Lektion in Materialkunde – Buffalo Trace White Dog Mash #1

Buffalo Trace White Dog Mash #1 Titel

Man kann immer noch weiter lernen und neue Dinge erfahren über Sachen, die man eigentlich zu verstehen glaubt. Amerikanischen Whiskey zum Beispiel kennen die allermeisten nur als braune Flüssigkeit mit starkem Vanille-Aroma, viel Süße und holziger Würze. Doch all das, was wir an Whiskey kennen und lieben, entsteht eigentlich erst durch die Reifung in Holzfässern. Dies wird einem so richtig deutlich gemacht, wenn man sich mal den Stoff anschaut und verkostet, der direkt aus der Destille kommt und noch nicht die Chance hatte, sich die Hörner am Fassholz abzustoßen. Dieser sogenannte White Dog ist die Vorstufe zum Beispiel eines Bourbons, der ja erst nach Reifung in frischen Weißeichefässern so genannt werden darf. Abgefüllt direkt nach dem Destilliervorgang in eine Glasflasche wird hier genau diese Reifung verhindert.

Mais, Roggen und gemälzte Gerste sind in der Mashbill, die Mash #1 genannt wird, und darum ist der vollständige Name dieses Proto-Whiskeys dann eben Buffalo Trace White Dog Mash #1. Bourbonhersteller sind sehr geheimnistuerisch, was die Mashbill-Zusammensetzungen angeht, klar, das sind die Details, die den Geschmack des Endprodukts extrem definieren. Man kann so ein bisschen darüber herausfinden, wie zum Beispiel dass die hier eingesetzte Mashbill auch „low-rye mash bill“ genannt wird, sie wird auch für viele der bekannten Produkte des Herstellers wie dem hierzulande durchaus beliebten Buffalo Trace Straight Bourbon verwandt. Man schätzt, dass sie ganz grob 90% Mais, 7% Roggen und 3% gemälzte Gerste nutzt. Man nagele mich darauf nicht fest, es sind keine Insider-Informationen. Spannend ist es für mich bei dem White Dog eh eher, den Unterschied zu einem gereiften Bourbon zu schmecken, weniger die Details in der Mashbill herauszuarbeiten.

Buffalo Trace White Dog Mash #1

Wir bekommen eine glasklare Flüssigkeit, die eine schöne Viskosität zeigt, ohne dabei fett zu wirken. Ein Film entsteht an der Glaswand, der ausdauernd haften bleibt.

Die erste erstaunliche Auffälligkeit, die ich bei der Geruchsprobe habe, ist, dass hier nur mit viel Fantasie eine sensorische Verbindung zu Bourbon zu finden ist. Malzig wirkt der White Dog von Buffalo Trace, durchaus erdig und mit Erinnerungen an alte Kartoffeln aus dem Keller, und frappierend fruchtig in Richtung von vergorenem Obst, vielleicht die Äpfel oder Mirabellen von der Streuwiese, die da schon eine ganze Weile liegen. Grasig erscheint er auch, nicht so wie ein Rhum Agricole, aber die Ähnlichkeit geht schon tatsächlich eher in Richtung Rum als in Richtung Bourbon. Ordentlich Ethanol springt einen auch an, und da nur wenig Struktur in diesem jungen Produkt ist, die das auffangen könnte, piekst und stört das ein bisschen. Ein interessantes Erlebnis!

Buffalo Trace White Dog Mash #1 Glas

Ich riskiere einen Schluck, bei Fassstärke mit 62,5% ist das ein erster Versuch, der aber recht glimpflich abläuft – der Antrunk ist supersüß, schwer und dicht, gar nicht brennend, wie man das vielleicht erwartet. Die Textur ist voll, schwer und voluminös, und im Verlauf expandiert der White Dog sogar noch mehr. Aromatisch kommt der Mais erstmal voll zum Zug, mit ein paar Eindrücken von Popcorn und Erdnuss, später entdeckt man noch die Würze des Roggens, die auf der Zunge kribbelt und die Süße etwas ausgleicht, und man bekommt ein erstes Verständnis, woher ein paar der Aromen, die man an Bourbon so mag, kommen. Die schmutzige, braune Schale von gelagerten Kartoffeln finde ich hier auch. Immer noch schwankt man in der Verortung zwischen Whisky und Rum, mit Tendenz zu letzterem, das ändert sich nicht. Der Abgang ist lang, frech-jugendlich feurig, aber nicht brennend, rund und süß, mit einem langen warmen Nachhall.

Ich wiederhole mich, das ist schon spannend und interessant, aber zum Purgenuss eher schwierig. Die Aromen entfalten sich schön, die Struktur ist dicht und der Alkohol wirkt sauber eingebunden; irgendwie packt es micht aber nicht, es fehlt an Komplexität, ich will aber wirklich die handwerkliche Arbeit loben, denn echte Mängel finde ich nicht – ich sehe es tatsächlich als eine Vorstufe zu einem Zielprodukt, nicht so wie bei Rum, wo die ungereifte Variante der gereiften gleichsteht.


Was macht man damit, wenn man die Flasche nun zuhause hat und sich nicht sicher ist, ob man das jemals austrinken wird? In einem Cocktail funktioniert so ein White Dog wirklich sehenswert, da spielt er toll die Stärken insbesondere in Bezug auf Textur und Dichte aus. Ein sehr angenehmes Mischerlebnis bekommt man beispielsweise mit David Wondrichs 1792 Kentucky White Dog Julep, ein Drink, der im Sommer viel Freude bereitet.

1792 Kentucky White Dog Julep Cocktail

1792 Kentucky White Dog Julep
1 Teelöffel Zucker in ½oz / 15ml Wasser auflösen
6 Blätter Minze darin muddeln
mit Crushed Ice das Glas auffüllen
2oz / 60ml White Dog darübergießen und umrühren.
[Rezept nach David Wondrich]


Die „halbe“ Flasche ist in unauffälliger Form und Kunststoffstöpsel gehalten, nichts, was das Auge anzieht. Mit viel Text auf dem Rücketikett, der leider hauptsächlich auf eher mäßig spannender anekdotischer Basis bleibt, trägt man dem geschichtlichen Hintergrund Rechnung; gerne hätte ich allerdings stattdessen sehr viel mehr Details über die Mashbill darin gesehen, gerade weil so eine Abfüllung schon in gewissem Sinne einen experimentellen Charakter hat und erklärungsbedürftiger wäre.

Vom White Dog trinkt man sehr wahrscheinlich eher selten und selbst dann nicht viel, dazu ist er zu forsch, aggressiv und frech. Dennoch: Jeder Whiskeyfreund sollte diese Chance nutzen, sozusagen die Kindergartenfotos seines besten Kumpels anzuschauen. Man lernt unheimlich viel über Whiskey; was man sonst nur aus oberflächlichen Beschreibungen aus Büchern erfährt, kann man mit dem White Dog am eigenen Leib erfahren.

Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.

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