Das 1. German Armagnac Festival war für mich persönlich ein voller Erfolg. Die Location in Stuttgart-Untertürkheim war gut gewählt, mit hübschem Blick auf die anliegenden Weinberge irgendwie besonders passend, ich freue mich besonders darüber, dass sich jemand auch mal mit solchen Veranstaltungen raustraut und es nicht einfach, wie scheinbar sonst jeder, in Berlin macht – die Anfahrt nach Stuttgart, für mich ungefähr drei Stunden, nehme ich da gern in Kauf, auch wenn es ein sehr heißer Tag war und die Klimaanlage in meinem Auto gestreikt hat. Bei den Ausstellern habe ich mich sehr gefreut, ein paar Bekannte wiederzutreffen: Hugues Amesland von Rounagle beispielsweise, den ich seit vielen Jahren als geschätzten Jurorkollegen bei Spirits Selection by Concours Mondial de Bruxelles kenne und mit dem ich manch einen lustigen Abend in Chile und China verbracht habe; endlich konnte ich mal seine Armagnacs probieren, der 1962 Rounagle ist wirklich spannend geworden, mit vielen holzig-harzigen Pinientönen. Über mein Treffen mit Vincent Cornu von L’Encantada (auch einer, den ich von Spirituosenwettbewerben kenne!) und die von ihm zusammen mit Nicolas Kröger durchgeführte Masterclass werde ich bei einem anderen Bericht noch erzählen. Ansonsten gab es tolle Abfüllungen von Darroze, Danis, Castarède und vielen anderen zu probieren, auch Séailles war natürlich vor Ort, und damit leite ich geschickt über zu dem Armagnac, den ich heute hier vorstellen will.
Der Grape of the Art Séailles 2004 kommt aus der Armagnacregion Ténarèze, besteht rein aus der Rebsorte Ugni Blanc. 228 Flaschen in Cask Strength (hier 53,9%) entstanden aus dem von GotA ausgewählten Fass, und die Abfüllung trägt sogar ein Bio-Siegel. Je nach Lichteinfall wirkt der Séailles in meinem Glas eher kupferfarben oder hennarot. Man könnte sich darüber während des Schwenkens Gedanken machen, wäre da nicht diese wunderbare Öligkeit, die viel mehr Spaß macht – es bilden sich schwere Wellen, die die Oberfläche der Flüssigkeit schwungvoll aufrippeln, und am Glas findet sich eine Kante, die sehr lange stehen bleibt. Optisch ein Genuss.
Für die Nase ist es aber nicht weniger schön, diese würzige Mischung aus Lack, Holz und Frucht ist sehr attraktiv. Leichte Nussigkeit spielt mit rein, dunkle Trauben, PX-Sherry und Rosinen bilden die Fruchtbasis, das ist ein sehr weinbetonter Armagnac. Dunkel, reif, sehr aromatisch. Man spürt neben dem Lack auch den Alkohol, der ziept etwas im Riechkolben, wenn man ihn tief ins Glas hält, ein bisschen Offenstehzeit bändigt das aber. Man meint wirklich, ein feuchtes Fass und Keller zu riechen, das Holz ist sehr präsent, aber nicht auf eine unangenehme Weise, ich fühle mich ein ein Fasslager oder einen Weinkeller versetzt.
Dieser kurze Moment im Antrunk, in dem die Süße sich schnell erstmal ausbreitet, ist eigentlich eine Täuschung, die Ruhe vor dem Sturm, denn schon Sekundenbruchteile später detoniert der Séailles 2004 am Gaumen. Würze und Alkoholgehalt knallen rein, Trockenheit expandiert, Bittere drängt die Süße komplett zur Seite. Wild, ungezähmt, ohne jede Zurückhaltung erzählt dieser Brand dann eine Geschichte, die sicherlich nicht jugendfrei ist, Zimt, Chilischärfe, kräftige Holzigkeit, dunkler Wein – und er lässt sich Zeit damit, erst spät beginnt dann die Abkühlphase, die den gesamten Mundraum wie bei einem Eisbonbon zittern macht. Ein eiskalter Hauch, erneut mit Wein, Nuss und Holz, klingt dann extrem lange aus, ein Schluck reicht für 10 Minuten.
Holla, da hat man was im Mund, der Séailles 2004 ist sicher nichts für zarte Gemüter. Da knallt und brummt es, der hält sich nie zurück, ein Schrapnell von Armagnac. Das ist Glühmunition für den Abend vor dem Kamin. Richtig gut, aber nicht einfach. Ich liebe es jedenfalls.
Offenlegung: Ich danke Grape of the Art für die kosten- und bedingungslose Zusendung dieses Samples.

Ein Kommentar zu “Armagnac am Freitag – Grape of the Art Séailles 2004 Armagnac”