Früchte der eisigen Insel – 64° Reykjavik Distillery Crowberry Krækiberja Liqueur

64° Reykjavik Distillery Crowberry Krækiberja Liqueur Titel

Eine kurze Reise nach Island, und das mitten im Winter? Ja, manchmal macht man komische Sachen. Nach Island zu kommen ist vergleichsweise günstig, sich dort aufzuhalten dann aber überhaupt nicht mehr, das Preisgefüge kommt einem manchmal absurd vor und man sollte ein paar Extraeuro (in Isländische Kronen zu wechseln lohnt sich nicht, das Land ist durchdigitalisiert und nicht wie Deutschland noch im Neuland gefangen) immer dabei haben. Insbesondere Alkohol ist sowohl extrem teuer als auch streng reglementiert, stärker noch als in Schweden, das ich vor zwei Jahren besucht hatte und dies schon berichtete; die absolute Prohibition, die dort 1915 eingeführt wurde, wurde erst 1989 auch für Bier aufgehoben. Entsprechend legt man gerne mal 12-15€ für ein Glas Bier auf den Tisch, oder mal 6€ für ein Niedrigalkoholbier – diese können die Isländer richtig gut, ich empfehle, mal ein Ægir Ale mit nur 2,25% zu probieren, das schmeckt einfach gut trotz der Leichtigkeit.

Wenn man im Winter in Island ist und ein paar Touren durch die Landschaft macht, zum Beispiel die berühmte Golden Circle Tour, meint man nicht, dass dort viele Früchte wachsen, die es zu ernten lohnt. Im Sommer dagegen soll die Krähenbeere, lokal Krækiberja oder englisch Crowberry genannt, dort weit verbreitet sein, und eine sehr beliebte Zutat bei Desserts, im Frühstück oder in Trinkform als Krähenbeeren-Saft. Von diesem habe ich beim letzten Schritt des Skjól-Rituals in der Sky Lagoon in Reykjavik (ein Besuch lohnt sich, das ist schon sehr beeindruckend gemacht) ein frisches Gläschen bekommen, und das hat mir geschmacklich sehr gefallen, und als ich dann den 64° Reykjavik Distillery Crowberry Krækiberja Liqueur im Duty-Free-Shop sah, habe ich auf der Rückreise noch schnell zugegriffen. Ohne Aromastoffe, ohne Farbstoffe, ohne Konservierungsstoffe. Nur Alkohol, Krähenbeeren und Zucker – reiner kann man einen Likör nicht gestalten, das passt zur kargen und stillen Kultur der eisigen Insel.

64° Reykjavik Distillery Crowberry Krækiberja Liqueur

Die Krähenbeeren geben eine wirklich außerordentlich kräftige, tiefrubinrote Farbe ab, das muss man sagen – wie gesagt, ungefärbt ist der Likör. Dreht man das Glas mit der dicken, viskosen Flüssigkeit, sieht man, dass sich ein dauerhafter Farbfilm an der Glaswand bildet, ich hoffe, man erkennt das auf dem Foto des Glases. Der Likör selbst lässt sich nur bei starkem Gegenlicht durchblicken, die rubinroten Lichtreflexe bleiben eher am Rand.

Die Basisspirituose ist wohl irgendetwas zwischen Wodka und Aquavit, man hat diese Getreidigkeit eines nicht ganz neutralen Wodkas als erstes in der Nase, die 21% Alkoholgehalt spürt man aber nie. Danach kommen, ganz dezent aber nur, beerigfruchtige Noten zum Vorschein, die Krähenbeere erinnert hier etwas an Brombeere oder vielleicht Cranberry, aber noch schwerer und schwarzer. Das springt einen nicht an, sondern bleibt zurückhaltend und vergleichsweise still, wirkt dadurch aber natürlicher als viele andere Fruchtliköre.

64° Reykjavik Distillery Crowberry Krækiberja Liqueur Glas

Die Viskosität spürt man auch beim ersten Schluck, die Textur ist dick, aber nicht fett, legt sich fein auf den Gaumen, ohne ihn mit extremer Süße zu überfallen. Auch hier merkt man, dass man bei der Gestaltung der Spirituose eher auf Natürlichkeit setzt, die effektive Süße kommt einem wirklich aus Fruchtsaft stammend vor, nicht künstlich. Mild erscheint die Frucht, dunkel, beerig, eine Mischung aus Cranberry, Preiselbeere und Brombeere, vielleicht ein Touch Cassis, ohne dessen Präsenz zu erreichen. Wie sieht es aus mit der Eingangsfrage bezüglich der Nähe zum puren Saft? Ja, das ist deutlich erkennbar, im Verlauf, wenn die Süße abklingt, sogar immer mehr: dann eine interessante Mischung aus Litschi und Zuckerrohrsaft, würde ich sagen. Der Abgang ist kurz, angenehm weich, nie pappig, und lässt nur einen Hauch von Beeren-Aromen zurück.

Der 64° Reykjavik Distillery Crowberry Krækiberja Liqueur ist ein sehr sanfter Vertreter seiner Kategorie, da muss man schon offen sein für die feineren, subtileren Aromen und Eindrücke. Gerne hätte ich da etwas mehr erlebt, doch es bleibt das angenehme Gefühl, einen natürlichen, authentischen Eindruck dieser isländischen Beere im Mund zu haben, ohne Verstärkung durch moderne Chemie.


Im Original des Rezepts, das ich für den Crowberry Liqueur ausgewählt habe, nimmt man Holunderblütensirup statt des Likörs, und entsprechend heißt er dort auf schwedisch Fläderbärsglögg (das Rezept stammt aus „Vilda Drinkar“, einem schwedischen, sehr empfehlenswerten Cocktailbuch). Durch den Austausch habe ich den Namen geändert, zum Glück heißt Glögg sowohl auf schwedisch als auch auf isländisch Glühwein: der Krækiberjaglögg ist stärker als seine Inspiration, und noch etwas intensiver.

Krækiberjaglögg

Krækiberjaglögg
2⅔oz / 80ml Krähenbeerenlikör
⅔oz / 20ml roter Wermut
1⅔oz / 50ml warmes Wasser
1oz / 30ml Orangensaft
Vermischen und erwärmen.
Nach Wunsch mit Zimtstange, Sternanis und Ingwer würzen.
[Rezept adaptiert nach Bella Porcile]


Die Flasche, die ich erworben hatte, fasst 200ml, es gibt sie auch in größeren Größen. Egal wie groß, sie ist unauffällig, weist ein stilsicher gestaltetes Etikett mit wenig Sperenzchen und einen praktischen Plastik-Schraubverschluss auf.

Ein nettes Detail – die Brennerei hatte diesen Likör scheinbar 2011 beim ISW eingereicht, bei dem ich erst vor kurzem als Juror beiwohnen durfte – 2011 war ich natürlich noch nicht dabei, aber ich kenne ein paar Kollegen, die wahrscheinlich dafür mitverantwortlich sind, dass der 64° Reykjavik Distillery Crowberry Krækiberja Liqueur dort eine Silbermedaille bekam, mit der die Brennerei noch heute wirbt. Da sieht man mal, wie sich alles zu einem runden Kreis formt, ich genieße die Perfektion, in der die Geschichte manchmal arbeitet. Und den Likör dazu natürlich auch, die Flasche ist bereits leer.

Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.

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