Keine Pestizide, keine Enzyme, kein Antischaum und keine Süßung. Das sind Aussagen, wie ich sie liebe – Spirituosen müssen nicht unbedingt mit hochindustrialisierten Methoden hergestellt werden, im Gegenteil, wie bei vielen Aspekten stiehlt man mit Industrialisierung die Seele. Ich will nicht kulturpessimistisch klingen, denn letztlich würde ich hier nicht schreiben und ein völlig anderes Leben führen, gäbe es die Industrialisierung nicht; doch in manchen Bereichen genieße ich es sehr, wenn erkannt wird, dass es auch einfacher, händischer, bodenständiger geht. Besonders spannend fand ich die Erwähnung von Antischaum, etwas, das ich selbst nachschlagen musste, und ein gutes Beispiel dafür ist. „Antischaum oder auch Schaumstopp genannt ist eine wesentliche Erleichterung beim Destillieren und Einmaischen“ schreibt man für bei destillatio.eu für ein solches Produkt, ich wäre interessiert, wenn ein Brenner, der dies hier liest, eine Meinung zu derartigen Hilfsmitteln abgeben könnte.
Gelesen habe ich diese Ausschlussliste auf dem Etikett des Mhoba 2017 FAQ Plastic Pure Single Rum. „Subtraction, not addition“ ist der Wahlspruch dieses Rums, was eben auf die Reduktion der eingesetzten Technologien anspielt. Hergestellt wird er aus dem frischen Saft des Nkomazi-Zuckerrohrs, das auf der hauseigenen Farm im Tal des Crocodile River bei Malelane, Südafrika, wächst. Destilliert wurde er, wie der Name schon sagt, 2017 von Robert Greaves, in einer selbstgebauten Potstill mit hohem Reflux. Danach kommt er für 4 Jahre in Ex-Rotwein-Fässer aus französischer Eiche, und wird dann mit 64,3% Alkoholgehalt auf Flaschen gezogen. Aus Jamaica hat man sich abgeschaut, die chemischen Daten mitauszuliefern, ich gebe die hier wieder, weil ich sowas spannend finde. An Congeners sind 590,9gr/hlpa enthalten, davon sind 344,6gr/hlpa Ester. Man kann sich also allein schon anhand dieser Zahlen vorstellen, dass wir hier keinen gemütlichen Neutralrum vor uns haben werden!
Die Farbe, die die Rotweinfässer abgegeben haben, ist beeindruckend – ein schönes, sattes Terracotta, mit gelbgoldenen Lichtreflexen. Die Viskosität, die sich beim Schwenken des Verkostungsglases zeigt, gefällt ebenso, da bleibt fett was am Glas hängen und dekoriert es für eine ganze Weile, bevor Beinchen langsam ablaufen.
In der Nase sind die Fässer ebenso erkennbar wie mit dem Auge, man riecht sehr deutliche mostige Frucht, frisch zerpresste ganze Trauben, und dazu eine recht präsente Schwefeligkeit. Besonders letzteres ist gefährlich für Rum, finde ich, da nähert man sich schon fast einem sensorischen Fehler an, wenn es übertrieben wird (auf Guadeloupe hatte ich bei Montebello einen weinfassgereiften Rum, der nur noch nach Streichhölzern roch); hier ist es an der Grenze, noch einigermaßen gut eingebunden. Die Kombination von Schwefel und Pattex ist aber nicht ganz einfach, vor allem weil noch so eine „quietschende“ Esternote dabei ist, die ich immer mit getragenen Turnschuhen und Schweiß assoziiere. Unter all den negativ klingenden Eindrücken – ich beschreibe nur, werte hier nicht – findet sich dann noch schokoladige Anflüge von Nougat und Türkischem Honig, und zu guter letzt sogar noch etwas Grüngemüsiges, Gurke und Edamame in etwa. Man sieht, nicht einfach, aber vielschichtig und interessant.
