Kanada und Whiskey, das ist eine lange und spannende Geschichte. Die weiten Weiten der kanadischen Landschaften erlauben natürlich, riesige Getreidefelder zu bewirtschaften, die Grundlage ist also da. Insbesondere während der US-amerikanischen Prohibition war Kanada der illegale Lieferant für die gesetzlich ausgetrockneten Gaumen der nahen Nachbarn, und viele unterhaltsame Geschichten drehen sich um die Schmuggler, die den guten kanadischen Stoff von der Quelle bis in die Münder der durstigen Trinker auf der anderen Seite der Grenze brachten. Bis heute hat Kanada seinen Whiskey hochgehalten, und tatsächlich einen eigenen Stil hervorgebracht, meist deutlich roggenlastig. Aber das ist keine Pflicht – auch Gerste ist ein gern gesehener Gast in den Mashbills der kanadischen Brenner.
Ein Beispiel dafür habe ich von meiner Reise nach Vancouver mitgebracht: den The Liberty Distillery Trust Anniversary Cask Strength Whiskey. Anniversary? Ja, der Whiskey wurde zum 10-jährigen Jubiläum der Brennerei auf Granville Island im Stadtgebiet gebrannt. Dafür wird reine Biogerste aus British Columbia herangezogen, ein kleiner Anteil davon getorft. Dreifach in Kupfersäule gebrannt, Bilder der (aus Deutschland stammenden, darauf ist man stolz dort) Apparate sind weiter unten angehängt. Ex-Bourbon-Fässer mit 200 Liter Fassungsvermögen nahmen das Destillat dann für etwas über 7 Jahre auf, schließlich folgte die unverdünnte Abfüllung in Flaschen mit einer Fassstärke von 62,5% Alkoholgehalt; das war letztlich auch der Grund, warum ich diese Flasche dringend haben wollte – kanadischer Whiskey von einer jungen, modernen Brennerei, unverfälscht. Nichts hält mich davon ab, den Korken zu ziehen und ihn nun mit meinen Lesern gemeinsam zu probieren!
Ocker ist die Farbe im Glas, wo sich der Whiskey etwas heller präsentiert als in der Flasche – ein ganz üblicher Effekt, den man oft sieht. Goldene Lichtreflexe zeigen sich beim Schwenken, eine ehrliche Färbung für das Alter des Brands. Die Schlieren, die sich bilden, laufen schnell ab, wirken dabei aber sehr ölig.
Die Nase zeigt sich in einer Mischung aus Frucht und Getreide: zunächst finde ich viel rotbackigen Apfel, süßlich und saftig, mit sogar etwas Zwetschgenkuchen darunter. Vanille und Zimt wirken mit, dem ersten Schnuppern eine Erinnerung an süße Backwaren zu verleihen. Im zweiten Ansatz kommt die Gerste deutlicher hervor, und bildet dann eine angenehme Melange aus Eindrucken von karottigem Bourbon und Highland Scotch, man meint wirklich, einen Grenzgänger vor sich zu haben. Etwas reife Banane entdecke ich noch, und ein gerüttelt Maß an Pattex. Gerade letzteres in Kombination mit dem hohen Alkoholgehalt zwickt dann doch etwas in der Nasenschleimhaut, man muss kleine, kurze Duftproben nehmen und den Riechkolben nicht zu tief dabei ins Glas halten.
Das veranlasst mich dann doch dazu, für den Trust Anniversary ein paar Tropfen Wasserbeigabe zu empfehlen, denn auch am Gaumen fühlt er sich unverdünnt etwas harsch und alkoholisch an; ich kenne Spirituosen, die das doch sehr viel besser handhaben, da bin ich doch etwas enttäuscht. Die Wasserbeigabe lässt leider die Aromen in der Nase fast vollständig verschwinden, dafür wird das Mundgefühl etwas voller, die Textur dicht und schwer. Man merkt trotzdem, dass man einen kantigen, eckigen Brand vor sich hat, der wird nie wirklich weich oder zart, bleibt herb und bitter, sehr würzig und leicht salzig. Der Nachklang ist dafür sehr lang und hitzig, nein, eher schon feurig, mit einem dichten Hauch von Würze, der sehr lange im Mundraum bleibt – das wird dann richtig angenehm, mildaromatisch nur, aber effektvoll und spannend. Minimalst floral, definitiv aber getreidelastig, klingt er dann endgültig aus, das heißkalte Kribbeln auf Zunge und Gaumen geht erst nach 10 Minuten weg.
