Einer der lokalen Edekas bei mir in der Region hat sich zum wahren Freudenquell entwickelt, was Biere angeht. Da stehen immer wieder neue Sachen herum, die man ausprobieren kann, und zwar nicht das Standardsortiment, sondern auch interessante Klassiker aus England, Österreich und vor allem Belgien, die man sonst nicht so in Supermärkten sieht. Als neulich das fast komplette Set an Bieren von Chimay Pères Trappistes dort zu finden war, habe ich natürlich sofort an eine Tastingreihe gedacht und mir alle vier vorhandenen in mehrfacher Ausfertigung aus dem Regal gegriffen. Die Fläschchen sind nicht ganz billig, aber, ich nehme das vorweg, sicherlich ihren Preis wert. Also, ran an Chimay Pères Trappistes Dorée Blonde Légère, Rouge Brune, Triple Blonde und Bleue Brune Forte 2023!
Vier Biere, offensichtlich voneinander abgegrenzt durch ihre Etikettenfarbe. Wir trinken uns von links nach rechts durch, wie man das bei Verkostungen machen sollte: mit steigendem Alkoholgehalt und zunehmender Malzigkeit.
Der Name des Chimay Dorée Blonde Légère / Goud Blond passt sicher zu diesem leicht milchigblassen, teiltransparenten Gold mit feinblasiger, weißer Schaumkrone. Man hat aber wenig Zeit, diesen Anblick zu genießen, denn beim Eingießen verströmt das Blonde Dorée sofort weitflächig eine sehr bezaubernde Blumigkeit, der man kaum entgehen kann – keine wirklichen Blütennoten, mehr diese Art, die bei frisch zerdrücktem Getreide entsteht, mit Stärke-, Teig- und Kuchenaromen. Wunderbar, wirklich etwas, was ich gerne rieche. Am Gaumen wird das konsequent fortgeführt, auch hier ist diese streuselige Mischung aus Aprikosen, Rosenblättern, süßem Windbeutel und einem leicht grünen Geranieneinschlag vorhanden. Eine dickflüssige Textur unterstützt das, und eine freche Säurekante und prickelnde Karbonisierung machen das Bier dann erfrischend. Diese über allem liegende Floralität dominiert auch den Abgang, süßbitter, auf der Zunge leicht astringierend. Besonders und extrem eigen, das Bier erkennt man unter Hunderten wieder, garantiert. Und mit 4,8% Alkoholgehalt ist das was, was man zwischendurch auch gut öfters trinken kann.
Auch beim Chimay Rouge Brune / Brun habe ich am Namen nichts auszusetzen: haselnussbraun, dabei praktisch blickdicht, mit sehr kräftiger Schaumentwicklung beim Eingießen. Im Gegensatz zu vielen anderen Flaschengärungsbieren ist der sehr grobblasige Schaum hier aber recht stabil und bleibt lange in zentimeterdicker Schicht erhalten. Der Geruch ist sowohl frisch, aber auch extrem malzig und würzig. Da sind viele rostige Nägel, nasses Holz und feuchtes Getreide. Röstaromen findet man auch, die aber von einer leichte Zitrusnote aufgefangen werden. Sehr attraktiv und stimmungsaufhellend für Menschen wie mich, die malzige Biere mögen. Im Antrunk ist das Brune weich, später frischer und mit dan kontrapunktierender kräftiger Säure. Vollmundig und rund, natürlich malzig auch im Geschmack, und ebenso leicht zitronig. Man hat für die meinen Geschmack perfekte Bittere getroffen, und es bleibt durchgängig rezent und erfrischend. Der mittellange Abgang wirkt mildherb, leicht trocken. 7% Alkoholgehalt sind gut gewählt und eingebunden, die angegebenen 10-12°C eine Trinktemperatursempfehlung, die ich voll unterstütze. Aromatisch nicht begeisternd, eher zurückhaltend, dafür in seinen Frischeeigenschaften gut. Ein tolles Genussbier für den lauen Sommerabend.
