Exotisches Unterfranken – Edelbrennerei Dirker Geist von der Drachenkopfblume

Edelbrennerei Dirker Geist von der Drachenkopfblume Titel

Es kommen immer wieder mal völlig exotische Spirituosen zu mir, die ich noch nie probiert habe, und bei denen ich mir nicht mal aus einer Beschreibung heraus vorstellen kann, wie sie schmecken. Vor ganz kurzem erst ein Maniok-Destillat aus Paraguay zum Beispiel, oder ein philippinischer Lambanog, oder Cashew-Feni und Mahua aus Indien. Ich finde es toll, dass nach über 10 Jahren extensiver Beschäftigung mit Spirituosen es sich trotzdem immer etwas Neues finden lässt, das einem die Geschmacksknospen nochmal anregt und den Horizont erweitert, denn zu solchen raren Spezereien kommen natürlich immer die Hintergrundinformationen und oft auch kulturelle Eigenheiten, die es zu erfahren gilt. Hin und wieder muss man dafür nichtmal nach Paraguay oder die Philippinen fliegen, sondern findet das Geheimnisvolle, Exotische sogar an Orten wie dem unterfränkischen Mömbris.

Von dort stammt nämlich der Geist von der Drachenkopfblume der Edelbrennerei Dirker. Ganz ehrlich – wer von meinen Lesern kann sich vorstellen, wie so etwas schmeckt? Die Drachenkopfblume (auch moldawische Melisse oder türkischer Drachenkopf genannt) ist ein gehaltvoller Lieferant für ätherische Öle, und Arno Dirker machte im Jahr 2022 aus selbstangepflanzter Drachenkopfblume entsprechend diesen Geist. 14 Tage wurden 20kg der geernteten Blumen in Neutralalkohol mazeriert, und anschließend über 12 Stunden in einem Rosenhut-Kessel, der mit Holz befeuert wird, destilliert. Eine gewisse Ruhezeit braucht er, dann kommt er in die Flasche – und schließlich zu mir, der beim Stöbern im umfangreichen Schnapsportfolio der Edelbrennerei Dirker sofort darüber gestolpert war und ihn haben musste. Selten war ich so gespannt, wie sich so ein Destillat sensorisch präsentiert!

Edelbrennerei Dirker Geist von der Drachenkopfblume

Komplett klar, ohne Partikel oder Trübung, mit ausgeprägten silberfarbenen Lichtreflexen. Deutlich viskos im Glas, mit schwerem Schwenkverhalten, das eine fransige Linie erzeugt, aus der sich dicke Tropfen bilden, die dann in Beinen ablaufen.

Ein betörender Duft entströmt dem Glas – selten genug passiert es mir, dass ich verblüfft die Augen aufreiße, weil ich etwas rieche, was ich so nicht kenne oder erwarte. Entsprechend schwer fällt mir, das zu beschreiben; da ist jedenfalls Melisse, Zitronengras und Bergamotte als erste Attacke, darunter etwas Heu und Vogelbeere, also etwas herbere Komponenten, und dann eine kompottige, exotische Fruchtmischung aus Mango und unreifer Guave, aber auch altbekannte Erdbeere, Holunderbeere und Mandarinenschale. Frisch und klar wirkt das trotz all der unterschiedlichen Fruchteindrücke, eine ganz milde, grüne Pflanzlichkeit und die Heuaromen deuten auf das Basismaterial hin. Ein Hauch von Menthol schwingt mit, ohne dass es sich aufdrängt, und ein winziges Element von Süßholz. Unglaublich spannend, erfrischend, ungewöhnlich und etwas, woran man wirklich lange schnuppern kann und man immer neue kleine Details findet.

Edelbrennerei Dirker Geist von der Drachenkopfblume Glas

Am Gaumen präsentiert sich zunächst eine ansprechende Textur, voll und rund, durchaus mit leichter Öligkeit versehen, ohne schwer zu wirken. Natürliche Süße breitet sich schnell aus, sie macht die prägnanten Zitrusnoten weich und abgerundet statt spitz. Malzig und heuig entsteht ein Eindruck eines Hustenbonbons mit Zitronengeschmack, im Verlauf wird der Geist herber, trockener und immer mehr ins Kräuterige gehend. Bergamotte blüht auf, Mandarine und Bitterorange. Gegen Ende wird der Geist leicht floral, erkennbar bitter, leicht astringierend im hinteren Rachenbereich, Spucke fließt üppig nach. Zestig wirkt das, Grapefruit vielleicht, und ganz spät dann auch grün und vegetabil, erinnert dann an Blattschnitt und Fichtensprossen. Der Nachhall ist lang und frisch, kombiniert nochmal all die Aromen von Zitrus, Heu, Malz und Geranien.

Eine ausgesprochen überraschende Spirituose, komplex und vielgestaltig, dabei sehr trinkig und unkompliziert. Da fragt man sich, warum so ein hervorragendes Geschmacksbild nicht viel öfter den Weg in Kräuter- und Obstbrände findet, aber Arno Dirker ist diesbezüglich eben der Künstler, der nicht nur mit den üblichen Farben malt, sondern sich in der Natur umschaut und auch den unausgetretenen Pfaden folgt.


Es gibt Drinks, bei denen man denkt, ja, das ist schon gut, aber irgendwie fehlt etwas an Komplexität, um das Bild wirklich unterhaltsam zu machen. Mir ging es so beim Summer Fling – der Zitronenwodka ist einfach nicht so wahnsinnig interessant als Basisspirituose, auch wenn er seine Dienste tut. Ersetzt man ihn aber durch den Geist von der Drachenkopfblume… ach, das macht dann richtig viel Spaß.

Summer Fling Cocktail

Summer Fling
45ml Zitronenwodka
15ml Passionsfruchtlikör
20ml Zitronensaft
10ml Zuckersirup
Auf Eis shaken, auf Eis abseihen, und mit einem Schuss Soda toppen.

[Rezept nach The Mill at Fountain Inn]


Die Edelbrennerei Dirker hat ihre eigenen Flaschen mit ins Glas eingelassenen Details, in zwei Größen, aber in der gleichen Form – die sind hübsch, sehr eigen, wie auch der Inhaber, und fühlen sich gut in der Hand an. Plastikstöpsel verschließen sie.

Es hat sich ja so eine Attitüde herausgebildet, da sind die alten, elitären und traditionellen Obstbrenner in Deutschland, und die jungen, hippen, kreativen Newcomer, die den Markt aufmischen und dem langweiligen Obstbrand neues Leben einhauchen. Das stimmt natürlich so nicht. Wie ordnet man die Edelbrennerei Dirker aber trotzdem auf diesem breiten Spektrum ein? Sie ist kein Betrieb, der schon seit dem 18. Jahrhundert existiert, aber doch schon länger, als manche meiner Leser leben; ich empfinde Arno Dirker als das Bindeglied zwischen diesen Extremen. Er arbeitet sehr traditionell, gleichzeitig aber auch sehr kreativ. Respekt für das Basismaterial, Respekt für das Handwerk, Respekt für Umwelt und Umgebung. So will ich meine Obstbrände trinken.

Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.

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