Subkultur und Gemeinwohl – Ambiq Bio Bitter Aperitif

Ambiq Bio Bitter Aperitif Titel

„Unabhängige Spirituosen für eine freie Subkultur“ – ein Satz, den man erstmal verdauen muss. Was bedeutet das? Was ist eine unabhängige Spirituose, was eine freie Subkultur? Die Macher des Ambiq Bio Bitter Aperitif, auf dessen Rücketikett und den Pressetexten man diesen Satz findet, sparen nicht mit Erklärungen, wie sie es meinen. Nachhaltigkeit (kurze Lieferwege und Verzicht auf Unnötiges), soziale Verantwortung (Gemeinwohlökonomie, kooperatives und demokratisches Arbeiten) und Gerechtigkeit (selbstbestimmt und -organisiert, hierarchiefrei, Konsentverfahren bei Entscheidungen) sind nur ein paar der Schlagworte, die in einem manifestartigen Selbstbild zu finden sind. Aufklärung und Suchtprävention hat man sich darüber hinaus auf die Fahne geschrieben. Ein sympathisches, wenn auch auf den ersten Blick fast schon überfrachtet wirkendes Ensemble voller Ideen, deren reale Umsetzung die Welt aus meiner Sicht aber auch tatsächlich etwas besser machen könnten. Man braucht einfach Utopisten, müde Ironie und konservativer Pragmatismus werden nie etwas an der Situation ändern.

Eine Spirituose mit so einem Selbstbild bekommt bei mir schonmal etwas Vertrauensvorschuss, dennoch muss sie sich beweisen. Der Ambiq Bio Bitter Aperitif hat, neben den angesprochenen Metathemen, aber auch so eine interessante Grundstruktur zu bieten: Ein Basisdestillat aus Weizen wird mit sechs Botanicals, alle natürlich gemäß dem abgedruckten und im Namen enthaltenen Biosiegel biologisch zertifiziert gesourct, aromatisiert. Man findet hier Orange, Enzian, Chinin, Vanille, Wermut und Cassis. Das klingt für mich nach einer durchaus spannenden Mischung von erdigen, frischen, bitteren und süßen Aspekten. Probieren wir, ob sich das so im Glas auch bewahrheitet!

Ambiq Bio Bitter Aperitif

Farblich ist das sehr dramatisch eingestellt, tiefes, leuchtendes Rubinrot, dabei bleibt es kristallklar und durchsichtig. Im Glas bewegt sich der Aperitif leicht und geschmeidig, nicht wirklich offensichtlich ölig, aber mit einer erkennbaren Schwere.

In der Nase finde ich als allererstes einen sehr persönlichen Eindruck – schwarze Johannisbeeren und Holunderbeeren. Das erinnert mich gar nicht so entfernt an den Holundersaft, den meine Eltern früher eingekocht hatten. Danach kommt die Zeste einer Bitterorange, mit einem guten Anteil Albedo, und auch frischer Orangensaft klingt irgendwie mit. Natürlich wirkt das ingesamt bitter, so soll es auch sein, dabei aber fruchtiger als zum Beispiel Aperol oder Campari, zwei natürliche indirekte Konkurrenten in dieser Kategorie der Bitterspirituosen. Ganz milde und nur im Hauch vorhandene Anklänge von Lakritz und erdigem Enzian finde ich noch – ein insgesamt sehr ansprechendes und durchaus komplexes Geruchsbild soweit.

Ambiq Bio Bitter Aperitif Glas

Im Mund kommt das zunächst sehr mild an, angenehme Süße, kräftig ausgeprägt, aber nie pappig wirkend, definiert den ersten Eindruck. Dann spüre ich die schwarzen Johannisbeeren und den Holunder, sowohl von der Fruchtigkeit als auch von der diesen Beeren bereits inhärenten Bittere. Orange, vielleicht schon fast Bergamotte, erscheint aromatisch, mit dieser zestigen Seite. Leichte Gewürznoten spielen die Rolle des Komplexitätsgebers, nie wirklich klar definiert, einfach als zugrundeliegendes Bouquet. Spät bildet sich ein vorsichtiges Prickeln auf Zunge und Schleimhäuten, dem Alkoholgehalt angemessen, und dann erscheint auch eine gewisse Schärfe, mehr pikant und frisch, eine Mischung aus Minz- und Pfeffereffekt gewissermaßen, der dann den Abgang dominiert. Bittere, Süße und etwas Estragonfrische bilden den langen Nachklang.

Pur trinkt sich das sehr angenehm, viel weniger süß als die italienischen Produkte, dabei aromatisch voll und dennoch leicht, mit einer sehr hübschen herben Seite. Auf Eis, mit einer Zitronenscheibe, im Sommer würde das pur sicher richtig viel Spaß machen, darauf freue ich mich jetzt schon – der erste Sonnentag wird mit dem Ambiq Bio Bitter eingeleitet werden!


Neben dem Einsatz als herber Aperitif, wie der Name es ja schon vorschlägt, sehe ich den Ambiq durchaus auch als Variante auf bekannte Geschmäcker in Mixed Drinks. Wem zum Beispiel Campari zu bitter und Aperol zu süß ist, der findet hier eine Zutat, die in Rezepturen ähnlich verwendet werden kann und dem Gesamtbild dann einen neuen, interessanten Twist verleiht, sei es im Negroni, Jungle Bird oder dem Génération perdue, bei dem mit dem Ambiq alles passt.

Génération perdue Cocktail

Génération perdue
1oz / 30ml Dubonnet rouge
½oz / 15ml Cognac
½oz / 15ml Campari
Auf Eis rühren.

[Rezept nach unbekannt]


Die Literflasche mit Blechschraubverschluss ist einfach gehalten, hier zeigt sich, dass man sich wirklich daran hält, was man schreibt: der Verzicht auf unnötiges Chichi. Auch das Etikett ist ähnlich reduktionistisch. Über ein paar formulierte Gedanken hinaus, die auf dem Rücketikett zu finden sind, habe ich nicht das Gefühl, dass hier offensiv missioniert wird – gut gemacht, wenn das Produkt so wie hier überzeugt, findet die Ideenübertragung eh viel leichter über den Geschmack statt Laberei statt.

Mich haben sie jedenfalls überzeugt, und ich drücke der Firma Abyme alle Daumen, dass sich ihr Geschäftskonzept durchsetzt. Vielleicht steckt so eine Initiative auch andere an, statt dem großen Geld (das man als kleine Firma in der Spirituosenbranche eh nicht machen kann) etwas Nachhaltiges zu schaffen. Ich bin und bleibe Optimist, und würde es mir sehr wünschen, mehr Produkte dieser Art auf dem Markt zu finden.

Offenlegung: Ich danke Abyme für die kosten- und bedingungslose Zusendung einer Flasche des Ambiq Bio Bitter Aperitif.

Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.

Ein Kommentar zu “Subkultur und Gemeinwohl – Ambiq Bio Bitter Aperitif

  1. Habe mir auf diesen Beitrag hin eine Flasche Ambiq Bio Bitter Aperitif bestellt. Sehr freundlicher Kontakt mit Abyme, superschnelle Zusendung und sehr, sehr lecker. Wir tranken ihn nach Art eines klassischen Spritz, in diesem Fall mit einem Weißburgunder aus der Pfalz.

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