Schwarz wie die Nacht – Brill Pálinkaház Feketeribizli Pálinka

Brill Pálinkaház Titel

Ich war oft in Ungarn, meist in Budapest, hin und wieder aber auch auf dem Lande, und damit meine ich winzige, abgelegene Dörfer, die heutzutage nur noch aus genau den 3 älteren Herrschaften bestehen, die man aus familiären Gründen besucht. In solchen Situationen merkt man erst, wie drastisch der Unterschied in Ungarn zwischen Land- und Stadtbevölkerung ist, viel extremer, als das zum Beispiel in Deutschland oder Österreich der Fall wäre. Budapest und die zwei, drei anderen Großstädte sind ein Fremdkörper in Ungarn, das muss man so klar sagen, die Stadt ist pulsierend, dynamisch, vielgestaltig, multikulturell und wandelbar, das Land und auch die kleineren Städte sind das alles nicht, dort könnte man manchmal meinen, 50 Jahre in die Vergangenheit gerutscht zu sein, und die aktuelle politische Situation in Ungarn wundert mich darum nicht so richtig, wenn ich ehrlich bin. Dennoch trifft man natürlich auch dort nette Menschen, die wissen, was Gastfreundschaft bedeutet, wahrscheinlich sogar im Endeffekt mehr als die kühlen, abgehärteten Städter, denen täglich patzige und sich einen Dreck um Nebensächlichkeiten wie Freundlichkeit oder Respekt scherende Touristengruppen über die Füße flatschen und die darum kaum einen Grund hätten, im Gegenzug warmherziger zu sein. Und zur Gastfreundschaft in Ungarn, auf dem Land wie in der Stadt, gehört Pálinka, da gibt es überhaupt keine zwei Meinungen darüber.

Pálinka ist eine streng geregelte Spirituose, selbst die selbstgebrannten Feuerwässerchen des lokalen Dorfs halten sich an die Regeln, die wichtigste dabei ist: es dürfen nur die Früchte, die in Ungarn wachsen, zu Pálinka gebrannt werden. Kein Getreide, kein Gemüse, keine ausländischen Importe, und auch keine Aromen oder Fremdzucker sind erlaubt. Damit bekommt man wirklich ein Abbild des ungarischen Bodens, der so reichhaltig ist und mehr als genug Früchte hervorbringt, dass es den Magyaren nicht bange wird, das Basismaterial könne knapp werden. Allein die überfließenden Marktstände an fetten Pfirsichen, leuchtenden Aprikosen, saftigen Pflaumen und glänzenden Kirschen sind wie Ölgemälde, die man stundenlang anschauen möchte. Und natürlich Beeren, wie die schwarze Johannisbeere, die im Brill Pálinkaház Feketeribizli Pálinka verarbeitet wird. Brill ist ein in Ungarn gerade unter Kennern sehr geschätztes Pálinkahaus bei Szekszárd im südwestlichen Ungarn. Seit 20 Jahren macht man dort Pálinka, und gewinnt damit regelmäßig landesweite Auszeichnungen, der hier vorliegende hat dementsprechend auch 2018 eine TOP Pálinka of Excellence-Medaille bekommen; ich hoffe nun, im Glas auch etwas Ausgezeichnetes vorzufinden, wenn ich mir, nach dem letzten Ausflug nach Ungarn wieder zuhause, einen Schluck dieses Johannisbeerbrands aus dem Jahrgang 2021 eingieße.

Brill Pálinkaház Feketerizibli Pálinka

Das erste, was auffällt, ist die deutliche pastellgoldene Farbe. Sie stammt, überraschenderweise, aus der Frucht allein. Da die Beerenmaische so viel Farbe abgibt, bleibt selbst nach der Destillation davon etwas erhalten, etwas, was man sehr selten erlebt. Da man auf Aktivkohlefilterung verzichten will bei Brill, ist das vielleicht erklärungsbedürftig – aber natürlich. Ergänzt wird die Tönung durch eine lebendige Beweglichkeit, die auch mit einer gewissen Öligkeit einhergeht – beide Aspekte sind vorhanden, optisch macht das was her.

Hält man das Glas an die Nase, wird man auch hier auf keine Weise enttäuscht. Erstmal springt einen die schwarze Johannisbeere geradezu an, frisch gepflückt, mit noch etwas Stiel und Blatt auf der Hand. Die erkennbar bittere Beerigkeit ist klar definiert und sauber, mit nur leichten Nebenaromen von Vogelbeere, Kirsche und roter Johannisbeere. Ein kühler, fast minziger Eindruck kommt dazu, aber ohne jede Schärfe. Das ganze fühlt sich durchaus grün an, klar und frisch, mit einer gewissen Obststeinnote, die jedoch nicht marzipanig wirkt. Etwas Harz, etwas grüne Olive, ganz dezent nur und ohne die Fruchtaspekte anzugreifen, geben zusätzliche Komplexität und Tiefe ins Aroma.

