, der mit einem leichteren Rum nicht erzielbar ist. So wird aus einem bereits so schon sehr guten Kirschdaiquiri eine aromatische Bombe, bei der die Komplexität nicht vergessen wird.
Cherrycalypto
8 frische Kirschen entkernen und muddeln
2oz / 60ml ungereifter Rhum Agricole
1oz / 30ml Kirschlikör
¾oz / 23ml Limettensaft
1 Teelöffel Eukalyptussirup
Auf Eis shaken.
[Rezept nach BeautyBalance]
Ein schöner Rum darf ruhig in einer schönen Flasche serviert werden – hier tut man das ohne Scheu. Die vielfacettige Flasche hat Schwung, sieht einfach großartig aus und liegt dazu noch auch gut in der Hand beim Eingießen. Der Holzstöpsel auf dem Korken passt zum Gesamtdesign, wie auch der in erdig-grünen Tönen gehaltene Anhänger und Geschenkkarton, dessen Illustrationen die namensgebende Pflanze nochmal aufnimmt.
Wer denkt, dass weißer Rum zum Purgenuss nicht taugt und eigentlich nur Mixzutat ist, dass nur fassgelagerte Spirituosen die Reife aufweisen können, die es erlauben, ein Glas davon abends gemütlich am Kamin langsam zu schlürfen, der wird beim Mauricia L’Intendance eines besseren belehrt werden. Ich habe es irgendwie aufgegeben, eine Liste meiner persönlichen besten Spirituosen eines Jahres zusammenzustellen, doch dieser Rum wäre zu hundert Prozent in den Top 3.
Offenlegung: Ich danke FFL Rum Brands für die kosten- und bedingungslose Zusendung einer Flasche dieses Rums.


