Es ist der 60. Geburtstag meines großen Bruders, er lädt ein und man trinkt und speist auf seine Kosten, Geschenke sind unerwünscht – eine gute Kombination, aber irgendwie hat man ein schlechtes Gewissen. Zu derartigen Familienfesten hat sich darum eingebürgert, dass ich ein paar alkoholische Köstlichkeiten mitbringe, die man sonst nicht so probiert, und mit denen man die langen Abende ein bisschen feuchtfröhlich gestalten kann. Diesmal war es ein Eau-de-Vie aus Hagebutten aus dem Oberelsass, ein Chinarinden-Kräuterlikör aus Mallorca, und zu guter letzt etwas, was ich eher als spannendes Experiment mitbrachte: FRC Jürgen’s Falernum. Was soll ich sagen, der Ingwer-Mandel-Limettenlikör entwickelte sich zum Star des Abends, und meine Schwägerin besitzt nun die Flasche, weil sie sich nicht davon trennen wollte.
Zum Glück habe ich vorher die Tasting Notes geschrieben, sonst würde ich jetzt dumm dastehen. Erst vor sehr kurzem habe ich den Standard, gegen den sich Jürgen Wieses Falernum behaupten muss, hier auf meinem Blog besprochen; das John D. Taylor’s Velvet Falernum ist auch heute noch der klassische Vertreter dieser Likörgattung. Dazu steht bei mir in der Heimbar auch noch das Heinr. von Have The Amber Falernum, und ich habe eins von Revolte, das ich noch nicht vorgestellt hatte. Man sieht, der Markt verträgt und verlangt nach einer Ausdehnung des Angebots, da kommt das Falernum von FRC, das blasphemisch auf einem Jamaica-Rum-Blend basiert, gerade recht, finde ich. Meine Schwägerin hat sicher einen Favoriten zuhause, ich beschreibe jetzt einfach mal, was ich im Glas gefunden habe, als ich meine Verkostung noch machen konnte.
Schwer schwappt das Falernum aus der Flasche ins Glas, fast sirupartig kommt es einem da vor; passend dazu ist auch die sehr starke Viskosität im Glaswandverhalten, da bleiben Vorhänge von Flüssigkeit hängen, die lange bestehen bleiben. Trübe ist es, das darf man einem Falernum natürlich nicht ankreiden, ist eher ein Zeichen, dass natürliche Zutaten eingesetzt wurden.
Wenn einem die Optik etwas träge vorkam, springt einen die Nase um so aktiver an. Da ist dramatisch viel Ingwer sofort präsent, geweicht durch schöne, prägnante Mandel, und eine zestig-bittere Frische von Limettenschale. Klassische Zutaten, würde ich sagen, aber so viel deutlicher ausgeprägt als in einem traditionellen Falernum: ich kenne Jürgen Wiese ja, und es hätte mich gewundert, wenn so ein extrovertierter Typ ein dezentes Falernum kreiert hätte. Da geht richtig viel ab, ohne dass eine Zutat überwiegt, sauber gerundet und ineinander vermählt.
Auch im Mund bleiben wir extrem – zunächst bedrängt einen die heftige Süße, das ist fast drüber für mich, richtig klebrig und fett, und sie ist auch ausdauernd. Erst kommt Limettenzeste auf, die mit bittere Frische versucht, die Süße zu bekämpfen, allein gelingt es ihr aber nicht. Milde Gewürztöne, vielleicht Nelken, gesellen sich dazu, nun wird das Bild langsam mehrdimensionaler. Orange, milder Zimt, man findet mehr und mehr, bis der Ingwer spät sowohl aromatisch als auch in seiner natürlichen Schärfe die Süße besiegt; hier legt sich eine deutliche Pikanz auf den hinteren Gaumen, das kribbelt bis an Uvula und Mandeln. Der Abgang ist ingwerscharf, aromatisch zusammengesetzt aus den beschriebenen Eindrücken, und lang, durch die wohlgewählten 16,6% Alkoholgehalt auch voluminös und voll; ganz zum Schluss entsteht eine Astringenz, entstehend aus dem Kampf der Schleimhäute gegen die Süße, das hat man auch nicht wirklich oft, ich finde es spannend.
Pur trinkt man Falernum eigentlich seltener, vor allem nicht in so einer extremen Ausprägung. Das kommt in einen Cocktail, ganz klassisch einen Corn’n Oil, mit einem guten Barbados-Rum. Vielleicht riskiert man Jürgen’s Falernum auch straight on the rocks, wirklich gut gekühlt, wenn man Lust auf was Süßes hat – egal wie, man hat wirklich was im Mund und es besteht niemals die Gefahr, dass dabei Langeweile aufkommt, im Gegenteil. Oder, wenn man wirklich mutig ist und den Rest des Tages nichts vorhat, macht man sich damit einen White Zombie.
White Zombie
1½oz / 45ml Pisco
1½oz / 45ml leicht gereifter Rum
1oz / 30ml Dry Gin
¾oz / 23ml Falernum
¾oz / 23ml Limettensaft
½oz / 15ml Don’s Mix (Grapefruitsaft und Zimtsirup)
¼oz / 7ml Zuckersirup
¼oz / 7ml Passionsfruchtsirup
1 Teelöffel Absinthe
1 Teelöffel Maraschino-Likör
Auf Eis shaken, mit crushed ice toppen.
[Rezept nach Zac Overman]
Die Flasche ist sehr schwungvoll, schwarz gehalten, eine modernklassische Rumflasche, wie wir sie inzwischen kennen und schätzen gelernt haben. Das Etikett zeigt den Schöpfer in guter Laune, hält sich mit irgendwelchen Details aber etwas zu sehr zurück, vielleicht wird später ja noch ein Rücketikett mit ein paar Infos zum Inhalt draufgepappt.
Eine schöne Ergänzung des inzwischen durchaus großen Falernum-Pantheons; im Gegensatz zu mir, der vor ein paar Jahren eigentlich nur ein Produkt zur Auswahl hatte, kann sich der moderne Falernumfreund aus unterschiedlichen Ausprägungen das zu seinem Geschmack passende aussuchen. Jürgen’s Falernum kann ich aber jedem ohne jeden Gewissensbiss empfehlen – es wird wohl in ein paar Wochen auf dem Markt erscheinen!
Offenlegung: Ich danke Jürgen Wiese für die kosten- und bedingungslose Zusendung der Flasche dieses Falernums.


