Himmlische Tränen – Heaven & Hell Gold 47 London Dry Gin

Heaven & Hell Gold 47 London Dry Gin Titel

Man ist ja doch viel gewohnt, was Hintergrundgeschichten um ein Produkt angeht. Es gibt die Art von Hersteller, die damit ein mäßig spannendes Destillat durch Anregung der Fantasie auf anderen Ebenen aufwerten und besser verkaufbar machen wollen (etwas, was zwar gut funktioniert, aber meines Erachtens den Kunden nicht wertschätzt); und es gibt die, bei denen man irgendwie spürt, dass in der erzählten Geschichte Herzblut und Kreativität steckt. Bei allem, was ich bisher als Flasche in der Hand hatte, habe ich aber nur selten eine derart elaborierte Struktur gesehen wie beim Heaven & Hell Gold 47 London Dry Gin.

„47 divine tears fell from the mountain tops onto the fertile soil, sprouting 21 burning, fiery and soothing medicinal plants. 21 fresh, sweet and pure, joined by fire, water, earth and soil. With the last tear of juniper berries, the elixir of life was born, united in a special divine intoxication.“

Das ist nur ein winziger Ausschnitt aus der langen Schöpfungsgeschichte dieses Gins, man spürt fast den religiösen Touch, den man hier mitgeben will. Man balanciert hier natürlich drastisch hart auf einer Rasierklinge zwischen akzeptablem Pathos und albernem Kitsch, und jeder Kunde muss selbst entscheiden, auf welche Seite man fallen will. Ich werde den Gin aus Slowenien mal rein sensorisch anschauen und dann für mich persönlich eine Wahl treffen. Dass er mit 47% Alkoholgehalt abgefüllt ist, bewegt ihn schonmal sicher in die positive Richtung, ebenso dass der London-Dry-Gin-Deklaration gemäß kein Zucker beigesetzt wird. Dass auch 47 Botanicals eingesetzt wurden und man den Gin 47 Tage inert ruhen ließ, macht die magische Numerologie irgendwie rund. Ein paar der Botanicals, insbesondere Ringelblumen, Gänseblümchen, Schmetterlingserbse, Schafgarbe, Brennnessel und Hopfen finde ich durchaus exotisch und spannend, mal schauen, was sie im himmlisch-höllischen Konzert zusammen erreichen!

Heaven & Hell Gold 47 London Dry Gin

Die „Reifung“ von 37 Tagen hat jedenfalls keine optische Veränderung gebracht, es handelt sich nicht um eine Holzfassreifung, die wir bei Gin inzwischen ja auch schon ab und zu gesehen haben. Eine leichte Viskosität mit schönem Film am Glas gefällt beim Schwenken.

Der Gin ist durchaus intensiv für die Nase: man riecht ihn beim Eingießen und auf einige Zentimeter Entfernung, muss gar nicht tief ins Glas schnuppern. Tut man das doch, findet man ein wirklich komplexes Bild, das mit unterschiedlichen Aspekten aufwartet; hier beginnt man langsam zu spüren, dass die Hintergrundgeschichte glaubhafter wird, denn die vielen Botanicals bauen sich wirklich hübsch zusammen. Süßbittere Aromen überwiegen zunächst, doch fruchtigflorale Seitentöne wirken effektiv. Man ahnt etwas Anis heraus, der nicht in der Botanicalsliste auftaucht, Wermutkraut ist sehr präsent. Die Dichte der Aromen lässt mit Offenstehzeit etwas nach. Den Wacholder muss man etwas suchen unter all den Eindrücken, er könnte für meinen klassischen Gingeschmack sehr viel ausgeprägter sein.

Heaven & Hell Gold 47 London Dry Gin Glas

Am Gaumen findet man ihn viel deutlicher und schneller, aber auch hier zeigt sich der Heaven & Hell Gold 47 ausgesprochen vielschichtig und schillernd. Die Textur ist rund aber nicht gemütlich, mit angenehmer Feuerkante versehen, die die Zungenspitze zum Prickeln bringt, das Mundgefühl bleibt vom Antrunk bis zum Abgang voll und dicht, mit einer schönen grundliegenden Süße, die sich nicht aufdrängt. Aromatisch hat man hier so einiges zu entdecken, die kräuterig-herben Geschmäcker dominieren, Ingwer und Zitronengras sind die offensichtlichsten. Man hat klar das Gefühl, dass hier viele Zutaten zusammenspielen, es macht Spaß, hier ein bisschen die Gedanken schweifen zu lassen. Im Abgang kommt milde Bittere auf, ein Hauch von Salzigkeit, alles gut eingebunden ins Gesamte. Rund, aromatisch interessant und strukturell sauber gemacht.

Ich habe wirklich nichts zu meckern, ein sehr schöner Gin, der seine großmundigen Versprechungen und die opulente Marketingstory tatsächlich am Ende doch mit intrinsischen Qualitäten unterlegen kann. Das ist was, was man durchaus pur in ein paar ruhigen Minuten genießen kann und bestens unterhalten wird – im Mixdrink genauso.


Für diese Art von Gin mit ihrem vollem Aromenprofil ist ein Tiki-Drink sicherlich eine sehr gute Wahl. Der Heaven & Hell Gold 47 macht sich beispielsweise im Scuttle Cocktail dann auch wirklich gut, er drängt sich nicht nach vorne und sorgt zusammen mit den anderen saftigen Zutaten eher für ein tiefes, rundes Gefühl. So sollte ein Tiki-Cocktail auch sein, und das Ergebnis überzeugt mich.

Scuttle Cocktail

Scuttle Cocktail
8 Blätter Minze im Shaker muddeln.
2oz / 60ml Dry Gin
½oz / 15ml Ingwerlikör
2oz / 60ml Grapefruitsaft
½oz / 15ml Ananassaft
¼oz / 7ml Cream of Coconut
1 Spritzer Angostura Bitters
1 Prise Salz
Auf Eis shaken. Doppelt abseihen.

[Rezept nach Michael Richardson]


Ich mag es eigentlich lieber, wenn Spirituosen in klaren Flaschen abgefüllt sind, doch bei einer transparenten wie einem Gin habe ich natürlich nichts dagegen, wenn das optisch aufgewertet wird: die Vollfolierung in mattem Schwarz macht was her und fühlt sich haptisch gut an, dazu kommt ein aufwändiges goldfarbenes Etikett, das die religiösen Motive der Hintergrundgeschichte aufgreift. Ein Schraubverschluss ist dagegen eine klare praktische Entscheidung, die ich unterstütze.

Soviele Produkte aus Slowenien hatte ich noch nicht im Glas, um ehrlich zu sein, ist es wahrscheinlich das erste. Meine Landkarte wächst also, und man kann dort wirklich zufrieden sein, wenn ein so schöner Gin das ist, was einem beim Gedanken an Slowenien in den Kopf kommt.

Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.

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