Eine Insel in der Sonne, gut gelaunte Menschen, die zu Musik tanzen und dabei Gläser voller Schnaps in der Hand halten – das ist so das Klischeewerbungsbild, das wir kennen. Inseln sind eigentlich marketingtechnisch voll in der Hand von Rum, die Karibik legt da natürlich vor, Südostasien und der indische Ozean ziehen nach. Doch manchmal, ganz selten, ist eine Insel auch die Heimat einer Spirituose, die man nicht direkt mit Inselflair verbindet: Cognac. Dazu kommt, dass etwas, das sich „Cognac“ nennen will, natürlich aus der Gegend um die Stadt Cognac in Südwestfrankreich stammen muss, und da denkt man sich, naja, das ist Festlandsfrankreich, wo soll da auch eine Insel herkommen. Auftritt: Camus Île de Ré Fine Island Cognac.
Die Île de Ré liegt vor La Rochelle an der französischen Atlantik-Westküste im Département Charente-Maritime, und auch wenn auf der Insel Austernzucht und Fischerei die wichtigsten Wirtschaftszweige sind, wird dort doch auch Wein angebaut, aus dem ein Weinbrand hergestellt werden kann. Auf 650ha Anbaugebiet findet man die Rebsorten Sauvignon Blanc, Chardonnay, Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc, Merlot – und auch Colombard und Ugni Blanc, zwei Rebsorten, die für die Cognacherstellung erlaubt sind. Man hat also beides: die passenden Trauben, und man liegt im Cognac-Gebiet, nämlich in den Bois Ordinaires, aus denen man eher selten einen Cognac sieht. Nichts steht dem feinen Inselcognac des Maisons Camus im Wege!
Wenn man die Altersangabe auf dem Etikett suchen muss (und, wie hier, nicht erkennbar findet), kann man von einem jungen Destillat ausgehen, das nur die minimal geforderte Reifungsdauer, bei Cognac 2 Jahre, aufweist. Dementsprechend helles Bernstein findet man im Glas, dafür aber eine durchaus ansprechende Öligkeit, mit der sich die Flüssigkeit schwer schwenkt und die dicke Artefakte an der Glaswand hinterlässt.
Während man den Cognac schwenkt, kann man dem Geruch bereits nicht entgehen, er wabert vorsichtig über die Glaskante. Nicht wirklich aufdrängend, aber erkennbar. Da sind Rosinen und etwas Trester, im Sommer offen liegende rote Trauben. Direkt spürt man etwas Marzipan, ein Anflug Vanille, etwas Ananas und Pfirsich – angenehm, aber nicht wirklich exotisch und spannend, wie man das von einem Inselcognac vielleicht erwartet hätte. Ein bisschen Lack und Ethanol schimmert am Ende noch durch, auch hier fühlt man, dass der Camus nicht viel Fasslagerung gesehen hat. Im Endeffekt wirkt der Duft frisch und hell, und irgendwie mag ich ihn in seiner Dezenz.
Am Gaumen fällt zunächst die Textur auf, richtig weich und flauschig legt sich dieser Cognac in den Mund, breit und voll, mit ausgeprägter, aber natürlich wirkender Süße. Milde Fruchtaromen erscheinen, Pfirsich und Aprikose zunächst, später Rosinen und Datteln, wie auch schon in der Nase eher dezent, aber trotzdem wirksam. Später bildet sich dann eine freche Pfeffrigkeit heraus, die Zunge und Schleimhäute zum Kribbeln bringt, ohne dabei zu brennen, hier könnte man auch eine gewisse marine Mineralität herausschmecken, die sich mit einer ganz, ganz vorsichtigen iodischen Torfigkeit verbindet und dem Camus hier etwas Charakter verleiht, den man bisher vergeblich gesucht hatte. Gegen Ende blüht wirklich hübsche Floralität auf, mit richtig viel Jasmin und etwas Wintergrün, und diese liegt dann lange im Mund, minutenlang.
Beim Camus Île de Ré Fine Island Cognac finde ich genau diese Abwechslung, die ich an feinen Bränden mag, diese Ausgewogenheit zwischen Feinheit und Charakter. Natürlich könnte man noch ein paar mehr Aromen einfordern, doch irgendwie passt für mich persönlich hier schon sehr viel gut zusammen. Kein dramatischer Wuchtbrand, mehr was für die edlen, leichten Momente zwischendurch.
Der Antrim Cocktail, in der abgewandelten Rezeptur, die hier vorgestellt wird, ist nagelneu, fühlt sich dabei aber weiterhin sehr klassisch, durchaus präprohibitionsartig an, wie er ursprünglich auch von Charles H. Baker erfunden wurde. Getrieben ist er von Weinbrand und Portwein, das ist also definitiv etwas, in dem man sich auf wenige Basismaterialien konzentriert, das hat durchaus schon für sich einen intellektuellen Charme, aber ich bin auch ein verkopfter Cocktailnerd, was sowas angeht. Abseits dieses Aspekts schmeckt er aber einfach hervorragend, und der Cocktail von der Insel passt richtig gut in die Mixtur.
The Antrim Cocktail
1oz / 30ml Tawny Port
1oz / 30ml Cognac
2 Spritzer Orange Bitters
1 Teelöffel Gomme-Sirup
Auf Eis rühren.
[Rezept nach Selma Slabiak]
Die bauchige Flasche des Camus Île de Ré Fine Island Cognac liegt gut in der Hand, das Etikett ist üppig gestaltet mit sehr hübschen Illustrationen, die auch die scheinbar so paradoxe Situation gut darstellen – Weinreben und Sandstrand, das ist gut gemacht und erklärt vieles schneller als meine laberigen Einleitungsworte. Da kommt doch Feeling auf, muss ich sagen. Der Karton, in dem die Flasche geliefert wird, ist ähnlich attraktiv designt, das hat schon Geschenkpotenzial für den Weinbrandfreund, der sonst alles schon kennt.
Gerade jenem möchte ich diese Abfüllung auch empfehlen, das ist interessant und unterhaltsam, insbesondere weil man hier tatsächlich im Ansatz die in der sich doch etwas gesetzten Cognacwelt, die man mehr mit alten Herren assoziiert, oft vermisste Exotik findet. Aber auch, wer sich noch nie mit Cognac auseinandergesetzt hat und etwas Leichtes, oder einen wunderbar funktionellen Mix-Weinbrand für die exklusive Heimcocktailbar, sucht, macht bei einem Kauf nichts falsch!



Ein Kommentar zu “Trauben von der Insel – Camus Île de Ré Fine Island Cognac”