Einheit in Vielfalt – Savanna Réunion Island Rum

Savanna Réunion Island Rum Titel

Manchmal ergeben sich Zufälle, mit denen man nicht rechnet. Neulich erst hatte ich meine Heimbar etwas umorganisiert, und dabei die Flasche Savanna Lontan, die zum 60. Jubiläum des französischen Händlers La Maison du Whisky herausgegeben wurde, wiederentdeckt, die ich vor inzwischen schon 7 Jahren erworben hatte. „Darüber solltest du doch auch mal schreiben“, dachte ich mir, und Minuten später war der Gedanke schon wieder vergessen und die Flasche wieder hinten im Regal gelandet. Umstrukturierungsmaßnahmen sind selten wirklich erfolgreich. Doch diesmal bekam ich einen zusätzlichen Schubs, in der Form von Samples, die mir Kirsch Import, der wahrscheinlich der erfolgreichste deutsche Importeur, was exotischen Rum angeht, recht unerwartet ein paar Wochen später zukommen ließ. Solche Synergieeffekte lasse ich dann auch bei der mir inhärenten Trägheit nicht verstreichen, und hier stelle ich nun eine Menge Rums von der kleinen Insel Île de la Réunion im Indischen Ozean, einem französischen Département d’outre-mer, vor: die Rums von Savanna Réunion Island Rum, wie die Marke der Destillerie Savanna seit kurzem wohl offiziell angliziert heißt. Seit 1870 gibt es die Zuckerfabrik mit angegliederter kleiner Brennerei dieses Namens, danach erfolgten in den 40ern und 90ern umfangreiche Umbauten der gesamten Zucker- und Ruminfrastruktur der Insel, der Name Émile Hugot ist damit eng verbunden.

Savanna Réunion Island Rum

Bei Savanna stellt man drei Sorten Rum her: Rhum Agricole (also aus Zuckerrohrsaft entstanden), Rhum Traditionnel (also aus Melasse gebrannter Rum), und Rhum Grand Arôme, der auch aus Melasse hergestellt wird, aber deutlich längere Fermentationszeiten nutzt und dadurch intensivere Aromen hervorbringen kann. Dafür hat man auch unterschiedliche Brennapparate, eine Pot Still, eine klassische Säule und dazu noch eine Savalle-Kolonne, man ahnt schon, dass hier eine Vielzahl von unterschiedlichst parametrisierten Rums gestaltet werden kann. Zusätze oder Kaltfiltrierung gibt es allerdings bei keinem, sehr lobenswert. Gehen wir einfach mal einen Teil des Portfolios der Brennerei zusammen durch!


Savanna Intense 41,3 Rhum Traditionnel de La Réunion

Fangen wir bei dem glasklaren Savanna Intense 41,3 Rhum Traditionnel de La Réunion an. Viskosität sieht man hier, und hübsche Schlierenbildung, insgesamt aber unauffällig. In der Nase erkennt man sofort, dass man keinen Zuckerrohrsaftrum vor sich hat, sondern einen aus Melasse gebrannten. Süßlich, erdig, dezente Aromen von Guave, Litschi und Banane, dazu etwas Kokosnuss. Man muss tief schnuppern, und bekommt dann auch eine kleine Dosis Ethanol mit, bei den namensgebenden 41,3% Alkoholgehalt müsste das so nicht sein. Im Mund setzt sich das so fort, mit einer etwas helleren Komponente aus Vanille und gerösteten Mandeln. Insgesamt bleibt der Rum süß und mildfruchtig, er strahlt im Verlauf einen warmen Hauch aus, der sich am Gaumen ausbreitet. Die Textur ist dicht und rund, das passt gut zur kräftigen Bananen- und Kokossüße. Ja, das fühlt sich tropisch an, und ganz anders als ein Rhum Agricole. Das passt ziemlich sicher wunderbar in Cocktails, bei denen man eine dichte, süße Rumbasis braucht, die aromatisch aber nicht zu sehr heraussticht.

Savanna Métis Rhum Traditionnel Brun de La Réunion

Ein bisschen strohige Farbe gewonnen hat der Savanna Métis Rhum Traditionnel Brun de La Réunion, denn bei ihm handelt es sich um einen Blend aus Rums, die in Fässern und Vats aus französischer Eiche bis zu 4 Jahre gereift und auf 40% Alkoholgehalt eingestellt wurden. Die geruchliche Verwandschaft ist erkennbar, doch hier wirkt alles viel dunkler, als die Farbe es andeutet. Erdig, nasser Waldboden, feuchtes Holz, Champignons und ähnliche Eindrücke verschieben die Aromen etwas, Banane, Litschi und Kokos bleiben jedoch erhalten, das Ethanol dagegen ist verschwunden. Am Gaumen fällt zunächst die schwere Konsistenz auf, die sich fast wie Sirup an Zunge und Zähne legt. Erkennbar bildet sich dann daraus Würze heraus, das Holz ist nun erkennbar, ohne wirklich dominant gegen die Kokosbanane anzutreten, mehr, sie klarer herauszuschälen. Angenehme Säure sorgt für Balance, besonders im mildtrockenen Abgang, bei dem Zimtschärfe eine ganze Weile nachklingt. Süffig und sehr rund, das kann man pur trinken, oder für einen Cocktail einsetzen, der von der zusätzlichen Würze profitieren kann.

