Wodka muss man verstehen lernen, wie jede Spirituose. Hierzulande hat er weiterhin flächig den Ruf, als reiner Alkohollieferant zu dienen, für Vodka Lemon und andere Partydrinks. Anspruchslos, an der Supermarktkasse legen ihn die Alkoholiker in kleinen Portionen aufs Förderband. Neutralsprit. Vorurteile halt! Nicht nur der Laie, auch viele Kenner haben noch nicht begriffen, dass es bei Wodka, wie bei allen Kategorien, solche und solche gibt. Wer im Discounter den 5€-Gorbatschow kauft, darf nicht damit rechnen, eine Geschmacksexplosion vorzufinden – und man sollte dieses Erlebnis nicht als Standard für eine ganze Kategorie hernehmen. Beim Spirituosenwettbewerb ISW in Neustadt/Weinstraße habe ich inzwischen mehrfach Flights aus Wodka mitgemacht, die die Spannbreite dieser Spirituose aufzeigen, und da bei solchen Wettbewerben eher die ein Produkt einreichen, die stolz darauf sind als die, die mit anonymer Massenware Geld verdienen wollen, sieht man in solchen Flights eben erst das Licht, das einem beim Probieren aufgeht.
Die Crystal Rain Distillery in Wheeling in den USA legt erkennbar Wert auf die Herstellung und fällt damit sicherlich eher unter die erste Gruppe denn die zweite. Das beginnt mit einem Biosiegel, das man sich bei Spirituosen nicht leistet, wenn man nicht davon überzeugt ist, dafür ist es zu teuer. Der Bio-Winterweizen für den Kristone Handmade Vodka wird fermentiert und dann 6-fach destilliert, ich danke dem Hersteller hiermit für eine Zahl, die nicht dreistellig ist, und man so eines der Probleme dieser Kategorie umschifft, nämlich, dass das Marketing lächerlich geworden ist. Mit der eingesetzten Silber- und Platinfiltrierung habe ich auch so meine Probleme, sicherlich sind beide Stoffe Oxidierungshilfsmittel, mit denen unerwünschte Störstoffe aus dem Destillat gefiltert werden, das ginge sicherlich auch mit schlichter Kohlefiltration, doch das klingt dann halt nicht so gut. Nun, manche Dinge muss man einfach machen, da die Kunden darauf anspringen, darum kritisiere ich das nicht wirklich, und es schadet ja auch kein bisschen. Mit 40% wird der Kristone Handmade Vodka dann abgefüllt. Holen wir ihn wieder raus aus dem Glasknast und genießen ihn so, wie man es auch bei Wodka tun soll – im Stielglas statt im Shotbecher!
Klar, rein und sauber – ich hätte auch nichts anderes erwartet. Die Konsistenz ist dagegen schon beschreibungswürdiger, man spürt beim Schwenken die Viskosität sehr deutlich, das schwappt schwer und hinterlässt auch viele Artefakte an der Glaswand, die schnell ablaufen.
Ich sage es bei jeder Besprechung von Wodkas hier auf meinem Blog: ein guter Wodka ist kein Neutralsprit. Jeder Zweifel wird auch beendet, wenn man die Nase ins Glas hält, da findet man direkt würzige Getreidigkeit, der Weizen ist sehr deutlich ausgeprägt, aromatisch, leicht zitrusfruchtig, frisch und hell. Minimalste Gewürztöne spielen da noch rein, ein Hauch von Zimt, ein bisschen ein floraler Aspekt, alles aber klar dem Weizen untergeordnet, wie es sein soll. Riecht man tief, findet man ganz dezent Lack, aber wirklich nur wenig, eine gewisse Alkoholizität lässt sich nicht verneinen, aber auch sie ist gehört für mich dazu und stört keine Sekunde.
Man hat es bereits gesehen, im Mund bestätigt sich die Öligkeit dieses Wodkas dann deutlich. Eine runde, schwere, dichte Textur breitet sich aus, legt sich über den ganzen Gaumen, ohne ihn zu beschweren. Stark ausgeprägte Süße unterstützt das, mir ist das stellenweise fast zu viel, denn sie macht den Kristone schwer und ein bisschen stumpf, weil auch ein gewisser Anteil Vanille dazukommt. Die Aromatik dagegen punktet voll, Weizen ist klar erkennbar, sauber, rein und dabei trotzdem sensorisch durchaus spannend. Mildfruchtige Töne kommen im Verlauf, Grapefruitzeste dazu, danach entsteht eine ganz feine, brummende schwarzpfeffrige Wärme, der kräftigen Würze entspringend, nicht brennend oder alkoholisch. Diese Wärme begleitet uns lange und bis zum Schluss, wenn der Kristone langsam, gemütlich und mit viel dichtem Nachhall ausklingt.
Ein Wodka mit eigenem Charakter, ganz sicher – für mich ist bei dieser Kategorie das Mundgefühl mit das wichtigste, und da enttäucht mich dieser Wodka überhaupt nicht, im Gegenteil, das liegt echt gut am Gaumen, ohne Ecke und Kante. Etwas, so verrückt sich das für manche anhören mag, die sonst nur die dünnen und billigen Supermarktwodkas kennen, das man einfach so vor sich hin schlürfen kann.
Entsprechend dieser Eigenschaften kann man den Kristone durchaus nicht nur als Alkohollieferant in Cocktails einsetzen, sondern als aromatische Zutat. Der Absolute Gangster ist gefühlt eine gewisse Variation auf einen Vodka Martini, grenzt sich aber schon deutlich von seinem Vorbild ab. Mit dem Kristone und unterstützenden Zutaten trinkt sich das, dem Namen gemäß, sehr gefährlich! Und er passt natürlich zur Region, aus der der Wodka kommt: Chicago und Gangster, das gehört einfach zusammen.
Absolute Gangster
2oz / 60ml Wodka
½oz / 15ml Lillet blanc
1/6oz / 5ml Zuckersirup
4 Tropfen Abbott’s Bitters
Auf Eis rühren. Auf einem großen Eiswürfel servieren.
[Rezept nach Ricardo Dynan]
Ich mag mattierte Flaschen, das fühlt sich einfach gut an – hier hat man ein aufwändiges Verfahren genutzt, um sowohl klare als auch mattierte Teile zu haben. Hübsches Detail, das erst auf den zweiten Blick auffällt. Die Standardflasche wird dadurch durchaus aufgewertet, so wie durch das stilsichere Design mit Schwarz und einzelnen Goldapplikationen.
Ich hatte damit eingeleitet, dass man Wodka verstehen muss, um ihn wirklich genießen zu können. Vielleicht wäre der Kristone Handmade Vodka ein guter Kandidat, sich mal mit einer Flasche hinzusetzen und ihn schlückchenweise zu genießen statt ihn runterzustürzen in Shots oder Longdrinks. Tauglich dafür ist er!
Offenlegung: Ich danke FFL -Spirit Brands- für die kosten- und bedingungslose Zusendung einer Flasche dieses Wodkas.


