Die Diskussion um manipulierte Rums lässt mich nicht ruhen. Wir sind zumindest an einem Punkt angekommen, wo die künstliche Nachsüßung auch im Mainstream der Rumkonsumenten bekannt geworden ist – die Aufklärungsarbeit trägt erste Früchte, wenn es aber auch noch sehr viel zu tun gibt diesbezüglich. Eine spannende Initiative geht aktuell außerdem von der EU-Kommission aus: Sie forderte vor kurzem die Hersteller alkoholischer Getränke dazu auf, ihr Vorschläge für eine Selbstregulierung bezüglich der Angabe von Inhaltsstoffen und Nährwerten zu unterbreiten. Sollte sich da tatsächlich etwas tun und die Hersteller gezwungen werden, wenn nicht schon die Praxis des Manipulierens mit allerlei Zusatzstoffen zu unterlassen, dann doch wenigstens sie offiziell zuzugeben? Ich harre höchst gespannt der Dinge, die da kommen mögen…
Anlass genug, dass ich erneut eine meiner alten Rum-Rezensionen, damals geschrieben bei Amazon, herauskrame und auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfe. Der Dos Maderas PX 5+5 ist ein sehr beliebter Rum, der durchweg gute Bewertungen erhält und aufgrund seines aufwändigen Produktionsprozesses von vielen als beachtenswert betrachtet wird. Ich selbst hatte ihm einst 5 Sterne bei Amazon zuerkannt, als ich jung und naiv war – wie sehe ich ihn heute, wo ich andere Kriterien an Rum anlege als damals?
Im Rückblick fallen mir natürlich Dinge auf, die ich mit meinem in Rum nun sehr viel erfahreneren Gaumen so nicht mehr schreiben würde.
All das ist für mich inzwischen eher Ausdruck von Unkenntnis und mangelnder Reichweite an Vergleichen. An diesem Rum ist eigentlich fast gar nichts „rumtypisch“, es ist sehr wohl eine Alkoholfahne riechbar, das „schöne Henna“ ist durch Nachfärbung entstanden.
Heute erkenne ich, in einem Nachtest, was ich als „kräftiger Körper, dicht und voluminös“ beschrieb, kaum wieder. Der Dos Maderas PX 5+5 ist eigentlich nur extrem süß, viel zu süß für meinen inzwischen anders ausgerichtetenRumgaumen – das ist nicht mehr natürlich, sondern künstlich und pappig, unangenehm. Dazu kommt ein schwacher Körper und eine deutliche Alkoholfahne. Diese Kombination ist für mich eindeutig – man merkt beim Dos Maderas PX 5+5 wie bei kaum einer zweiten Süßspirituose, dass hier ein junger, scharfer Rum mittlerer Qualität mit Zucker oder anderen Süßern „premiumisiert“ wurde, so dass er nun 26g Zucker pro 700ml-Flasche aufweist, also rund 5 Stück Würfelzucker.
Was ich natürlich nicht sagen will, ist, dass ein geschulter Gaumen automatisch nur die nicht-süßen Ausprägungen von Rum mögen wird – es ist aber sehr wahrscheinlich, denn diese sind in der Regel sehr viel komplexer und spannender, während die süßen Rums allzuoft in der Oberflächlichkeit hängen bleiben.
Auch die „raffinierte, kreative Handwerkskunst“ sehe ich natürlich nun in einem anderen Licht: Sehr entgegenkommend für mich als Sherryfreund, aber sehr problematisch für mich als Rumfreund. Wer mehr Details über die Herstellung erfahren will, kann dies bei Cocktailwonk, der den Hersteller besucht hat, nachlesen – auch wenn er das Thema der nicht natürlich entstandenen Süße ausspart, beziehungsweise sogar beschönigt. Man schmeckt den Sherry sehr deutlich heraus, bis zu dem Grad, wo ich mir nicht mehr sicher bin, ob hier wirklich nur Fasseffekte zum Tragen kommen, oder ob der Blender nicht einfach einen guten Schuss Sherry direkt dazugegeben hat (was Cocktailwonk indirekt bestätigt) – da eh schon massiv gesüßt wird, wäre das nur ein kleiner weiterer Schritt. Eventuell kommt der ganze Zucker auch schon direkt aus dem Sherry; dazu lassen findige Hersteller einfach die Sherry-Fässer, die sie für die Reifung benutzen, nicht entleeren. Ein paar Dutzend Liter „Restsherry“ sorgen dann für die beschriebene Geschmacksrichtung.