Savanna 5 ans d'âge Rhum Traditionnel Vieux de La Réunion

Nicht „bis zu“, sondern mindestens 5 Jahre Reifungsdauer benötigt der Savanna 5 ans d’âge Rhum Traditionnel Vieux de La Réunion. Da geht die Farbe natürlich schon ins Ocker über, ohne künstlich gefärbt zu wirken. Das Schwenkverhalten ist auch gemütlicher geworden, an der Glaswand bleibt eher eine ölige Fläche denn komplexe Beinbilder. Man bewegt sich sensorisch nun schon etwas weg von den Vorgängern, das Holz löst die tropische Frucht spürbar als Hauptaromengeber ab. Eher Trockenfrüchte findet man nun, Datteln und Feigen statt frischer Banane und Litschi. Ich gebe zu, das ist weniger interessant in der Nase als zuvor. Die weiche Textur ist dagegen voll erhalten geblieben, im Antrunk ist das sogar sehr flauschig. Erst im Verlauf kommt dann immer trockener werdende, sich sogar feurig präsentierende Würze auf, die auf die schwere Süße von Honig, Heu und Karamell aufbaut und die 43% Alkoholgehalt gut setzt. Ein ganz klassischer Rum, würde ich sagen, hier sieht man halt ein bisschen, wie durch Holzlagerung territoriale und sensorische Eigenheiten etwas unterdrückt werden zugunsten einer gewissen Generizität. Wenn es am Ende so angenehm zu trinken ist wie hier, stört mich das aber weniger als bei vielen anderen Produkten.

Savanna Le Must Rhum Traditionnel Très Vieux de La Réunion

Noch etwas älter werden wir beim Savanna Le Must Rhum Traditionnel Très Vieux de La Réunion – bis zu 9 Jahre alt sind die Rums dieses Blends, und man hat hier dann sogar auch Grand-Arôme-Rums dazugegeben, am Ende erreicht man damit 45% Alkoholgehalt. Klar ockerfarben ist der Blend nun, richtig ölig im Glas und die Beinchen kann man inzwischen zählen. Die Nase ist äußerst attraktiv geworden, man trifft auf eine exquisite Mischung von fruchtigen Estern und holzigen Tanninen – beide Seiten sind in toller Balance zueinander. Ein bisschen staubig wirkt der Rum, erinnernd an einen feuchten Keller. Am Gaumen wirkt der Le Must dagegen noch frisch und jung, mit vielen fruchtigen Aromen, dazu deutlichem Eindruck von Kirsche und Quitte, unterstützt von Backgewürzen. Bittere und Süße haben beide ihre Berechtigung, die Textur ist weich, aber nicht schwer. Gegen Ende zeigt sich die würzige, pikante Seite des Le Must, mit kaltem Feuer glüht er lange vor sich hin, ohne zu zwicken, und bleibt auch aromatisch sehr lange bei uns, ohne sich dabei wild aufzudrängen. Dieser Blend ist wirklich herrlich gelungen, mit viel Typizität und Charakter, und dennoch erfrischendem Charme.

Savanna Unshared Cask #25 Rhum Traditionnel Vieux de La Réunion

Der Grund, die Samples zugeschickt bekommen zu haben, ist natürlich die Veröffentlichung des Savanna Unshared Cask #25 Rhum Traditionnel Vieux de La Réunion. Kirsch Import hat sich das für uns deutschlandexklusiv gesichert. Es handelt sich um einen Single Cask, der nach 6 Jahren tropischer Reifung aus Fass #25, das vorher Cognac enthielt, mit 59,5% Alkoholgehalt auf nur 768 Flaschen gezogen wurde. Eingelagert wurde in das Fass ein Blend aus Rhum Traditionnel und HERR-Grand-Arôme-Rum, ähnlich wie schon beim Le Must. Farblich ist im Vergleich aber schon noch mindestens eine Farbstufe dazugekommen, zwischen Safran und Kupfer liegt er im Glas, und bewegt sich viskos, aber lebendig. Den HERR im Blend riecht man hier nun sehr deutlich, starke Ester definieren die Nase, mit etwas Fruchtkaugummi, Zuckerwatte und einer orthogonal dazu verlaufenden Erdigkeit. Ungewöhnlich und besonders, das muss man sagen. Das Gefühl führt der Gaumen fort, mit viel Wucht schlägt der Unshared Cask #25 hier auf, und bringt volle, dichte Eindrücke von Kirsche, Beeren, unreifer Ananas und Litschi. Brauner Kandiszucker steuert vom Antrunk an Würze bei, ein bisschen Anis und Estragon tauchen auf, Kardamomkälte gleicht die alkoholische Wärme aus. Deutlich trockener als alle Vorgänger ist dieser Rum am Gaumen, zeigt milde Astringenz dabei. Der Abgang ist sehr lang, fruchtbetont, hier kommen Holzaromen langsam hervor und lassen den Rum weniger wild als zu Beginn ausklingen. Wirklich hervorragend, dieser Abgang, er komplettiert einen sehr erwachsenen, grandios strukturierten Rum.


