Man kennt das ja, in Restaurants mit landesspezifischer Küche gibts nach dem Essen oft einen mehr oder weniger exotischen Absacker „aufs Haus“. Beim Griechen den Ouzo, beim Italiener den Grappa. Beim Chinesen kriegt man hin und wieder einen Pflaumenwein. Tatsächlich mag ich diese süße, leichtalkoholische Spirituose sehr, hielt sie aber (wie mir das übrigens auch mit Ouzo und ganz besonders Grappa ging!) für ein grundsätzlich eher niedrigqualitatives Getränk ohne Anspruch. Nun, ich bin inzwischen soweit, derartige alte Vorurteile sofort als solche zu erkennen und Gegenmaßnahmen einzuleiten.
Die Recherche bezüglich Pflaumenwein machte dann aber einen kleinen Umweg, weg von China, nach Japan. Dort findet man Umeshu (梅酒), einen Likör, der durch das Einlegen von grünen, unreifen Ume-Früchten in Alkohol (hauptsächlich shōchū 焼酎) und die Beigabe von Zucker hergestellt wird. Mindestens 3, gern aber auch 6 oder 9 Monate lässt man das ganze ziehen, und ist dann bereit für den Konsum – ein milder, früchtig-süß-saurer Drink, der viele Anhänger hat, vor allem unter denen, die keinen harten Alkoholgeschmack mögen und trotzdem ein bisschen angeschickert werden wollen. Für den Suntory Umeshu Yamazaki Cask ging der bei uns hauptsächlich für seinen Whisky bekannte Hersteller noch einen Schritt weiter: Man benutzte für die Reifungsphase ein Ex-Yamazaki-Whisky-Fass.
Mir war es aufgrund der Sprachbarriere nicht möglich, herauszufinden, ob Umeshu gefärbt werden darf. Eine automatisierte Übersetzung der japanischen Wikipediaseite zu Umeshu ergab auch nichts in diese Richtung; daher gehe ich davon aus, dass Färben erlaubt ist, insbesondere, da es sich hier um einen Likör handelt, dem eh schon Zucker und Fruchtstücke zugesetzt werden. Wie es auch immer sein mag – die Farbe gefällt. Ich würde es als Terracotta bezeichnen, mit minimaler Trübung und einem Hauch von Schwebstoffen.
Der erste Naseneindruck ist Honig. Dahinter taucht süße Frucht auf, Pflaume, Birne, Pfirsich, etwas süßer Apfel. Ein Hauch von Lakritz, leichte Malzwürze. Sehr angenehm zu riechen in seiner fruchtigsüßen Rundheit, höchstens der etwas hauchig wirkende Alkoholanteil fällt auf.
Im Mund explodiert der Suntory Umeshu dann aber geradezu. Die Frucht, die sich in der Nase nur angedeutet hatte, springt nach vorne und erfrischt mit einer sehr wirksamen Säure den ganzen Gaumen und die Zunge. Ein sehr voller Körper, der von der Süße gestützt wird, trägt das ganze. Das Mundgefühl ist perfekt rund. Apfel, Birne, Quitte, das Fruchtbouquet ist sehr voll und aromatisch. Ein Touch von Lakritz im hintersten Hintergrund erhöht die Komplexität. Der Alkohol, 17%, ist sehr schön eingebunden, angenehm spürbar, aber nie störend oder auffällig – man merkt, dass man ein alkoholisches Getränk im Mund hat, das schätze ich, denn viele andere Umeshus trinken sich wie Fruchtsaft.
Der Abgang ist dann sehr trocken, sauer, stark adstringierend, etwas holzig – hier kommt die Fassreifung, die sich bisher zurückgehalten hat, etwas zum Tragen, ich bilde mir auch ein, zumindest ein Gefühl von japanischem Whisky als Aroma zu spüren. Recht lang kommt er mir vor, der Abgang, Frucht und Trockenheit belegen die Zunge über einen ordentlichen Zeitraum.
Ein sehr angenehmes Getränk, das allerdings seine Komplexität in typisch japanischem Understatement etwas vor dem oberflächlichen Betrachter verbirgt, dem man also etwas Zeit geben und so auf die Schliche kommen muss.
Nun, wenn man schon eine so japanische Zutat hat, dann mache man daraus doch einen Cocktail, dessen restliche Ingredienzien auch einen fernöstlichen Hintergrund haben. In Ermangelung eines Yamazaki-Whiskys, der wohl die perfekte Wahl wäre, nehme ich einen Hibiki-Whisky und etwas Matcha-Tee-Pulver, um den The Yume in vollem grünen Glanz und viel Aroma erstrahlen zu lassen. Ein wirklich sehr spannender Cocktail, der die angesprochene Komplexität des Suntory Umeshu schön betont und zur Geltung kommen lässt.
The Yume
1½ oz Umeshu (z.B. Suntory Umeshu Yamazaki Cask)
¾ oz Japanischer Whisky (z.B. Hibiki Japanese Harmony)
¼ oz Verjus
1 Teelöffel Zitronensaft
1 Prise Matcha-Pulver
Langsam und vorsichtig auf Eis shaken.
Mit japanischer Gelassenheit servieren.
[Rezept leicht adaptiert nach Igor Pachi]
Die Flasche ist eine klassische Whisky-Flasche, das Etikett ist direkt aufgedruckt. Sehr edel wirkt das ganze, da nimmt man den Plastikschraubverschluss in Kauf.
Gerne empfehle ich so einen wunderbaren, exklusiven Umeshu, bei dem man aufgrund des Preises von rund 50€ pro Flasche davon ausgehen können sollte, dass er nicht künstlich hergestellt wurde, wie es bei vielen Billigprodukten wohl inzwischen der Fall ist – die Produktion von Umeshu hat sich von 2002 bis 2011 verdoppelt, die Ernte von Ume-Früchten ist aber praktisch konstant geblieben. Man kann sich denken, dass das zusätzliche Produktionsvolumen dann halt eben ohne echte Frucht entsteht, aus künstlichen Aromastoffen. Das mag für den kostenlosen, kleinen Absacker beim Chinesen nach dem fetten All-You-Can-Eat-Buffet für 7€ angehen, für uns Genießer aber sicherlich nicht. Man erhofft, dass sich eine Selbstverpflichtung zur klaren Deklaration der Produktionsweise der japanischen Umeshu-Hersteller, die der entsprechende lokale Wirtschaftsverband ins Leben gerufen hat, Wirkung zeigt.
Ein Kommentar zu “Mehr als ein Absacker – Suntory Umeshu Yamazaki Cask”