Aus Barbados und Guyana stammen die verwendeten Destillate, die spanische Bodegas Williams & Humbert kümmert sich um Nachreifung und Abfüllung. Ein internationaler Rum, und das soll sich in dem nun hier vorgeschlagenen Cocktail wiederspiegeln. Die anderen Zutaten passen sich dieser Vielfalt an: Drei Länder, drei Rumstile, im Three-Rum Old Fashioned in einem Glas vereint – kubanischer Ron Arecha und Damoiseau VS aus Guadeloupe unterstützen den milden Multikulti-Rum Dos Maderas PX 5+5 bei seiner Arbeit. Wenn man so will, hat man nun mindestens 7 Länder im Glas, wenn man das finnische Xylit und die deutschen Bitters mitzählt.
Three-Rum Old Fashioned
1 oz Dos Maderas PX 5+5
½ oz Rhum Agricole (z.B. Damoiseau VS)
½ oz kubanischer Rum (z.B. Ron Arecha)
1 Teelöffel finnisches Xylit
2 Spritzer Peach Bitters
1 Spritzer Bittermen’s Xocolatl Mole Bitters
Auf Eis rühren.
[Rezeptidee von Mike Treffehn, Rumsorten sind von mir abgewandelt worden]
Wer ihn mal probieren will, ohne sich gleich einen Dreiviertelliter mit entsprechenden Anschaffungskosten ans Bein zu binden: Es gibt ihn auch in knuffiger, ähnlich designter 0,2-Liter-Flasche zu kaufen. Das ist sehr lobenswert vom Hersteller; mehr Produzenten sollten sich für kleine Produktgrößen engagieren.
Für Freunde ungewöhnlicher Rums ist der Dos Maderas PX 5+5 auf jeden Fall einen Blick wert, auch wenn ich derart manipulierte Rums natürlich nicht guten Herzens wirklich weiterempfehlen kann oder will. Solange man aber weiß, dass man hier keinen Rum, sondern eine Spirituose auf Rumbasis, ein Rum-Sherry-Gemisch, vor sich hat, ist es ein interessanter Kandidat fürs Schulen des Gaumens, und ein schönes Anschauungsbeispiel dafür, welche starken geschmacklichen Auswirkungen die Tricksereien der Hersteller haben können.
Der Dos Maderas schmeckt mur nach wie vor sehr gut, tatsächlich auch aufgrund der – wie ich finde – ausgewogenenen, bzw. eher, geschickt eingebundenen Süße. Ich sehe ihn jetzt aber natürlich mit anderen Augen, auch wenn er im Vergleich zu anderen „Industrieprodukten“ wie Don Papa und Konsorten noch relativ „naturbelassen“ da steht. Ich würde die Süße auch eher auf „bewusst nachlässig gereinigte“ Pedro Ximenez-Fässer schieben, als auf eine reine Nachzuckerung. Diskussionswürdig? Ja! Zukünftig Deklarationspflichtig? Hoffentlich bald auch das! Aber der Dos Maderas hat in meinen Augen dennoch eine veritable Daseinsberechtigung!
Nun, eine Daseinsberechtigung hat jedes Produkt. Wie der Zucker allerdings in den Rum kommt, ist schon eine Sache, die man diskutieren muss. Insbesondere, da das Dazukippen von Sherry nichts anderes ist als das Dazukippen von Zucker. Es ist meines Erachtens, ohne die Rechtslage endgültig entscheiden zu können, eigentlich sogar rechtlich noch sehr viel fragwürdiger als die Nachzuckerung. Letztere ist klar erlaubt, es besteht nur eine Grauzone bezüglich des Grades. Ein Rum muss allerdings ausschließlich aus Zuckerrohr hergestellt werden, darf nicht mit Alkohol verschnitten oder aromatisiert werden. Was ist das Vermischen mit einer ordentlichen Portion Sherry?
Darf ich fragen was „finnisches Xylit“ ist? Das sagt mir mal garnichts.
Das nennt man auch „Birkenzucker“. Es ist eine alternative Süßungsquelle – kann man im Drogeriemarkt kaufen. Es ist auch in vielen „zuckerfreien“ Produkten enthalten, zum Beispiel manchen Kaugummis.
Ah, danke. Da hatte ich wohl eine wissenslücke ;-)
Und finnisches Xylit ist nochmal irgendwie besonders?
Es ist „das Original“ :). Xylit wurde in Finnland „erfunden“ und erstmals klinisch untersucht. Das ist aber nur ein Detail in dieser globalen Welt heutzutage.