Den Alkoholgehalt hat man für das Chimay Triple Blonde/ Tripel nochmal einen Ticken auf 8% hochgefahren. Man sieht zunächst kräftiges, trübes Gold, fast in Terracotta übergehend. Wie schon bei den Vorgängern ist der Schaum beim Eingießen sehr stark, eher grobblasig, und darum sackt die initial grandiose Schaumhaube zwar zusammen, bleibt aber grundsätzlich gut erhalten. Die Nase findet zwei Komponenten: einerseits klare Getreiderostigkeit, andererseits milde Tropenfrucht, die ganz dezent Banane und Mango kombiniert, ohne dass das auch nur ansatzweise Pale-Ale-Ausmaße annimmt; frisch und leicht riecht das. Auch das Geschmackserlebnis ist deutlich zweitgeteilt. Im Antrunk ist das Triple leicht süß, malzig, mit Anklängen von würzigsüßem Honig. Nur wenig später wird es kräftig bitter und eher säuerlich. Grapefruit ist die nächste Assoziation, diese mittlere Bittere und Zestigkeit der Frucht finde ich hier wieder, das macht das Triple beinahe etwas kantig, stellenweise gefühlt holzig. Interessant! Frisch und rezent sind beide Aspekte, vielleicht nicht ganz so wie beim Brune. Das Mundgefühl mag ich sehr, es liegt gut im Mund und hat eine feste Textur, wird aber nie wirklich weich, das kühlt den Gaumen mit einer fast minzigen Eigenschaft. Der Abgang passt sich dem an, ist sehr trocken, knackig bitter, mittellang. Sicher ist das Triple nicht so gefällig und rund wie das Brune oder trinkig wie das Blonde – aber spannender und komplexer.
Kommen wir zum letzten des Quartetts, dem Chimay Bleue Brune Forte 2023. Dies ist ein Jahrgangsbier, das jedes Jahr neu speziell eingebraut wird. Ich habe hier nun ein fastaktuelles aus 2023 vor mir, im Kopf behalte ich die Tasting Notes, die ich mir vor langer Zeit für das 2016er-Bleue gemacht hatte. Mit 9% Alkoholgehalt ist es das stärkste, und mit seiner Mahagoniholzfarbe und kompletter Blickdichte auch das dunkelste. Der Schaum ist kräftig, unten fein, oben großblasig, und er bleibt lange auf dem Bier stehen. Die „starke Ausflockung von Heferesten“, die ich beim 2016er gesehen hatte, sind hier nicht sichtbar. Gleichgeblieben ist aber der extrem metallische Geruch, sehr rostig, danach erst kommt das dunkle Malz. Leichte Grapefruitschalenzestigkeit riecht man, und durchaus eine gewisse Note von Suppengrün. „Auch im Mund sehr stark metallisch, wirklich wie frische Stahlnägel aus dem Baumarkt“, hatte ich mir fürs 2016er notiert, bei der 2023er-Auflage ist das Malz sehr viel mehr im Vordergrund dafür, röstig, schokoladig, hefig, bananig, fast holzig. Die knackige Bittere spürt und schmeckt man, sie wird von schwerer Süße etwas aufgefangen. Rezenz ist trotz allem gut, auch durch die milde Säure, die alles aufhellt. Man hat fast den Eindruck von Zuckerwatte oder Fruchtkaugummi, da ist eine schöne Mischung aus tropischer Frucht und Floralität (letzteres ist ja bei allen Chimays erkennbar). Der Abgang ist süß und weich, malzig und mit sich erhaltender sanfter, dickflüssiger Textur. Hier bekommt man was, an dem man lange schlürfen kann!
Das ist ein schönes Quartett an sehr unterschiedlichen Bieren, bei denen es insbesondere Spaß macht, eben diesen Bogen vom leichten Blonden bis zum süßschweren Blauen nachzuvollziehen. Und jedes für sich ist aber auch süffig und unterhaltsam, alleinstehend. Diese Testrunde werde ich noch öfters machen – und dann noch die ausstehenden 150 Blonde Forte (im grünen Mantel) und Grande Réserve Fermentée en barriques (in der schwarzen Flasche und besonderem Etikett) dazu mitaufnehmen.




