Mirin ist eine japanische Spezialität, die der eine oder andere sicher schon zu sich genommen hat, ohne es zu wissen. Die höchste Qualitätsstufe davon, der Hon Mirin („echter“ Mirin), wird aus drei Zutaten gemacht – Klebreis, Koji (ein enzymreicher, bakterienbasierter Fermentationsstarter, der auch bei beispielsweise Sake verwendet wird) und Reis-Shochu. Der Reis wird mit dem Koji geimpft, und muss dann rund 2 Monate reifen – in der Zeit spalten die Enzyme die Stärke im Reis auf und lassen Zuckerarten und Aromen zurück. Mit dem Shochu wird dann die Verzuckerung zu einem gewählten Zeitpunkt unterbrochen und man erhält eine likörartige Flüssigkeit, die in der japanischen Küche hauptsächlich als Kochzutat genutzt wird (daher mein einleitender Kommentar), aber, wie man beim Kankyo Shuzo 20 Years aged Black Mirin (Kuro 20 Hon Mirin) (弐拾年熟成 黒みりん) sieht, den ich heute vorstelle, sich auch als eine durchaus als reines Genussmittel geeignete Genießerware präsentieren kann!
Wie bei so vielen asiatischen Dingen ist man bei Kankyo Shuzo, dem Brauer, ansässig in der Präfektur Aichi in Zentraljapan, stolz auf die vielhundertjährige Tradition, die hinter so einem besonderen Likör steckt. 20 Jahre ruht dieser Hon Mirin in Stahltanks, bevor er mit 14% Alkoholgehalt abgefüllt wird, eine Wartezeit, die nicht vielen Mirins gegönnt wird. Wer soviel Zeit investiert, hat auch glaubwürdig keinen Bedarf nach Zusatzstoffen, um das Wunscharoma zu erreichen – weder Zucker noch sonstige Additive kommen dazu, die Süße und der Geschmack entstammen rein dem fermentierten Reis. Die Verwendung regionaler Basismaterialien und des lokalen Wassers passen in dieses Bild eines hochwertig hergestellten, traditionellen Produkts. Was kommt am Ende aber tatsächlich geschmacklich raus? Wir schauen nach.
„Black“ Mirin, nun, da darf man keine andere Farbe erwarten als diese beinahe schwarze Farbe. Beinahe nur, denn bei Gegenlicht sieht man, dass es eigentlich ein tiefdunkles Braun ist, mit leicht rotgoldenen Reflexen. Erinnert mich etwas an Kaffeelikör, auch von der schweren, sehr öligen und sich nur widerwillig in Bewegung setzenden Konsistenz her. Die Flüssigkeit lässt einen braunen Film an der Glaswand zurück, der sich nur langsam ablöst.
Bei der Nase bin ich direkt überrascht – das ist mehr als nur reminiszent an Sauce-Aroma-Baijiu, das würde ich im Blindtest sofort und ohne jedes Zögern dahin verorten. Sehr esterig, mit vergorener Frucht, darunter eine supermalzige, röstige und vegetabile Sojasaucenseite, mit Anklängen von Champignons, Liebstöckel, verbranntem Karamell und Melasse. Ein Anflug von Balsamicoessig ist da, doch mit letzterem will ich es wirklich nicht vergleichen, auch wenn es sich grundsätzlich ähnlicher anfühlt wie Gewürzflüssigkeit denn eine Spirituose.
Im Mund ist es aber definitiv kein Essig, sondern ein richtig starksüßer Likör. Das greift erneut die Erinnerung an Kaffeelikör auf, mit einer dunklen, cremigen Espressowürze, dabei bombenfett malzig, wirklich fast schon purer, dunkler Karamell, mit einer viskosen, dicken Textur, die sich schnell wie Zuckersirup auf die Zunge legt. Frischer, eingedickter Zuckerrohrsaft und „Sirop de Batterie“ sind weitere Gedanken, die mir entsprechend einfallen. Trockenobst aus Pflaumen, Rosinen und insbesondere Datteln drängen sich auf, letztere ganz stark – hätte ich von der Nase her den Black Mirin für einen Baijiu gehalten, hätte ich im Mund das als Dattellikör eingeordnet. Ein Ticken Chilischärfe bildet sich heraus, nur ein Anflug, der sich aber ausdauernd hält. Im Abgang wirkt die Trockenfrucht schön weiter nach, die Würze ebenso, die Süße ist sowieso von Anfang an nicht kleinzukriegen, und sie belegt Zunge und Lippen. Ein angenehmes Gefühl, doch mehr als minimalste Schlückchen kann man davon nicht trinken, sonst klebt einem der Mund zu.
Ein vielgestaltiger Likör, sehr komplex, nicht ganz einfach, aber insbesondere im Rückblick sehr angenehm zu trinken. Homöopathische Dosen reichen sicherlich aus, sowohl im Purgenuss als auch in einem Mixgetränk, einfach, weil der Black Mirin so extremst dicht und konzentriert ist, wie ich es selten erlebt habe. Das muss man erstmal verdauen!
Darum reichen auch die 10ml, die im Wesp verbaut werden, um den ganzen Drink trotzdem zu steuern, sowohl von der Farbe, als auch von der Aromatik her. Der klare Gin verdünnt dabei in einer Form, dass das Gesamtbild sehr viel massenkompatibler und einfacher zu genießen wird als der reine Mirin; ich denke, für zuhause ist so eine Zutat auch hauptsächlich für die Mischform im Einsatz, wenn man sich da ran traut.
Wesp
1oz / 30ml Dry Gin
1½oz / 45ml Lillet Blanc
⅓oz / 10ml Mirin
3 Spritzer Peychaud Bitters
Mit Eis werfen.
[Rezept nach der Emile Bar]
Über die Art transparente Plastikverpackungen, in denen man den Black Mirin bekommt, kann man sicherlich geteilter Meinung sein – ich finde sie, wenn man sie so einfach sieht, ganz hübsch, weil sie die Flasche selbst in den Mittelpunkt stellen. Nimmt man sie jedoch in die Hand, und will die Flasche herausholen, merkt man, wie schlecht sich das anfühlt und wie hakelig das Herausholen ist. Insgesamt mag ich diese Art der Verpackung nicht, es ist einfach nicht dem Inhalt und der restlichen wertigen Präsentation mit dem roten Tuch, den goldenen Etiketten und dem netten Umhänger angemessen.



Die Beschriftungen sind fast ausschließlich in Japanisch, der Informationsgehalt ist also eingeschränkt, macht das ganze aber halt so ein bisschen exotisch, und das ist für den oberflächlichen Asienfreund wie mich durchaus ansprechend. Bei chinesischen Spirituosen wende ich viel Zeit auf, die Etiketten zumindest für mich zu verstehen und zu übersetzen, bei japanisch ist mein Elan diesbezüglich zu niedrig. Alle Informationen, die dort zu finden wären, kann man beim Importeur ginza.de nachlesen, darum ist das auch nicht schlimm. Gerade bei so seltenen und seltsamen Spirituosen macht es vielleicht dem einen oder anderen Leser auch Spaß, dies selbst zu eruieren, während man einen Tropfen des Black Mirin auf der Zunge zerlaufen lässt.



Ein Kommentar zu “Schwarz und süß – Kankyo Shuzo 20 Years aged Black Mirin (Kuro 20 Hon Mirin) (弐拾年熟成 黒みりん)”