Für die BRANNT 2025 des Meininger Verlags hatte ich einen kleinen Artikel geschrieben, in dem ich auf interessante Alternativen zur gewöhnlichen Eiche eingehe, was die Auswahl von Hölzern für Fassreifung angeht. Das Magazin ist gerade erschienen, ich würde mich freuen, wenn viele Leser hier auf meinem Blog auch mal in das Printmagazin reinschauen. Während der Recherche für diesen Artikel habe ich mich entsprechend mit ungewöhnlich gereiften Spirituosen beschäftigt; da kamen Eschen- und Robinienfässer in die Auswahl, Kiri und bosnische Eiche, und zu guter letzt etwas, was wirklich rar ist: Wacholder. Ja, das Holz der Pflanze im Einsatz in der Küferei, nicht die Beeren, die ja jeder kennt. Nur eine winzige Menge an Spirituosen werden in Wacholderholz gereift, und ich kann ja keinen Artikel darüber schreiben, wenn ich nicht probiere, wie sowas schmeckt. Darum habe ich mir eine Flasche des Hernö Juniper Cask Gin organisiert, und will meine Erfahrungen nun detailliert mit meinen Lesern teilen.
Ein Gin ist in der EU und vielen anderen Regionen dahingehend reguliert, dass Wacholder das dominante Aroma sein muss, das wissen wir alle, und die Hersteller beginnen, sich wieder daran zu halten, nach einer ganzen Weile des New-Western-Gin, das sich für mich wie eine Wildwest-Show darstellte, in der alles erlaubt war und jeder aromatisierte Wodka plötzlich als Gin bezeichnet wurde. Bei Hernö in Schweden ist das Basisdestillat natürlich ein echter Dry Gin, botanikalisiert mit Wacholder, Koriandersamen, schwarzem Pfeffer, Cassiazimt, Vanille, Preiselbeeren, Mädesüß und Zitronenschale, also bunt, aber nicht übertrieben, und alle Zutaten sind in Bioqualität eingekauft, wenn auch ohne Zertifikat. Dieser Dry Gin kommt dann in die Wacholderfässer – selbstgemacht in der Destillierie, mit 40l Fassungsvermögen. Nur 30 Tage, das soll reichen, um die Eigenheiten des Holzes an den Gin zu übertragen. Am Ende wird er auf 47% Alkoholgehalt eingestellt. Er ist der erste seiner Art – umso spannender ist die Verkostung!
Farblich hat sich nichts nennenswertes wirklich aus dem Fass heraus ergeben – die Flüssigkeit ist kristallklar, man könnte sich einen minimalsten Anflug von Färbung einbilden, wenn, dann aber nur eine winzige Idee, die man nur sieht, wenn man das Glas gegen reinweißen Hintergrund hält. Ein wenig Viskosität nimmt man dagegen leichter wahr, ebenso die vielen Beinchen und Tröpfchen, die sich am Glas bilden.
Der Geruch ist schon da, wenn die Flasche noch zu ist und man die Bienenwachsschicht vom Stöpsel schnitzt. Wacholder in voller Ausprägung, das dominiert völlig, und erst im Nachgang findet man die etwas weicheren Botanicals, die zartfruchtige und mildkräuterige Seitenaspekte anlegen. Preiselbeeren, ja, und vielleicht milde Orangenzeste. Gerade die feine Zestigkeit und dezente Harzigkeit spielt dem Wacholder gut in die Hand. Das riecht im Gesamtbild sehr frisch und klar, stringent, und vielleicht ist es das Wacholderholz, das die Komponenten so sauber zusammenhält, ohne dass sich die Botanicals weit vom Wacholder entfernen können. Mit etwas Offenstehzeit kommen sehr feine, blumigkräuterige Noten zum Vorschein.
Erstmal fällt einem die fette Textur auf, wenn man sich dann einen Schluck auf die Zunge legt. Richtig dick und breit, süß und schwer. Danach kommen holzig-erdige Töne auf, vielleicht aus dem Zimt, dem Pfeffer, und natürlich dem Wacholder. Ordentlich Feuer bildet sich im Verlauf, pfeffriges, eukalyptuskaltes Kribbeln auf der Zunge. Würze und Alkohol sind gut eingestellt, im späteren Verlauf kommen die Fruchtaspekte etwas deutlicher hervor, ohne die grundsätzliche Herbe und freche Kräuterigkeit einzuschränken, höchstens zu ergänzen, gerade die Preiselbeere wirkt wunderbar natürlich. Bittere aus Holz und Harz ist unterschwellig immer da, der lange und ausdauernde, ganz vorsichtig salzige Abgang lässt dem Wacholder viel Raum, sich mit Vanille und einer Kräuterwiese zu einem sehr prägnanten Nachhall zu kombinieren.
Ich glaube, sogar ohne das Wacholderfassfinish wäre das ein großartiger, wacholderlastiger Gin, wie ich ihn sehr mag – mit dem Holzeinfluss, der wirklich dezent und trotzdem irgendwie spürbar ist, wird daraus eine krasse Wacholderbombe, die dem wahren Ginfreund sehr viel Spaß bereitet. Ungewöhnlich und trotzdem ohne plärrende Exotik, das ist feines Handwerk aus Schweden.
Die subtilen Wacholderholznoten und die gut platzierten Botanicals lassen diesen Gin auch in jedem bekannten Gindrink brillieren, doch so richtig cool wirkt er dann halt in Rezepturen, bei denen er seine Besonderheit auch ein bisschen zeigen darf, ohne von starken anderen Zutaten überdeckt zu werden. Der Pintxotini ist praktisch ein Wet Dirty Martini, der Gilda-Spieß aus Kapernäpfeln oder Oliven, Sardellen und Chilis bringt weitere Salzigkeit dazu. Eine ideale Spielwiese für den Hernö Juniper Cask Gin!
Pintxotini
2oz / 60ml Dry Gin
1oz / 30ml trockener, weißer Wermut
¼oz / 7ml Olivenlake
Auf Eis rühren. Mit einem Gilda-Spieß servieren.
[Rezept nach Sarah Morrissey]
An der Flasche findet sich wenig aufregendes, das Design hat sogar wirklich etwas sehr Reduktionistisches bis hin zum Amateurhaften, aber die Nordeuropäer mögen es ja so, das fühlt sich durchaus IKEA-ähnlich an. Das vierfach handgetauchte Bienenwachs über dem Stöpsel ist so eine Sache, die ich bei keiner Spirituose wirklich mag, das ist meines Erachtens nur lästig und hat keinen Vorteil – wenn es wenigstens nach Bienenwachs riechen würde, könnte ich dem vielleicht etwas abgewinnen.
Ein sehr unterhaltsames und spannendes Experiment, das die Schweden da gemacht haben. Wir werden nie viele derartige Spirituosen sehen, das Holz des Wacholders ist einfach zu schwer zu nutzen, einerseits wegen des Schutzstatus in vielen Ländern, so dass der Strauch gar nicht erst geschlagen werden darf und die Ausbeute für ein Fass darum nur schwer zu erreichen ist; andererseits ist das Holz auch mühselig für den Küfer zu bearbeiten, weil es harzig und widerspenstig ist. Gerade darum finde ich den Hernö Juniper Cask Gin so besonders – kreativ und ungewöhnlich. Sieht man wirklich nicht alle Tage!