Brill Pálinkaház Feketerizibli Pálinka Glas

Am Gaumen findet man erstmal eine etwas neutralere Beerennote, bei der die schwarze Johannisbeere initial gar nicht mal so klar dominiert. Das geht irgendwo zwischen Brombeere und Stachelbeere durch erstmal, mit mehr als nur einem Touch Vogelbeere. Die Textur ist sehr weich und voll, richtig mundausfüllend, schön breit, süßbitter und sogar mit einem Touch von Salz. Im Verlauf bildet sich leicht pikante Würze heraus, die etwas prickelt, nie brennt, den 40% Alkoholgehalt angemessen. Ganz spät dann, wenn der Brand den Mund schon wieder verlassen hat, blendet die schwarze Johannisbeere plötzlich dramatisch auf, mit einem Riesenvolumen, das sich ganz hinten hinter den Backenzähnen am Zahnfleisch konzentriert, und hier ist der genaue Fruchtgeschmack dann nahezu perfekt abgebildet.

Was ein guter Brand macht, ist es halt, diesen Fruchtgeschmack zu konservieren und zu verlängern – isst man eine Frucht, ist der direkte Geschmack sehr intensiv, dann aber schnell verflogen. Bei einem Obstbrand kehrt sich das um, initial muss sich am Gaumen der Geschmack erst entwickeln, bleibt dafür dann aber auch sehr viel länger: beim Brill Feketeribizli hier ist auch nach einer Viertelstunde noch retronasal die Johannisbeere da. Sowas liebe ich ja, ein Schlückchen reicht für lange Zeit, davon muss man gar nicht viel trinken, um das volle Erlebnis zu haben.


Ein aromatischer Obstbrand ist in vielen Varianten einsetzbar. Wie schon von Ulric Nijs in meinem Artikel über Obstbrände in der Fizzz #4/2023 empfohlen, ist in einem Metropolitan der Ersatz des eigentlich geforderten Blackcurrant-Wodkas durch einen echten Brand aus der schwarzen Johannisbeere ein Game Changer – die Eindrücke sind viel intensiver, echter, länger. Darum trinke ich so einen Drink natürlich nur damit, und der Brill Feketeribizli ist hierfür wirklich wunderbar, man fühlt ihn selbst gegen die große Gegendosis Orangenlikör und Cranberrysaft deutlichst heraus.

Metropolitan Cocktail

Metropolitan
1oz / 30ml Schwarze-Johannisbeere-Brand
1oz / 30ml Orangenlikör
1½oz / 45ml Cranberry-Saft
½oz / 15ml Limettensaft
¼oz / 7ml Lime Cordial
Auf Eis shaken.

[Rezept nach Chuck Coggins]


Der Stil der Flasche ist wohl überall in Europa gern für Obstbrände genutzt, ich sehe das oft so in Deutschland, Österreich und auch in Italien. Persönlich finde ich diese langgestreckte Form etwas unbequem, sowohl beim Eingießen als auch beim Aufbewahren im Regal, doch der repräsentative Effekt ist hier wohl wichtiger. Das Etikett ist klar designt und protzt nicht, hält sich aber auch etwas sehr zurück, was Details über den Brand selbst angeht, da fände ich etwas mehr gut.

Brill Pálinkaház Feketerizibli Pálinka und Sütőtök Párlat

Ich habe diese Flasche, wie gesagt, aus Budapest 2023 mitgebracht, und mit ihr gleich noch eine zweite Variante von Brill – dem Sütőtök Párlat, also einem Kürbisdestillat. Das darf – wer oben aufmerksam mitgelesen hat, weiß es bereits – natürlich nicht als „Pálinka“ verkauft werden, doch trotzdem ist das ein grandioser Tropfen, den ich hier auch noch besprechen werde. An solchen Destillaten erkennt man erst, dass die Leute bei Brill ihr Handwerk wahrlich verstehen – sonst könnte man denken, der Brill Pálinkaház Feketeribizli Pálinka wäre ein Glücksfall im Sortiment des Brenners. Nein, die machen einfach durchgängig guten Stoff, auch wenn der Johannisbeerbrand natürlich für mich, der diese Beere sehr liebt, etwas sehr besonderes bleibt.

Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.

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