Er gilt als der Obstbrandflüsterer in Deutschland. Wenn man Arno Dirker ein bisschen recherchiert, entdeckt man auch spannende Dinge, die einem sofort klar machen, dass wir es hier nicht mit einem Durchschnittsbrenner zu tun haben. Als Zimmermann begonnen hat er, zum Titel „Schnapsbrenner des Jahres“ bei der Destillata in Österreich kam es zwischendurch, mit weiteren Auszeichnungen im Vor- und Nachfeld. Er ist auf dem Boden geblieben und nicht den Extremweg manch anderer deutscher Obstbrenner gegangen mit inzwischen unbezahlbaren Produkten: Heute hat er ein sehr feines Sortiment an verschiedenen Früchten im Portfolio, die er saisonal oft aus dem lokalen Obstangebot des Kahlgrunds im Spessart brennt und unprätentiös vermarktet. Liest man seine Texte und Beschreibungen, habe ich den Eindruck, dass er eine besondere Vorliebe für die Kirsche in unterschiedlichen Varianten hegt, und seine Liste mit Produkten aus dieser Frucht ist lang. Entsprechend habe ich mir eine kleine Trilogie von der Kirsche von ihm zugelegt: Das Steinweichsel-Kirschwasser, den Brand von der Eggener Schwarzkirsche und das Rumfassgelagerte Kirschwasser. Ich bin sehr gespannt darauf, wie sich die Unterschiede in den Bränden äußern!
Wir fangen an mit dem Steinweichsel-Kirschwasser. Die Steinweichsel oder wilde Weichsel (prunus mahaleb) ist eine kleine, bittere Frucht, die Ursprungsform der Sauerkirschen, aufwändig zu ernten. Wir finden sie dann am Ende aber doch gebrannt und mit 40% Alkoholgehalt vor.
Kristallklar, leuchtend, und mit angenehmer Viskosität schwenkt sich der Brand im Glas, klar abgegrenzte Beinchen bilden sich. Die Nase hat Kraft und biedert sich nicht mit oberflächlichen Kirscharomen an – da findet man herbe Sauerkirsche, ein bisschen Steinaroma, Töne von Gewürzen, ja, Zimt und Nelken sicher voran. Würzig und fast schon mit einem Lederaroma, dabei blüht ganz dezent mit etwas Offenstehzeit auch etwas Pfingstrose auf. Eine gewisse Reminiszenz an Vogelbeere kann ich nicht verneinen, das ähnelt dem schon etwas. Am Gaumen finden wir erstmal eine sehr sanfte, zarte Textur, weich aber nicht schwer, ganz fein legt sich der Brand langsam über Zunge und Mund. Da explodiert nichts, da brennt nichts, ein wirklich ganz, ganz sanftes Mundgefühl. Die Aromen bilden sich als Geschmack ab, mit viel Vogelbeer und herber Kirsche. Erst spät entsteht Wärme, auch hier ganz vorsichtig, ohne jede Attacke oder Schärfe. Gegen Ende kommen grüne Aromen, eher blattig als kräuterig, hervor, und die gefundene Blumigkeit kommt nun auch mit unterschwelliger Geranie und Rose vor. Mittellang im Abgang, mit darüber hinaus ausdauerndem Nachhall.
Überraschend in seiner Zartheit und Sanftmut ist das Steinweichsel-Kirschwasser ein wirklich zurückhaltender Vertreter seiner Kategorie. Das muss man mit einer daran angepassten Vorsicht trinken und genießen, dann erschließt sich der Brand aber schnell und bezaubert auf Dauer!
Die nächste Kirsche ist die Eggener Schwarzkirsche. Aus ihr macht Dirker seinen Brand von Eggener Schwarzkirschen. Die Kirschen kommen aus dem namensgebenden oberen Eggenertal im Schwarzwald. Nach dem Brennen lagert der Brand zwei Jahre in 50-Liter-Glasballons und wird auf 40% Alkoholgehalt eingestellt.
Auch hier natürlich kein Farbton oder Fehler, die Öligkeit ist vielleicht noch etwas ausgeprägter. Eine Flüssigkeit, die sich richtig hübsch schwenkt. Für den Duft muss man sich ein bisschen anstrengen – da ahnt man mehr als man wirklich riecht. Ein Hauch von Kirsche, wirklich nur ein Hauch, das ist hier schon extrem zurückhaltend, da würde ich mir doch etwas mehr Expressivität wünschen. Ansonst fühlt sich der Brand „kalt“ in der Nase an, ein Ticken Eukalyptuseffekt vielleicht. Im Mund gibt es etwas mehr zu erleben, aber auch hier bleibt man im Bereich des Suchens. Das Mundgefühl ist extrem weich und schön fett, keine Schwere belastet die runde Textur. Schokoladig und süßlich wirkt das im Verlauf, eine dunkle Kirschennote expandiert über die Zeit, ohne wirklich künstlichfruchtig zu werden. Das liegt richtig gut im Mund, das muss ich sagen, und darum verzeihe ich auch die schmalere Aromatik. Der Abgang ist dann voll, mildwürzig, und plötzlich doch aromatisch lang mit grünen Anklängen – ein sehr interessanter Spannungsbogen, den dieser Obstbrand aufbaut.