So einige Spirituosen würde ich bei 64,3% Alkoholgehalt nicht pur an meinen Gaumen lassen, bei vielen Rums ist das verrückterweise selten ein Problem. Der Mhoba 2017 zeigt sich diesbezüglich auch völlig ungefährlich, er hat viel Kraft und Wumms, brennt oder anästhesiert aber nicht. Initial ist das Mundgefühl weich und mild, das ist aber nur der Anfang, schnell wandelt sich das zu kraftvoller, schwarzpfeffriger Wärme. Die Rotweinfässer sind schließlich auch hier herauszuschmecken, mit dieser prägnanten Kombination aus Holz, Vanille, dunkler Frucht und Schwefel. Süß wirkt der Rum durchgängig, am Anfang sogar richtig schwer schokoladig, mit Nougat, Trüffelpralinen und Kaffeecrème. Im Mund ist er sehr viel runder und besser strukturiert als in der Nase, intial findet man noch eine Pattexnote, aber im feurigen, anhaltenden Abgang, in dem man den Brand vom Zäpfchen bis in den Magen klar verfolgen kann, verschleift sich alles zu einem sehr aromatischen, vollen, höchstaromatischen Finish, das mir extrem gut gefällt, und alles, was ich an Schwierigkeiten zuvor geäußert habe, wegwischt und mich mit einem satten Grinsen und vielen schokolierten, roten Tafeltrauben im Nachhall zurücklässt.
Beim Mhoba 2017 FAQ Plastic ist es wirklich spannend, diese Entwicklung vom Auge über die Nase zum Gaumen und schließlich zum Magen zu verfolgen. Ein Rum, der sich kontinuierlich steigert, immer runder wird. Allein so ein spannender Verlauf ist für mich eine Empfehlung wert; vielleicht nicht für jemanden, der eher süßmilde Spirituosen trinkt, sondern eher für die Frau und den Mann, die vollaromatische, schwere, starke und auch nicht unkomplizierte Destillate im Glas schätzen können und wollen – und für Freunde höheresterigen Jamaica-Rums sowieso.
Wenn wir schon über starke Frauen reden: Helena Tiare Olsen ist ein schwedisches Urgestein der Tiki-Szene. Durch eine Krankheit musste sie Cocktails und Alkohol aufgeben, man sieht ihre toll inszenierten Foodposts noch auf Instagram, für mich persönlich ist sie eine Inspiration, dass es, auch wenn es manchmal nicht danach aussieht und man etwas Liebgewonnenes, das man eigentlich auch wirklich gut kann, aufgeben muss, es danach doch weitergeht. Als Zeichen dieser Wertschätzung benutze ich den FAQ Plastic als Float in einem ihrer Rezepte – dem Guyana Banana Zombie. Und der Rum passt auch inhaltlich gut – trinkt man den Cocktail über die Strohhalme, kommt erst die frische Banane des Likörs, und geht dann dank der Rumester in überreife Banane über. Sehr unterhaltsam!
Guyana Banana Zombie
2oz / 60ml gereifter Rum
¼oz / 7ml Falernum
1oz / 30ml Bananenlikör
¾oz / 23ml Limettensaft
¾oz / 23ml Ananassaft
1 Spritzer Angostura
Alle Zutaten auf Eis shaken. Dirty Dump, mit frischem crushed ice auffüllen.
1oz / 30ml würziger Rum floaten.
[Rezept nach Helena Tiare Olsen]
Worauf ich wirklich gerne verzichtet hätte ist das Hartwachs über dem Stöpsel; dieses bröckelte schon, als ich die Flasche bekommen habe, und ist in seiner harten, glänzenden Konsistenz irgendwie genau dem Plastik vergleichbar, das man im Subtitel so verschmäht, da wäre diesbezüglich etwas mehr Konsequenz wünschenswert gewesen. Abgesehen davon, dass Wachs auf Flaschenhälsen für mich immer grundsätzlich ein lästiges Übel ist, das die Handhabung nur erschwert und im Gegenzug keinerlei Vorteile bringt.


Der Rest ist natürlich im inzwischen wohlbekannten, wohlgeschätzten VSGB-Stil gemacht, mit soviel Liebe zum Detail und einem Aufwand, den man sonst nirgends für derartige Kleinflaschen betreibt. Die Limitierung auf 1100 Fläschchen und die individuelle Flaschennummer ist, wie in der Vergangenheit, nur auf dem Karton als Kleberchen appliziert, da es erstaunlich wenige Vergehen gegen das „heilige Versprechen“, die VSGB-Produkte nur selbst zu konsumieren und nicht weiterzuvertreiben, gibt, reicht das wahrscheinlich auch aus. Ich selbst käme nie auf die Idee, die Einzelflaschen aus diesem wirklich tollen Projekt zu verscherbeln, und hoffe, dass Luca Gargano für VSGB noch viel, viel Atem und Ideen hat und es fortführt, so lange es geht.



Ein Kommentar zu “Basismathematik – Mhoba 2017 FAQ Plastic Pure Single Rum”