Nun, das ist kein Whiskey, mit dem man die feine Kunst des Brennens demonstriert, oder zeigt, wie feine, elegante Spirituosen man bei Liberty Distillery machen kann. Das ist eine explosive Würzbrumme, aromatisch nicht wirklich aufregend, aber unterhaltsam in seiner ungezähmten Wildheit. Mir macht das Spaß, mit Einschränkungen, kann mir aber vorstellen, dass Menschen mit zarterem Gaumen mein Amüsement nicht teilen werden können.
Ich habe den Granville Island Sour so genannt, weil die Hauptzutaten von der kleinen, voll ins Stadtgebiet integrierten Insel im südlichen Vancouver stammen, auf der die Liberty Distillery beheimatet ist. Auf dem Public Market dort habe ich auch den kandierten Chinook-Lachs gekauft, der mehr als nur Dekoration in diesem Drink ist – die süßsalzige Komponente passt wunderbar zur Säure und leichten Bittere des Cocktails selbst, da bekommt die Zunge wirklich was zu tun! Der Trust Anniversary bringt hier darüber hinaus ordentlich Power rein.
Granville Island Sour
1½oz / 45ml kanadischer Whisky
¾oz / 23ml Zitronensaft
¾oz / 23ml Ahornsirup
1 Eiweiß
3 Spritzer Aromatic Bitters
Auf Eis shaken. Dirty dump.
Aufgießen mit kanadischem IPA.
Mit kandiertem Lachs servieren.
[Rezept nach Helmut Barro]
Die Flasche liegt gut in der Hand, mit schwungvoller Form und einem toll kontrastreichen, himmelblauen Etikett. Sie hat die Rückreise von der kanadischen Westküste gut überstanden, ich hatte sie aber auch sorgsam eingepackt – was man nicht will, sind Spirituosen, die im Koffer platzen und dann den gesamten Kofferinhalt verseuchen. Der Duft ist gut, sicherlich, bei Whiskey ist das bestimmt weniger schlimm als bei Baijiu, wie es einem Bekannten neulich passierte.
Wer in Vancouver unterwegs ist, muss eh Granville Island besuchen, das ist Pflicht. Die Öffnungszeiten der Liberty Distillery, die man dann dort besuchen kann, sollte man vorher aber abfragen. Auch wenn sie nicht ultraspektakulär ist, bietet sie demjenigen, der eigentlich eh lieber den Charme genießen will als Brennapparate aus der direkten Nähe zu besichtigen, doch so einiges. Das Personal ist freundlich und aufgeschlossen, man kann viel probieren und am Ende was einpacken. So wie ich das gemacht habe.






Das tolle an solchen Urlaubsmitbringseln ist für mich einfach, dass man mit jedem Schluck, den man davon trinkt, nochmal ein bisschen in Nostalgie schwelgen kann, und sich gedanklich an den Ort zurückversetzen. Für mich war die Reise nach Vancouver ein einschneidendes Erlebnis – Kanada ist ganz oben auf meiner Wunschliste für weitere Reisen gelandet, und für nächstes Jahr ist ein weiterer Trip bereits in Planung. Kanada hat diesen Charme, dem man sich nicht mehr entziehen kann, wenn man ihn einmal erlebt hat; und der Whiskey von der Liberty Distillery tut sein übriges dazu.



Ein Kommentar zu “Das wilde Kanada – The Liberty Distillery Trust Anniversary Cask Strength Whiskey”