Auch unverjüngt gut – Elijah Craig Barrel Proof Kentucky Straight Bourbon Whiskey

Elijah Craig Barrel Proof Kentucky Straight Bourbon Whiskey Titel

Man hat es nicht allzu oft in der Spirituosenbranche – man ist sich recht einig darüber, dass ein Produkt wirklich gut ist und jeden Ansprüchen genügt, egal, aus welcher Geschmacksecke man kommt. Der Elijah Craig 12 Years Kentucky Straight Bourbon Whiskey gehört, so glaube ich, dazu; es gibt kaum einen, der diesen Bourbon nicht mag, und ich sehe kaum negative Kommentare. Ich persönlich habe mich bei meiner Besprechung damals vor mittlerweile mehr als 6 Jahren förmlich überschlagen, und auch rückblickend will ich eigentlich nichts schlechtes über ihn sagen.

Um so erfreulicher ist dann, dass man mit dem Elijah Craig Barrel Proof Kentucky Straight Bourbon Whiskey nun noch einen Schritt weiter hin zum Bourbonnirvana tun kann. Unverdünnt wird das 12 Jahre gereifte Destillat dreimal pro Jahr abgefüllt, in einzelnen Batches, deren Stärke dann natürlich variiert. Mein vorliegender Batch ist B516, das ist ein Code dafür, dass er im Mai 2016 mit 139,4 proof (also 69,7%) Alkoholgehalt als zweite Abfüllung des Jahres in die Flasche kam. Da wartete er nun eine Weile, wird also Zeit, dass er wieder raus darf aus dem Gefängnis – allerdings nur von einem Glasbehältnis (der Flasche) in ein anderes (mein Glas).

Elijah Craig Barrel Proof Kentucky Straight Bourbon Whiskey

Die Flasche verbirgt schonmal nichts – die Farbe ist fast so dunkel wie das Etikett. Gebrannte Siena nennt mein Farbenrad diesen Ton; und da bei Straight Bourbon, wie schon oft erwähnt, keine Färbung erlaubt ist (und auch gar nicht nötig, da die frischen Eichenfässer immer ohne Schwierigkeiten genug davon abgeben), können wir uns im guten Gefühl der Reinheit baden, während wir dem langsamen, schweren Schwappen der Flüssigkeit im Glas zusehen. Ein dicker Film liegt am Glas, der nur schwer in einzelne Beine aufzuteilen ist.

Schnuppern tun wir erstmal ohne Wasserbeigabe, etwas, was unweigerlich folgen wird. Ich kriege eine volle Breitseite an Vanille, Pfirsich, Karotte, Aprikosen, reifer Banane, Butterscotch und ähnlichen süßschweren Eindrücken ab, das ist Bourbon, wie ich ihn liebe, in Reinkultur. Natürlich riecht man wegen der umwerfenden 69,7% Alkoholgehalt auch etwas Klebstoff und Lack, aber das ist erstaunlich zurückgenommen, da hatte ich schon ganz andere Stinker im Glas, mit deutlich weniger Prozenten.

Elijah Craig Barrel Proof Kentucky Straight Bourbon Whiskey Glas

Traue ich mich, davon einen Schluck zu nehmen? Aus Pflichtgefühl für meine Leser, ja. Eine dichte, dicke Süße legt sich im Mund an, nur milde Schärfe, typische Bourbonaromen, aber insgesamt enttäuschend. Ich habe das Experiment schonmal gemacht, darum weiß ich – knapp 70% sind einfach für zumindest meine Geschmacksknospen zuviel, da schmecke ich gar nix mehr. Dafür ist mir dieser Bourbon zu schade, und ich bin ja kein Angeber, der damit prahlen will, wie starkes Zeug er schlabbert, drum kommt Wasser dazu, ein paar Tropfen, ich schätze, ich kriege ihn so auf um die 50% runter, das ist schon eher ein akzeptabler Wert.

Die Nase wird direkt würziger, holziger, aber insgesamt aromatischer und weniger zum Süßen neigend. Und im Mund zeigt sich, dass ich Recht hatte – jetzt explodiert der Elijah Craig geradezu mit würzigen, fruchtigen und mildscharfen Aromen. Immer noch viel Vanille und Karotte, meine zwei Bourbonaromen, die ihn für mich definieren, aber Kardamom, Ingwer, Zimt, eine leichte Nussigkeit spielt auch mit. Salzige und mildsaure Eindrücke wechseln ab, eine volle, cremige Buttrigkeit sorgt für ein tolles Mundgefühl. Aprikose, Pfirsich, Birne – da ist alles drin, was man sich wünschen kann.

Er ist nun gut heiß und kitzelt am Gaumen und der Zunge, was den Abgang einleitet: man kann ihn nachverfolgen, wie er runterrutscht und unten liegenbleibt. Der Nachhall von Karotte und Vanille klingt lange nach, ohne wirklich aufdringlich zu sein, eine leichte Adstringenz saugt mir die Spucke aus dem Mund. Ein großartiger Bourbon, mit Kraft, Wucht und einer unglaublich guten Balance.


Der Cocktail The Tootsie verlangt normalerweise nach gleichen Anteilen Bourbon und Rye. Ich habe einfach die Anteile etwas verschoben, um dem Elijah Craig etwas mehr Prominenz zu verleihen. Wie so oft bei Rezepten außerhalb des Backens muss man nicht alles, was vorgeschrieben wird, auf die Goldwaage legen; oft sind es die kleinen Verschiebungen, die die Individualität eines jeden Drinks dann ausmachen, und kaputt macht man in den allerseltensten Fällen irgendwas. Wer will schon immer das Identische trinken. Ich jedenfalls nicht.

The Tootsie Cocktail

The Tootsie
1 oz kräftiger Bourbon
½ oz Rye Whiskey
½ oz Spiced Rum
½ oz Aprikosenlikör
½ oz Ananassaft
¼ oz Zuckersirup
1 Spritzer Schokoladenbitter
Auf Eis shaken. Auf einem großen Eiswürfel abseihen. 1 Teelöffel Chartreuse darauf floaten.
[Rezept adaptiert nach Kenneth McCoy]


Wie gesagt, meine Flasche stammt aus dem Jahr 2016, damals war die Flasche noch die gleiche, in der man den normalen Elijah Craig damals bekam, auch der große Plastikdeckel auf dem echten Korken war identisch. Heute ist die Flasche einer Verjüngungskur unterzogen worden, das ist dann Geschmackssache, mir gefiel das alte Design eigentlich immer sehr gut.

Das allerbeste am Barrel Proof heute wie gestern ist aber geblieben, nämlich dass man lange an dieser Flasche hat – mit der leichten Verdünnung, die ich angeboten hatte, kriegt man locker einen Liter aus der Dreiviertelliterflasche; alternativ hat man Cocktails mit echtem Bumms. Ich habe mir, als es diesen Bourbon im Angebot in einem lokalen Supermarkt gab (ich war selbst extrem überrascht, sowas dort überhaupt zu finden!), gleich drei Flaschen geholt. Die sollten mir eine Weile aushelfen, wenn die Lust auf starken, wuchtigen Bourbon groß wird.

Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.