Ich glaube, ich brauche viel Zeit, um mich damit emotional anzufreunden, ich mag meine Obstbrände doch etwas expressiver. Die unterschwelligen Schokokirsch-Noten haben aber schon ihren Reiz, man muss sich aber sicher darauf einlassen können.
Für das Rumholzfassgelagerte Kirschwasser hatte Dirker 2007 Rumfässer eingekauft und sie mit seinem Kirschwasser zweitbefüllt. Sieben Jahre Zeit wurde dem Destillat gegeben, bevor es dann aus dem Fass in die Flasche kam, mit ordentlichen 47,5% Alkoholgehalt (Fassstärke).
Das Fass hat schonmal schöne, aber nicht absurde Farbmengen an den Brand abgegeben, ein schönes, helles Ocker mit weißen Lichtreflexen. Dazu kommt eine ansprechende Öligkeit beim Schwenken. Der Duft ist wirklich hübsch und zeigt drei Aspekte wunderbar vermählt – als erstes kommt eine süße, fruchtige Kirsche, wie die auf der Torte, danach vanillige Noten aus dem Holzfass, und zu guter letzt so eine rumkugelige Seite, die die Fassvorbelegung ins Spiel bringt. Dabei bleibt alles helltönig und klar, teils fast schon grünholzig frisch: das Rumfass ergänzt die Aromatik, und lässt dem Kirschwasser weiterhin die Hauptrolle. Am Gaumen finden wir eine sehr runde, weiche, dennoch noch klare Textur, sehr sauber und mit richtig schönem Mundgefühl. Der Alkohol ist spürbar, dehnt sich sogar über den Verlauf noch aus, hat Kraft, aber keine Gewalt. Geschmacklich gehen hier die drei errochenen Aspekte ähnlich gut ineinander über, leicht karamellig, mit Honigtönen und Schwarzwälder Kirschtorte; der Nachhall ist lang und nun voller Jasmin und Pfingstrose, und etwas Geranie. Elegant, strukturiert und trotzdem trinkig, hier hat wirklich alles perfekt geklappt und ein richtig aromatisches, unterhaltsames Ergebnis entstehen lassen, das die Kirsche in einem ganz anderen Licht erstrahlen lässt.
Natürlich ist diese Art Obstbrand perfekt geeignet, um als Aperitif oder Digestif zu einem guten Essen genossen zu werden. Auch als reines Genussprodukt, bei dem man sich für eine ruhige halbe Stunde einen guten Brand ins Glas gießt und sich daran abarbeitet. Und im Cocktail zeigt so eine Qualitätsstufe natürlich auch ihre Stärken, zu beobachten beim Swiss Watch. Eine ordentliche Dosis des Dirkerschen Kirschwassers, dazu ein bisschen Bitter- und Kräuterunterstützung durch Suze und Chartreuse und etwas Frische durch Zitrone – aromatisch sehr unterhaltsam!
Swiss Watch
1oz / 30ml Kirschwasser
1oz / 30ml Suze
1oz / 30ml Chartreuse Jaune
⅔oz / 20ml Zitronensaft
Auf Eis shaken. In einem Glas voll Eis und mit Zuckerrand servieren.
[Rezept nach Peter Konkoly]
Die Edelbrennerei Dirker füllt alle Brände in eine Flasche mit eigener Form und ins Glas eingelassenem Logo ab, die Etiketten werden noch von Hand ausgeschnitten und aufgeklebt. Mir gefällt die Form der Flaschen sehr, das ist hübsch und praktisch. Sehr schön: sie können, wenn leergetrunken, zurückgegeben werden und man erhält dann direkt Geld ausbezahlt oder einen kleinen Rabatt für Folgekäufe. Das hilft dem Brenner bei der grundsätzlichen Flaschenknappheit und tut gleichzeitig was für die Umwelt.
Um zurückzukommen auf die Eingangsfrage – ja, die Unterschiede sind natürlich deutlichst spürbar, es ist wunderbar, mit welcher Feinheit Dirker diese in seinen Destillaten herausarbeitet und wiedergibt. Ich bin mit meiner eingekauften Trilogie dabei noch längst nicht am Ende der Kirschenfahnenstange bei ihm, nach der positiven Erfahrung stehen die Schwarze Mohrenkirsche, die Schwarze Wildkirsche, die Glaskirsche, die Morellenfeuerkirsche, die Traubenkirsche und weiter verarbeitete Sorten wie das Marzipan-Kirschwasser auf meiner Liste der „unbedingt noch zu probierenden Spirituosen“!




