Papier-Fachmagazine für Spirituosen müssen sich heutzutage etwas einfallen lassen. Zwar wird dem gedruckten Wort auch heute noch oft mehr Gewicht beigemessen als einem Blogartikel oder anderen Onlinemedien, doch im Print einfach das zu reproduzieren, was anderswo online (und oft auch noch werbefinanziert und damit scheinbar kostenfrei) erscheint, reicht allein aber ganz klar nicht mehr aus. Das französischsprachige Magazin Rumporter hat für sich einen eleganten Weg gefunden – die Printausgabe erscheint nur selten, und punktet mit unerwarteten Seitenblicken auf die Kultur des Rums, auf den sich das Magazin namensgemäß natürlich konzentriert. Ganz- und vielseitige Reproduktionen von Kunstwerken, die im regionalen oder inhaltlichen Bezug zu Rum stehen heben jedes einzelne Heft über viele, gelangweilt heruntergeratterte, sehr trocken-technische Fachsimpeleien in deutschen Magazinen hinaus. Ich empfehle jedem Rumfreund (und auch jedem Redakteur deutschsprachiger Publikationen!), sich das mal anzuschauen.
In der Spezialausgabe November 2016 des Rumporter war neulich, neben der angesprochenen Kunst, auch ein ausführlicher Artikel über den haitianischen Rumhersteller Barbancourt zu lesen. Das Cover zierte dasselbe Gemälde, das auch auf dem Karton des Rhum Barbancourt Réserve du Domaine 15 Ans zu sehen ist. Man bekommt in dem langen Artikel mit angeschlossenem Interview und vielen starken Bildern den deutlichen Eindruck eines sehr traditionsreichen, und auch heute noch traditionell arbeitenden Destillateurs, der praktisch nur gereifte Rums herstellt, um sich vom anderen wichtigen haitianischen Alkoholikum, dem ungereiften Clairin, abzugrenzen. Kann man diese Tradition im Glas schmecken?
Die Farbe bereitet den Rumfreund schonmal optisch auf das Kommende vor: schwere Bronze, ölig, dickflüssig, mit vielen Beinen am Glas beim sanften Schwenken. Im Geruch setzt sich der erste Eindruck, dass wir hier etwas besonderes vor uns haben, fort. Sehr viel Vanille dominiert die Nase, leicht grasige Komponenten im Hintergrund, dazu Pfeifentabak. Insgesamt sehr sandelholzig, etwas Lakritz rundet das ganze ab. Die erkennbare Ethanolnote verfliegt mit Stehzeit etwas.
Schließlich kommt der Barbancourt Réserve du Domaine 15 Ans im Mund an. Eine wahre Geschmacksexplosion folgt: Kaffee, dunkler Kakao, Marzipan, Pflaumen, Nelken, Honig, ein Hauch Rauch. Er ist sehr süß im Antrunk, aber ohne die anbiedernde, billige Zuckersüße der stärker nachgesüßten Rums – um die 7g/L Zucker sind aber hier auch enthalten, was sogar im Rumporter-Artikel erwähnt wird. 7 Gramm, das ist gerade noch eine Menge, die ich akzeptieren kann, als gemäß der EU-Verordnung 110/2008 „erlaubt zur Geschmacksabrundung“, wenn auch mit leichtem Zähneknirschen und der irritierten Frage, ob es dann nicht auch ganz ohne ginge. Insgesamt dennoch ein sehr klares, reines Geschmacksbild ohne störende Einflussnahme. Gemäßigte 43% Alkoholgehalt passen sich gut in dieses Bild ein.
Der feurige, warme, lange Abgang, mit extrem definierter, dennoch angenehmer Trockenheit und einem pfeffrig-bitteren Finish, krönt das Verkostungserlebnis, hier erkennt man deutlichst die produktionsbedingten Anklänge eines rhum agricole, denn der Barbancourt ist eben wie diese aus frisch gepresstem Zuckerrohrsaft hergestellt. Im Nachklang bleibt eine Menge Eichenholz auf Zunge und Gaumen; echte 15 Jahre im Eichenfass (vielli en fût de chêne, wie es so schön auf Französisch heißt) aus Frankreich haben ganze Arbeit geleistet.
Dieser Rum ist nicht nur süß, sondern vielschichtig, aromatisch, komplex. Besonders gefällt mir dieses spektakuläre Umkippen aus Antrunk-Süße in Abgang-Extra-Dry. Das gefällt aber sicherlich nicht jedem, so ehrlich muss ich sein. Dennoch ist mein Fazit klar – der Barbancourt Réserve du Domaine 15 Ans ist eine wahre Pracht und würde ohne Mühe in in meinen persönlichen Rumolymp aufsteigen, wäre da nicht die Nachsüßung, die mich daran hindert, ihn völlig uneingeschränkt zu empfehlen.
Einen zu dieser Stimmung passenden, mindestens ebenso elysischen Cocktail habe ich mir als Showcase für den Haitianer ausgesucht. Der Elysian Special zeigt so ganz nebenbei auch noch, dass Ananassaft in einer Rezeptur nicht immer automatisch nur bedeutet, dass man etwas pappig-süß-fruchtiges vor sich haben muss – die Frucht liefert neben der Aromatik auch eine schöne Textur, ein dichtes Mundgefühl und ein wunderbares Schaumkrönchen ganz ohne Eiweiß; und sie lässt dem Rum trotzdem noch genug Raum, sich zu präsentieren.
Elysian Special
1½ oz Rhum Barbancourt Réserve du Domaine 15 Ans
½ oz Batavia Arrak (z.B. Boven’s Echter Arrak)
1 oz Ananassirup
¾ oz Limettensaft
Auf Eis shaken.
Mit einem Spieß gegrillter Ananas und etwas geriebener Muskatnuss dekorieren.
[Rezept nach Bryan Schneider]
Kommen wir vom Guten zum Schlechten – dieser Preis- und Qualitätskategorie ziemlich unwürdig ist der billige Blechschraubverschluss. Schade, dass die ansonsten sehr gelungene Präsentation dadurch etwas verschandelt wird, ein Naturkorken wäre einem 15 Jahre alten Rum doch zu gönnen gewesen, oder? Immerhin gefällt das auf Goldfolie gepresste Etikett, sowie der künstlerisch sehr attraktiv gestaltete Geschenkkarton, in dem die Flasche geliefert wird.
Das führt uns in weitem Bogen zurück zur Einleitung. Wir als Spirituosenfreunde sollten vielleicht ab und zu neben den prosaischen Geschmacks- und Herstellungsdiskussionen auch einen Blick auf die künstlerischen Aspekte unserer geliebten Produkte werfen, ihnen eine Chance geben, sich neben Tasting Notes und Preisleistungsverhältnissen auszudrücken. Man muss sich dafür nicht anstrengen, sondern nur offenen Auges durch die Welt gehen. Der Barbancourt Réserve du Domaine 15 Ans ist jedenfalls ein guter Begleiter dafür.
2 Kommentare zu „Kunst kommt von Können – Rhum Barbancourt Réserve du Domaine 15 Ans“