Lokale besondere Zutaten im Bier, sowas finde ich immer sehr apart. In Deutschland sieht man das manchmal anders, ich weiß, und meine Meinung ist, dass man sich durch diese seltsame Anhänglichkeit an ein Lebensmittelgesetz viele Möglichkeiten, kreatives Bier zu brauen, verbaut. Nicht, dass das RHG jemals ein Bierschutzgesetz gewesen wäre oder es im Moment ist. In Kanada haben sie damit weniger Probleme, im Gegenteil, es lebt dort eine großartige Craftbierkultur mit Variantenreichtum und Expressivität – als Beispiel stelle ich heute das von meinem Urlaub mitgebrachte Tofino Brewing Company Kelp Stout vor. Es stammt aus einer Microbrewery in Tofino, einem etwas abgelegenen 3000-Einwohner-Dorf auf der Westseite von Vancouver Island, das hauptsächlich als Surfer-Geheimtip gilt. Der Name sagt es schon: lokaler, nachhaltig geernteter Seetang wird in dem sonst klassisch gestalteten Stout mitgebraut; das cool gestaltete Etikett gibt das auch wunderbar wieder. Ordentliche 6.0% Alkoholgehalt weist das Bier auf, da sollte man nicht mehr als eins trinken, wenn man noch vorhat, am Long Beach in die Wellen zu springen.
Extrem dunkles Mahagoni, fast schon schwarz, so wie man es von einem Stout erwartet. Blickdicht, im Gegenlicht sieht man aber ganz leichte, rubinrote Lichtreflexe. Der Schaum ist kontrastreich in hellem Beige, sehr fein, für ein paar Minuten fingerdick, danach noch als deckende Crema aus feinsten Bläschen erhalten. In der Nase findet man ein paar malzige, röstige Aromen, einen Ticken Espresso, Bitterschokolade und Karamell, aber insgesamt sehr zurückhaltend, nur im Anflug ist alles erkennbar, und man muss die Nase deutlich ans Bier halten.
Der Antrunk ist sofort sehr rezent und erfrischend, mit prickelnder Karbonisierung und heller Säure, die wunderbar die dicke, viskose Textur kontert und aufklärt. Ein wirklich großartiges Mundgefühl, das dabei entsteht, hier steht alles in wunderbarer Balance zueinander. Eine sehr angenehme Würzigkeit geht Hand in Hand mit leichter Salzigkeit, man meint wirklich, die Pazifikküste zu schmecken, mit einem fühlbar maritimen Touch. Die Aromen lassen sich dafür etwas Zeit, die natürlich für den Stil dominierende Malzigkeit drängt sich nicht auf, bleibt im Untergrund, lässt sogar etwas Platz für spät auftauchende Zitrone. Von vorne bis hinten wirkt das Bier blumig, Jasmin ist spontan da und bleibt bis zum Schluss. Ist da wirklich Seetang drin? Aromatisch kann man es sich vorstellen, insbesondere im Abgang, wenn die Bittereinheiten voll zuschlagen und im Rachen eine Trockenheit erzeugen, die wirklich seegrasig salzig wirkt.
Ein wirklich hervorragendes Bier, das voll einhält, was es verspricht, extrem süffig und trinkig, erfrischend und vollmundig zugleich. Handwerklich top, ohne jeden Fehler, und kreativ gemacht, und ein Bier, das auch zuhause noch genauso gut schmeckt wie im Urlaub (das ist ja nicht immer so gegeben). Insbesondere das Mundgefühl weckt in mir die Erinnerung an einen Abend auf dem Balkon des Tofino Motel Harborview, mit Blick auf den Pazifik und die angelegten Fischerboote und Wasserflugzeuge im Hafen.









Und ich bin etwas traurig, dass ich nur eine Dose davon mitgenommen habe, denn ob ich je wieder nach Tofino komme, ist fraglich, so eine weite Reise macht man nicht einfach so. Aber in Gedanken bin ich irgendwo schon weiterhin dort.