Zu guter Letzt wenden wir uns noch dem wahrscheinlich besondersten Produkt der Destillerie zu, dem Rhum Grande Arôme, der schon mehrfach erwähnt wurde. Zwei Ausprägungen gibt es davon, den HERR und den Lontan. Wir sprechen nun über den Savanna Lontan Rhum Traditionnel Grand Arôme, entstanden aus der oben angesprochenen Savalle Column Still. Meine Flasche ist Flasche 70 von 1000 aus einer Sonderabfüllung zur Feier des 60. Jubiläums von LMDW, mit einem Alkoholgehalt von 57% (der Standard-Lontan hat heutzutage 57,5%). Schon beim Eingießen ins Glas schwappt der Lontan schwer, und er schwenkt sich zäh, geht gern wieder in Ruhe über. Kristallklar ist er, auch wenn man durch die braunen Etiketten zunächst vom Flascheineindruck dachte, er hätte eine Tönung. Die Nase ist extrem, voller dramatischer Ester, weniger fruchtig, mehr quietschend schweißig, getragene Turnschuhe, Tennissocken nach dem Sport, die Umkleide im Gymnasium. Linoleum, Teer, eine alte Werkstatt mit geölten Werkzeugen. Plastik und leichte Floralität, am Ende dann doch noch Bergamotte, Stachelbeeren und grüne Banane. Man sieht, hochkomplex, wenn auch nicht besonders schmeichelnd, die rund 580g/hlpa an Estern muss man verkraften können. Im Mund ist der Lontan dann viel fruchtiger, mit schwarzen Johannisbeeren, Kirsche, etwas Birne; und hier wirkt er auch viel angenehmer, die ganzen Schweißnoten sind verschwunden. Schwere Süße definiert die Textur, der Alkoholgehalt ist kaum spürbar, erst im Magen merkt man, was man getrunken hat. Der Abgang ist entsprechend lang und wirksam, leicht grünlich und vegetal, deutlicher erdig, mit einem Touch von Pinienharz und Fichtennadeln. Höchstaromatisch macht der Lontan seiner Kategoriebezeichnung wirklich alle Ehre, und gefällt mir persönlich besser als viele der Estermonster aus Jamaica.


Hochesterrums können Cocktails leicht komplett übernehmen und sie eindimensional machen, das habe ich oft erlebt. Beim Golden Barnacle passiert das überhaupt nicht – es ist ganz erstaunlich, welche Komplexität in diesem Tikidrink zu finden ist, von Gewürzen über Obst bis hin zu Blüten ist alles da, was man von der Südsee erträumen könnte. Besonders der lange, hocharomatische und spannende Abgang macht diesen Cocktail zu etwas wirklich besonderem, wenn man einen Grande Arôme wie den Savanna Lontan dafür nutzt.

Golden Barnacle Cocktail

Golden Barnacle
1oz / 30ml ungereifter Rhum Agricole
½oz / 15ml gereifter Jamaica-Rum
½oz / 15ml Allspice Dram
1oz / 30ml Don’s Mix (2:1 Grapefruitsaft – Zimtsirup)
½oz / 15ml Limettensaft
Auf Eis blenden. In einen Tumbler mit Eis abseihen.
[Rezept nach Shannon Mustipher]


Wir haben hier eine weite Bandbreite von Rums probiert. Der Rhum Traditionnel von Savanna alleinstehend überzeugt mich nicht so unglaublich, das gebe ich zu, das fühlt sich für mich wie der übliche Melasserum aus Mittelamerika oder der Karibik an (was es eigentlich ja auch ist). Der Kniff ist auf La Réunion wirklich der Grand Arôme, sei es alleinstehend wie im Lontan, oder als Würzzutat im Unshared Cask #25 oder dem Le Must. Wer wissen will, was die Besonderheit der Insel im indischen Ozean ist, sollte einen von diesen drei probieren. Für den gemütlichen Trinker empfehle ich den Le Must, für den, der exotische Dramatik spüren will, den Lontan, und für alle anderen, die gern den Mittelweg des besten aus beiden Welten gehen wollen, den Unshared Cask.

Offenlegung: Ich danke Kirsch Import für die kosten- und bedingungslose Zusendung der Samples.

Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.

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